"An der Oberfläche eine sozialdemokratische Deutungshoheit"
- "An der Oberfläche eine sozialdemokratische Deutungshoheit"
- Besuch bei der Uni Witten-Herdecke
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Nach der Aufregung über einen Telepolis-Artikel: Besuch bei der GLS Bank und bei der Uni Witten-Herdecke
Was bisher geschah
Am 28. Dezember des vergangenen Jahres ist in Telepolis der Artikel Die Bertelsmann-GLS-Bank-Connection erschienen. Die GLS-Bank und die Uni Witten-Herdecke, zu denen ich eine Reihe kritischer Anmerkungen gemacht hatte, waren wenig amüsiert, luden mich aber dennoch beide in der Folge zu einem Gespräch ein.
Entgegen der überwiegend positiven Resonanz im Telepolis-Forum, mit einer Reihe kluger, zustimmender Kommentare, war vonseiten der GLS-Bank und der Uni Witten-Herdecke von einer Vielzahl von "Fehlern" in meinem Artikel die Rede. Kritisiert wurde auch meine wenig diplomatische Wortwahl.
Es hieß, man wolle dennoch die Sachverhalte im gemeinsamen Gespräch klären und ich sagte mit dem Zusatz zu, nach meinem Besuch eventuell einen weiteren Artikel schreiben zu wollen.
Die beiden Treffen haben am 16. April 2018 stattgefunden und dies ist der aus ihnen folgende Artikel, in dem ich mich zugunsten der Objektivität darum bemühen werde, Zuweisungen und Überspitzungen sparsamer einzusetzen - z.B. was Worte wie "neoliberal" oder "Elite-Kaderschmiede" angeht.
Muss man zu kritisierende Organisationen vorwarnen?
Die Presseabteilungen von Unternehmen und Organisationen werden von Kritik nicht gerne kalt erwischt. Daher erwartet man, dass Autoren vor der Veröffentlichung ihre kritischen Artikel artig einreichen und die Reaktion der Kritisierten abwarten. Man argumentiert auch in meinem Falle so:
Der direkte Kontakt hätte auch dazu beitragen können, zumindest einige der vielen inhaltlichen und argumentativen Fehler in Ihrem Artikel zu vermeiden.
Uni Witten-Herdecke
Natürlich gibt der Autor den Akteuren im Falle der Vorwarnung zum einen die Gelegenheit, mit Unterlassungsandrohungen zu reagieren und sich zum anderen umfänglich auf die Reaktion der Öffentlichkeit vorzubereiten. Insofern halte ich die Praxis für nicht so eindeutig gut.
Bei der GLS-Bank wollte man im Vorwege des Gesprächs eine gewisse Vertraulichkeit erreichen, also dass ich etwa wörtliche Zitate aus dem Gespräch nicht gegen die Bank in unfairer Art und Weise verwende. Wir einigten uns darauf, dass ich, wenn ich einen weiteren Artikel schreiben würde, der GLS-Bank vor der Veröffentlichung Gelegenheit geben würde, sich zum neuen Text zu äußern.
Da mein erster Artikel aus meiner Sicht nicht sehr fehlerhaft war, sondern nur ein paar kleinere Fehler und Ungenauigkeiten beinhaltete, wäre das formal gesehen auch bei einem weiteren Artikel aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig gewesen. Ich habe diesen Artikel aber dennoch vorneweg an die GLS-Bank und die Uni Witten-Herdecke geschickt und einige Kleinigkeiten entsprechend der freundlichen Rückmeldung der GLS-Bank korrigiert.
Auch entsprechend der Rückmeldung Uni Witten-Herdecke habe ich hauptsächlich Berechnungen der nachgelagerten Studiengebühren korrigiert und Fehler meinerseits in Bezug auf die formalen Strukturen der Uni, die sich als Außenstehender nicht immer richtig erfassen lassen.
Bei der GLS-Bank in Bochum: "Wir können nicht alle Probleme der Welt lösen"
Herbert Grönemeyer hat über Bochum in seinem gleichnamigen Lied geschrieben, die Stadt sei "vor Arbeit ganz grau" und "leider total verbaut". Das stimmt. Ob auch der zweite Teil des Liedtextes "Hier, wo das Herz noch zählt, nicht das große Geld" korrekt ist, war eines der Grundfragen meines Besuchs bei der Ökobank.
Wenn man das Hauptgebäude so sieht, dann wirkt es fast so. Gelegen in einem Wohnviertel, davor überproportional viele Fahrräder (aber durchaus auch große Parkplätze mit Autos aller Typen und Größen). Na ja - und vor den Haupteingängen natürlich die für eine Ökobank obligatorisch-repräsentativen Elektro-PKW.
Das Gespräch fand in einer zu Anfang etwas angespannten, aber zunehmend angenehmen Atmosphäre statt. Man versteht, das Eis mit dem Kritiker zu brechen. Dass man das Buch des Autors in Vorbereitung gekauft und mit Textmarker durchgearbeitet hat, ist natürlich sehr schmeichelhaft. Auch die Bewertung "absolut sympathisch" und "auf einer Wellenlänge mit uns". Insbesondere mochte man meine Vorschläge für eine post-neoliberale Welt (siehe hier).
Herr Goldfuß, der im G8 Gremium "National Advisory Board Germany" (NAB) sitzt, dessen Vorsitzende Brigitte Mohn von Bertelsmann ist, konnte aufgrund eines internen Missverständnisses am Gespräch leider nicht teilnehmen. Es wäre spannend gewesen, wie seine Einschätzung über die gemeinsamen - oder eben auseinanderlaufenden Interessen von GLS-Bank und Bertelsmann ausgefallen wären.
Die beim Gespräch anwesenden GLS-Vertreter hatten zu diesem Thema nicht viel zu sagen, außer, dass ihre Zielgruppe "alle Menschen" seien und man daher auch auf alle Menschen und Akteure zugehe und mit ihnen spreche. Man pflege eine offene Kommunikation ja auch mit Kunden (was der Autor als Kunde bestätigen kann). Auf die Kritik in meinem Artikel an Lukas Beckmann als Mitglied der Kohle-Stiftung RAG und zugleich der GLS-Bank, geht man inhaltlich nicht ein, sagt aber, dass Herr Beckmann inzwischen im Ruhestand sei. Ich persönlich denke, im Lichte der Doppelmitgliedschaft bei der GLS und der RAG ist man in Bochum nicht ganz unglücklich darüber.
Bei der GLS-Bank teilt man meine Fundamentalkritik an den Aktienmärkten zwar zum Teil, aber man möchte als Bank auch wachsen (derzeit hat man rund 220.000 Kunden) und steht daher dazu, eigene Aktienfonds aufzusetzen. Man geht den Weg des Kompromisses (vielleicht wie die Grüne Partei?). Man betont die scharfe Auswahl der Unternehmen, in die investiert werde.
Für die Fonds unterhält man eine Forschungsabteilung, die ethische Kriterien anlege, so dass nur in sehr wenige und ausgewählte Unternehmen investiert werde. Wichtig sei die "sinnvolle Wirkung des Geldes".
Die Grundhaltung scheint zu sein: "Wir können nicht alle Probleme der Welt lösen." In dem Zusammenhang betont man aber, man unterscheide sich positiv von anderen Banken, da man etwa intern vollständig auf die branchenüblichen Provisionsmodelle für MitarbeiterInnen verzichte, also auf Belohnungen, wenn die Mitarbeiter Produkte verkaufen - die für die Kunden in vielen Fällen keinen Nutzen haben.
Insgesamt investiere man 70% der zur Verfügung stehenden Gelder in Lieblingsprojekte, also etwa ökologische, soziale oder biolandwirtschaftliche Projekte. Der Rest müsse aufgrund von Finanzmarktregulierungen zu einem Teil schnell verfügbar gehalten werden. Dies erfolge durch die Mitgliederschaft bei der DZ-Bank, die im Verbund der Volksbanken, dem die GLS angehört, obligatorisch sei.
Dies zwinge die GLS-Bank, zumindest einen Teil der Gelder in der DZ-Bank vorzuhalten, bei dem man keine Kontrolle darüber habe, wie sie investiert würden.
Zu meinem Hinweis auf die Auszeichnung der GLS-Bank als "Bank des Jahres" von den Bertelsmann-Medien n-tv und Börseonline stellt man bei der GLS-Bank klar, dass die Auszeichnung ein Publikumspreis ist und daher nicht von der Bank selber in irgendeiner Weise initiiert worden sei. Insofern scheint die Auszeichnung tatsächlich nur ein Zufall zu sein.
Ich hatte ja auch nur von einer "vielleicht zufälligen Verbindung" geschrieben. Die Auszeichnung kann man sich als Gewinner in der Werbung aber nur dann anheften, wenn man Geld an die Initiatoren bezahlt. Insgesamt sieben Mal hat die GLS Bank den Preis bekommen und nur beim siebten Mal hat sie das Geld an die Initiatoren des Preises überwiesen, um Werbung mit der Auszeichnung machen zu können. Dagegen ist ja auch eigentlich nichts weiter einzuwenden.
Meine Kritik an der Uni Witten-Herdecke kann man bei der Bank nur zum Teil nachvollziehen. Man verweist auf die Fast-Pleite der Uni 2008/2009 und die verzweifelte Suche nach neuen Finanzierungsquellen. Auch verweist man auf einige als innovativ empfundene Ansätze der Uni Witten-Herdecke wie das "Studium Fundamentale".
Kritik an Bertelsmann kann man bei der GLS Bank nach eigener Darstellung gut nachvollziehen und die Kommerzialisierung der Bildung wird auch von der GLS-Bank grundsätzlich kritisch gesehen.
Dennoch sagt man nicht, dass die Investition in die "Chancen e.G." ein Fehler gewesen sei. Das Thema des aus der Uni Witten-Herdecke ausgegründeten und von der GLS-Treuhand finanzierten Startups Chancen e.G. ist ein Konfliktthema, bei dem wir im Gespräch nicht auf einen Nenner kommen.
Ich habe gefragt, ob die GLS-Bank über keine Ethikkommission verfüge, die das Investment Chancen e.G. geprüft habe - zumal es sich um ein Geschäftsmodell von Studiengebühren handelt und dies aus meiner Perspektive ethisch nicht förderbar sein dürfte. Dies ist nicht der Fall.
Drei Kritikpunkte in Bezug auf die Aktivitäten der GLS-Bank bleiben aus Sicht des Autors bestehen:
- Die Nutzung der Aktienmärkte für Fondsprodukte und damit die Unterstützung der turbokapitalistischen Kapitalmärkte mit ihrem systembedingten Fokus auf Profitmaximierung. Aktiengesellschaften sind aus einer demokratisch-gesellschaftlichen Perspektive zudem deutlich schlechter zu bewerten als etwa Genossenschaften.
- Die Finanzierung von Unternehmen, die Geschäftsmodelle rund um Studiengebühren verkaufen und damit zur Ökonomisierung der Bildung beitragen.
- Die kommentarlose (und unkritische?) Zusammenarbeit in Gremien, die unter der Führung von Bertelsmann organisiert sind.
Die Differenzen zwischen Autor und GLS-Bank sind insgesamt überschaubar. Deutlich kontroverser ist das Verhältnis zur Privat-Uni Witten-Herdecke, weshalb der größere Teil dieses Artikels dem zweiten Termin am 16. April gewidmet sein soll.