Anti-Seuchen-Moskitos mit Fortpflanzungsvorteil

In den USA gelang die Züchtung von Mücken, die nicht nur ein Anti-Denguefieber-Gen in sich tragen, sondern sich auch in der Natur durchsetzen

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Vor 10 Jahren konnten erstmals erfolgreich neue Sequenzen in das Genom von Moskitos eingesetzt werden. Es dauerte neun Jahre, bis schließlich eine nützliche Gensequenz gegen das von den Insekten verbreitete Dengue-Fieber gefunden wurde, an dem in Asien und Südamerika jährlich 50 Millionen Menschen erkranken. Forscher von der Virginia Tech und der University of California in Irvine wiesen jetzt nach, dass es möglich ist, die Moskitos genetisch so auszustatten, dass auch die Mischlings-Nachkommen von genveränderten und nicht-genveränderten Insekten das Anti-Viren-Gen in sich tragen. Bislang trug nur etwa die Hälfte der Nachkommen aus solchen Verbindungen das Gen in sich. Damit hätte zwar das Krankheitsrisiko in Seuchengebieten etwas gesenkt, aber die Krankheit nicht ausgerottet werden können.

Gelbfiebermücke beim Stechen eines Menschen. Bild USDA

Der Entomologe Zach Adelman von der Vector-Borne Infectious Disease Research Group an der Virginia Tech veröffentlichte seine zusammen mit Nijole Jasinskiene, Sedef Onal, Jennifer Juhn, Aurora Ashikyan, Michael Salampessy, Todd MacCauley und Anthony A. James von der University of California in Irvine erarbeiteten Ergebnisse in einem Artikel namens "Nanos gene control DNA mediates developmentally-regulated transposition in the yellow fever mosquito Aedes aegypti" in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). Adelman war auch am Team von Alexander W.E. Franz von der Colorado State University beteiligt, das im letzten Jahr die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) genetisch so modifizierte, dass sich der Dengue Virus Typ 2 nicht mehr replizieren konnte. Das Insekt verbreitet neben Gelb- auch Chikunguya- und Denguefieber. Für letztes gibt es keine Impfstoffe. Auch mit Medikamenten kann die Krankheit nur sehr schwer behandelt werden.

Bestrahlung oder Genmanipulation?

Bisher setzte man bei der Bekämpfung von Seuchen vor allem auf die sterile Insektentechnik (SIT), bei der mit Gammastrahlen behandelte Insektenmännchen möglichst viele Eier von freilebenden Weibchen mit geschädigtem Erbgut befruchten sollen, das die Larven sterben lässt. Auf diese Weise gelang es, die Schraubenwurmfliege, deren Larven sich in Wunden von Tieren und Menschen einnisten, in den USA fast auszurotten. Auf Sansibar, einer Insel vor der ostafrikanischen Küste, bekämpfte man mit SIT erfolgreich die Tsetsefliege. Und in Valencia entsteht derzeit eine Bestrahlungsanlage, mit deren Hilfe man die Mittelmeerfruchtfliege bekämpfen will.

Bei Mücken jedoch erwies sich diese Methode als weniger erfolgreich: Sie müssen einer relativ hohen Strahlendosis ausgesetzt werden, die nicht nur das Erbgut, sondern auch die Insekten selbst schädigt - aus diesem Grund sind sie im Kampf um die Befruchtung von Eiern deutlich weniger erfolgreich als ihre unbestrahlten Artgenossen.

Abhilfe erhoffte man sich von einer Methode namens RIDL ("Release of Insects carrying a Dominant Lethal"). Dabei werden Insekten mit einer Gensequenz versehen, die mit Hilfe des Antibiotikums Tetrazyklin ruhiggestellt werden kann. Wenn ihnen das Antibiotikum regelmäßig verabreicht wird, können sich RIDL-Mücken problemlos vermehren. Dadurch wird eine Zucht im Labor möglich. In die Natur entlassen, bekommen die Insekten kein Tetrazyklin mehr, was dazu führt, dass die Gensequenz zur Wirkung kommt und 90 - 95 % ihrer Larven sterben. Das gelang bisher nicht nur bei der Gelbfiebermücke, sondern auch bei Baumwollmotten, Baumwollkapselraupen, mexikanischen Fruchtfliegen und Mittelmeerfruchtfliegen. Führend in der RIDL-Technologie ist die britische Firma Oxitec. Derzeit laufen Freilandversuche mit RIDL-Baumwollkapselraupen in den USA und mit Mücken am WHO Collaborating Centre for Ecology, Taxonomy and Control of Vectors of Malaria, Filariasis and Dengue in Kuala Lumpur.

Der finnische Weg

Einen ganz anderen Weg beschreitet dagegen eine Züchtung, die Hemminki Kullervo von der Universität Helsinki in drei Jahren Forschungsarbeit entwickelte: Mücken, die keinen Saugstechrüssel haben und die mit einem durch Genmanipulation hervorgerufenen Geruch ihre stechenden Artgenossen verscheuchen sollen. Weil die Mücken keinen Saugrüssel haben, vermehren sie sich auch nicht, sondern verhungern und müssen bei lizenzierten Herstellern nachgekauft werden. Das ist der Vorteil für Kullervo. Doch worin liegt der Vorteil für den Rest der Menschheit? Das erklärt der finnische Wissenschaftler in einem Interview in der Augustausgabe der Zeitschrift Bild der Wissenschaft:

"Bei einem gemütlichen Grillabend im Garten gehören Mücken einfach zum Ambiente dazu. Doch viele Menschen mögen die juckenden Stiche nicht. Uns ist es gelungen eine Mückenart ohne Saugstechrüssel zu züchten. Gleichzeitig haben wir sie mit einem Ekel-Gen ausgestattet, durch das sie normale Stechmücken vergrault und vertreibt. Die perfekte Lösung für den Wald- und Gartenliebhaber."