Ein Gehirnscan als Lügendetektor
Ein von der CIA finanziertes Start-up-Unternehmen setzt auf einen großen Markt in der Strafverfolgung, der Terrorismusbekämpfung und der Werbung
Nach dem 11.9. wurden viele Ideen hochgekocht, um Terrorangriffe zu verhindern oder Terroristen rechtzeitig zu erkennen. So viel Überwachung und Kontrolle wie möglich, war die Devise, um die "Freiheit" zu schützen. So gab es einige Vorschläge, wie man denn ganz sicher Menschen überführen könne, die Terroranschläge planen oder diese bereits ausgeführt haben. Statt biometrischer Merkmale könnte man ja auch mit bildgebenden Verfahren die Gehirne scannen. Ein solches von ihm bereits entwickeltes System schlug denn auch ein Neurowissenschaftler zur Terroristenerkennung vor. Jetzt steht gerade zur Debatte, ob dieses Verfahren in einem Mordprozess anerkannt werden soll.
Überschwänglich über die möglichen Technologien zur Abwehr und Früherkennung des Bösen stellte auch das Weiße Haus im Sommer 2002 die National Strategy for Homeland Security vor, in der auch die anvisierten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben aufgelistet und ausgemalt wurden (Systeme zum Erkennen der bösen Absichten von Terroristen). Etwas Ähnliches hat nun auch die EU-Kommission für Europa vor. Eine Projektidee, von der man aber bislang nichts mehr gehört hat, war denn auch die Entwicklung von "Systemen zur Entdeckung feindlicher Intentionen". Da Terroristen, selbst wenn sie sich als harmlose Bürger und Schläfer ausgeben und noch nicht als solche bekannt sind (woran die anderen Kontrollsysteme wie CAPPS II kranken), an ihren "kriminellen Absichten" zu erkennen sein müssten, würde man solche noch zu entwickelnden Systeme an neuralgischen Punkten wie Grenzen oder Flughäfen installieren können. Sie würden dann in Windesweile aus der Entfernung die Gehirne der Menschen nach verdächtigen Inhalten absuchen, wie man dies bei Menschen oder Gepäckstücken an den Flughäfen bereits macht, um Waffen oder Sprengstoff zu entdecken.
Auch die Nasa, damals noch unter Druck und noch nicht mit den Weltraumvisionen des Präsidenten beschäftigt, hatte etwas anzubieten. Man könne "nichtinvasive neuro-elektrische Sensoren" einzusetzen, die in Durchgänge eingebettet sind und die vom Gehirn und vom Herzen der Passagiere ausgehenden elektrischen Signale erfassen können. Die physiologischen Daten könne man dann mit den bereits erfassten Daten über eine Person verbinden, um so einen Hinweis auf Passagiere zu erhalten, "die eine Bedrohung darstellen können" (Technischer Zauber zur Abwehr des Bösen). Allerdings war die Erfassung der Gehirnwellen aus der Ferne noch nur eine theoretische Möglichkeit. Und wie man aus einem solchen Gehirnwellendetektor überhaupt auf die Gefährlichkeit von Menschen schließen kann, blieb auch ein Geheimnis.
Realistischer und zumindest einleuchtender ist da schon die von Lawrence Farwell bereits vor einigen Jahren entwickelte, missverständlich "brain fingerprinting" genannte Technik, die schlicht mit einem Stirnband, an dem Sensoren angebracht sind, die Gehirnwellen einer Person erfasst, wenn ihr beispielsweise Bilder gezeigt werden (näher beschrieben: Gehirnscans mit dem fMRI zur Terroristenerkennung). Farwell beansprucht nicht, Absichten erfassen zu können, sondern damit wie mit einem Gehirn-Lügendetekor feststellen zu können, ob ein Mensch beispielsweise schon einmal an dem Tatort eines Verbrechens war oder das Opfer gekannt hat. Beim Wiedererkennen käme es zu unwillkürlichen, nicht beeinflussbaren Reaktionen, die sich in spezifischen Gehirnwellen in Form von P300-Reaktionen - MERMER (memory and encoding related multifaceted electroencephalographic response) genannt - erkennen lassen.
A new era in security and intelligence gathering has begun. Now, terrorists and those supporting terrorism can be identified quickly and accurately. No longer should any terrorist be able to evade justice for lack of evidence. And there is no reason why an innocent individual should be falsely imprisoned or convicted of terrorist activity. A Brain Fingerprinting test can determine with an extremely high degree of accuracy those who are involved with terrorist activity and those who are not.
Lawrence Farwell
Das System sei beispielsweise vom FBI, der CIA und von der US Navy erfolgreich getestet worden. Auch aufgrund des Gehirn-Lügendetektors sei im letzten Jahr das Urteil gegen den vermutlich fälschlicherweise wegen Mordes lebenslänglich eingesperrten Terry Harrington vom Berufungsgericht aufgehoben worden. Die Staatsanwaltschaft hat zunächst erneut Berufung eingelegt, aber nachdem ein Zeuge seine Aussage zurückgezogen hatte, auf die der Schulspruch wesentlich basierte, wurde der Prozess eingestellt. Dabei ging es nicht um die Beweiskraft des Gehirns-Lügendetektor, die aber von einem Regionalgericht in Ohio 2001 schon einmal anerkannt worden war.
Nun also geht es also um die Anerkennung als Beweismittel bei einem anderen Prozess, was ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum kommerziellen Erfolg wäre. Farwell ist gerade mit seiner noch erst 6-köpfigen Firma Brain Fingerprinting Laboratories von Iowa nach Seattle umgesiedelt und erwartet große Geschäfte, schließlich könne man seine Methode nicht für die Strafverfolgung einsetzen, sondern eben auch zur Erkennung von Terroristen, indem man herausfindet, ob Personen entsprechende Kenntnisse haben oder an bestimmten Orten wie Trainingslager waren. Es gäbe aber auch ganze profane und womöglich profitable Anwendungen, hofft Farwell, beispielsweise in der Werbung, um herauszufinden, ob sie wirkt und geistige Spuren hinterlässt. Als Startup hatte Brain Fingerprinting Laboratories eine Anschubfinanzierung von der CIA von einer Million Dollar erhalten und will nun weitere 5 Millionen von neuen Investoren erhalten, um den Durchbruch zu schaffen.
Jimmy Ray Slaughter wurde 1994 in einem aufwändigen Prozess zur Todesstrafe verurteilt, weil er für schuldig befunden wurde, seine ehemalige Freundin und ihr gemeinsames, 11 Monate altes Kind 1991 ermordet zu haben. Farwells Technik könnte möglicherweise die letzte Chance für Slaughter sein, doch noch der Todesstrafe zu entgehen. Der Mord wurde in dem Haus der ehemaligen Freundin begangen, das er gut kannte. Farwell hat den Mann gestestet und kam zum Ergebnis, dass Slaughter nicht wusste, wo in dem Haus der Mord stattgefunden hatte, wo die Leiche der Frau gefunden wurde und welche Kleidung sie zur Zeit ihrer Ermordung trug.
Die Frage ist nun, ob das Gericht dem irgendeine Bedeutung zumessen wird. Schließlich ist die Methode in Fachkreisen verständlicherweise umstritten. Farwell sagt hingegen, sie sei hunderprozentig sicher. Daher sagt er auch "definitiv" und aus seinem "wissenschaftlichen Standpunkt", dass "das Gehirn von Jimmy Ray Slaugher keine Erinnerung an die entscheidendsten Einzelheiten der Ermordung hat". Für Farwell also wäre er zweifelsfrei unschuldig. Und wenn es nach ihm ginge, würde man seine Technik zumindest überall dort einsetzen, wo es keine anderen Beweise für die Schuld oder Unschuld von Verdächtigen gibt. Vielleicht lernen dann ja die professionellen Täter, wie sie bewusst Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis löschen können, falls der Gehirnscan oder vielmehr die Auswertung des EEGs tatsächlich funktionieren sollte.
Möglicherweise könnte man die Technik auch im gerade stattfindenden Wahlkampf einsetzen, um die Schmierenkampagnen zu be- oder widerlegen, wie die gerade aufgekochte Story über das angebliche Clinton-ähnliche Verhältnis von John Kerry zu einer jungen Frau, die mittlerweile aber wohl auf konventionelle Weise ad acta gelegt wurde (aber trotzdem dem Drudge Report wieder einmal zu Bekanntheit verholfen hat). Auch bei George W. Bush wäre ein Einsatz denkbar, um nachzuprüfen, ob er wirklich seinen Militärdienst an den angegebenen Orten abgeleistet oder sich zeitweise gedrückt hat, wie Gegner ihm vorwerfen.