An der SPD wird die GroKo nicht scheitern

Seite 2: Zusammenbruch der europäischen Sozialdemokratie

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Aber Tsipras und seine Syriza sind mittlerweile der rechten Sozialdemokratie in Europa so ähnlich, dass sie auch wie diese bei den nächsten Wahlen ebenso abgestraft werden könnten. In einer Taz-Reportage dazu heißt es:

Die Sozialdemokratie in Europa ist nicht mehr nur im Krisenmodus, sie nähert sich mancherorts dem Zusammenbruch. Nicht nur in den Niederlanden, auch in Frankreich und Griechenland wurden die altehrwürdigen Parteien pulverisiert. Die Symptome sind überall ähnlich: Die Aufsteigergeneration hat die Verbindungen zu ihrer Herkunft gekappt.

Wo es ärmlich und ungemütlich zugeht, im Mannheimer Norden, den Vororten von Rotterdam oder den Randbezirken von Wien, laufen frühere Stammwähler zu den Rechtspopulisten über. Die Parteiapparate schauen hilflos zu. Die Abgehängten und das Dienstleistungsproletariat setzen nicht mehr auf die saturierten Sozialdemokraten. Und die erfolgreichen, jungen Globalisierungsgewinner finden Sozialdemokratie voll 20. Jahrhundert."

Taz

Nicht vom europäischen Abwärtstrend betroffen sind die portugiesischen und britischen Sozialdemokraten. Beide haben sich in den letzten Jahren zu moderaten Linkspositionen durchgerungen und die Austeritätspolitik etwas modifiziert, in Portugal mit Unterstützung der Linksopposition. In Großbritannien ist noch nicht klar, ob die Labour Party den linkspopulistischen Kurs ihres aktuellen Vorsitzenden Corbyn beibehalten kann und wird.

Manche linken Sozialdemokraten sehen in ihm genau einen Hoffnungsträger wie vorher in Bernie Sanders und auch vor einigen Jahren Tsipras. Die Namen wechseln, aber sie waren bisher nie erfolgreich, und die SPD hat daran wie bei Tsipras aktiv mitgearbeitet.

Die SPD wird diese Tradition fortsetzen, ob als Teil der Regierung oder als loyale Opposition. Die durch die unterschiedliche Position bedingte Rhetorik sollte darüber nicht hinwegtäuschen. Darum ist es für die Politik letztlich irrelevant, ob die SPD Teil einer Regierung ist.

In Fragen der Inneren Sicherheit, der Flüchtlingsabwehr, der Innenpolitik wird sie da weitermachen, wo die alte Regierung aufgehört hat. Schließlich amtieren die Minister sogar noch. Und die Gegner der großen Koalition, die wie der linksliberale Publizist Jakob Augstein die SPD ebenfalls aus gesamtdeutscher Verantwortung auffordern, in der Opposition zu bleiben, werden am Ende keine Rolle spielen.

Schon vor den letzten Koalitionen mit der Union haben Linke in der SPD gegen die Groko mobilisiert. Damals gab es sogar rechnerisch eine Mehrheit links von der Union. Doch jedesmal haben die Groko-Gegner Niederlagen erlitten. Das wird jetzt, wo es eine strukturell rechte Mehrheit im Parlament gibt, nicht anders sein.

Sogar die Jungsozialisten sind keineswegs so klar gegen eine Groko, wie es suggeriert wird. In der Wochenzeitung Kontext wurde über Jungsozialisten in Baden Württemberg berichtet, die auch bei der FDP anheuern könnten.

Und die Jusos im Südwesten sehen sich an der Spitze der Bewegung. Sie wollen den Landesverband wieder zum Motor der Bundespartei machen. So wie er das einst schon war in den Siebziger Jahren, als der legendär gewordene "Tübinger Kreis" Furore machte als linker Talentschuppen und Ideenwerkstatt der 68er. Gefolgt von Erhard Eppler und seinem Aufbruch zu einer neuen Orientierung der SPD in der Umwelt- und Friedenspolitik. Diesmal aber geht es dem Nachwuchs nicht um progressive Inhalte, sondern darum, das Erbe der Schröder-Ära mit ihrer Annäherung an neoliberale Denke vor kritischer Rückschau zu bewahren. Sie wolle keine "endlosen Debatten" über die Vergangenheit führen, sagte Bernickel auf dem Landesparteitag am vergangenen Samstag in Donaueschingen. Vielleicht doch in der falschen Partei? Jedenfalls verlangt die Betriebswirtin, Studienrichtung Finanzdienstleistungen, nach einer "ganzheitlichen Erzählung".

Johanna Henkel-Waidhofer, Kontext