Anerkennung von Kinder-Ehen vom Tisch

Seite 2: Verständnisvolle Linke

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Maas erntete für seine früher geäußerte Absicht, im Ausland geschlossene Ehen grundsätzlich anzuerkennen, allerdings nicht nur Kritik. Insbesondere in der Linken wird um Verständnis für dieses, an die frühmittelalterlichen Vorstellungen des Propheten Mohammed angelehnte Lebenskonzept geworben.

Mädchen und junge Frauen seien auf der Flucht besser geschützt, wenn sie verheiratet wären, heißt es. Oder auch, die hierher geflüchteten Männer könnten ihre in der Krisenregion zurückgebliebenen Frauen nur im Zuge der Familienzusammenführung nachholen, wenn sie verheiratet seien. Zudem wird die Sorge geäußert, die Mädchen und jungen Frauen verlören z.B. Erbansprüche in den Herkunftsländern, wenn die Ehen hier nicht anerkannt würden. Oder gar, ihnen könne die Steinigung drohen, wenn sie hier geschieden, und als unverheiratete Frau, Mutter vielleicht sogar, in die Herkunftsländer zurückgeschickt werden.

Das letzte Argument deutet es schon an: In manchen, islamisch geprägten Staaten sind Frauen ziemlich rechtlos, ihr Leben lang unmündig und ihren Vätern, Brüdern und Ehemännern ausgeliefert. Erbansprüche haben Frauen nur ganz bedingt. Abgesehen davon gibt es in den meisten Herkunftsfamilien der Frauen nichts mehr zu vererben. Fast die Hälfte der Betroffenen kommt ursprünglich aus Syrien. Da wo sie herkommen gibt es höchstens noch 'nen Haufen Schutt.

Grundsätzlich ist die Annahme, die Ehen seien mit der Nicht-Anerkennung automatisch geschieden, falsch: "Nach dem Gesetz des Herkunftslandes wäre das Mädchen noch verheiratet. Würde das Paar abgeschoben oder freiwillig ins Herkunftsland zurückkehren, hätte die Ehe nach dem Recht des Herkunftslandes weiterhin Bestand. Auch die Kinder wären ehelich. Bliebe das Paar in Deutschland, könnte die junge Frau mit Erreichen der Volljährigkeit selbst ein Anerkennungsverfahren ihrer Ehe vor einem Familiengericht in die Wege leiten", stellt TdF unmissverständlich klar.

Im islamischen Eherecht können die Frauen jederzeit verstoßen werden. Binnen drei Monaten ist die Frau nicht nur recht-, sondern auch heimatlos. Übrigens mitsamt ihren Kindern, wenn der Mann diese nicht behalten will. Allerdings hat nur dann die Frau ihrerseits die Möglichkeit, die Kinder zu behalten.

Statt Menschenrechtsverletzungen gegeneinander aufzurechnen, und die bundesdeutsche Gesetzgebung der Steinzeit anzupassen, muss die gesetzliche Grundlage geschaffen werden, dass die Frauen und ihre Kinder, eigenständiges Bleiberecht erhalten. Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe nennt sich das. Es ist wohl einsehbar, dass keine geflüchtete Frau in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden darf, wenn ihr dort die Steinigung droht.

Außerdem muss Druck auf die Bundesregierung gemacht werden, dass sie für sichere Fluchtwege für Kinder, Jugendliche, Frauen, Kranke, Alte oder Menschen mit Handicap schafft. Die Mädchen und Frauen brauchen keinen vergreisten Ehemann, sondern z.B. ein Flugticket. Plus entsprechender Betreuung und menschenwürdiger Unterkunft und Verpflegung in den Zielstaaten. Für sich, und so vorhanden, ihre Kinder.

Die Integrationsbeauftragte wirft mit Nebelkerzen

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), mischte sich in die Diskussion ein. Mit einer für eine Integrationsbeauftragte bemerkenswerten Position:

Ein pauschales Verbot von Ehen von Minderjährigen ist zwar vielleicht gut gemeint, kann aber im Einzelfall junge Frauen ins soziale Abseits drängen … Werden ihre Ehen aberkannt, verlieren sie unter anderem Unterhalts- und Erbansprüche, ihre Kinder wären unehelich, für viele würde das sogar eine Rückkehr in ihre Heimatländer unmöglich machen.

Aydan Özoğuz

Eine Rückkehr in die Herkunftsländer ist auf lange Sicht nicht absehbar, und dass die Frauen ihre im islamischen Recht sehr bescheidenen Unterhalts- und Erbansprüche vermutlich sehr gern gegen ein Bleiberecht, ein selbstbestimmtes Leben als Zukunftsperspektive und soziale Absicherung eintauschen werden, liegt doch wohl auf der Hand. Insofern versucht Özoğuz die Debatte auf völlig unerhebliche Nebenschauplätze zu lenken.

Plausibler wird die Ansicht der Integrationsbeauftragten, die mit dem früheren Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) verheiratet ist, wenn man ihr familiäres Umfeld anschaut. Die beiden Brüder Yavuz und Gürhan Özoğuz betreiben seit 1999 das Internetportal Muslimmarkt.de, wo sie den iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei gerne zitieren (Anm. der Redaktion: An dieser Stelle wurde zuvor ein Gerichtsurteil erwähnt, das allerdings nicht rechtskräftig ist, daher wurde der Passus entfernt). So stand unkommentiert auf Muslimmarkt.de zu lesen:

Alle Politiker, alle Journalisten, alle Intellektuelle, alle Offizielle und alle Experten des Westens sollen ihre Köpfe verbeugen, um der Gaskammern zu gedenken. Dabei sollen sie alle einem Märchen beipflichten, dessen Authentizität gar nicht klar ist, und sich selbst schuldig fühlen aufgrund dieser Geschichte.

Wiedergabe der Rede Chameneis laut Taz-Bericht

Die Brüder fühlen sich den islamischen Weisen und Pflichten verbunden. Sie bekennen sich zum fundamentalistischen Schiitentum. 2003 brachten sie das Buch "Wir sind 'fundamentalistische Islamisten' in Deutschland. Eine andere Perspektive" heraus.

"Ihr Buch ist voll von Beispielen dafür, wie kompromisslos sie ihren Glauben interpretieren. Was sie für normal halten, ist in Wahrheit reines islamistisches Gedankengut … Ihre Beteuerungen, vollständig gesetzes- und verfassungstreue deutsche Staatsbürger zu sein, werden durch ihre rein religiöse Begründung ebenfalls ad absurdum geführt", konstatierte der Spiegel.

Nun kann Aydan Özoğuz nicht in Sippenhaft genommen werden, für das, was ihre Brüder zu verantworten haben. Auch distanziert sich die SPD-Politikerin öffentlich von den politischen Umtrieben ihrer Brüder. Außerdem fordert sie "fairen Umgang" mit ihrer Person ein. Sie möchte beurteilt werden, "nach dem, was ich sage und tue".

Wenn nun eine familiär politisch stark belastete Politikerin aus fadenscheinigen Gründen versucht, Kinder-Ehen in Deutschland salonfähig zu machen, dann darf sie sich nicht wundern, dass das, was sie sagt und tut, ein Gschmäckle kriegt, und die öffentliche Distanzierung zu ihren fundamentalistischen Brüdern nicht sonderlich glaubhaft erscheint.