Arbeit im Netz - Arbeit fürs Netz

"Internetprojekte von < start > bis < /ende >": Vier Individualisten schildern, wie Webworker ihren Arbeitsplatz organisieren können

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"Mal eben ein bisschen Homepage-Basteln" - das hat wohl jeder im Internet Aktivere schon mal versucht. Deutlich schwieriger ist es, das beruflich zu tun - und dann auch noch selbstständig von zu Hause. Doch es geht.

Die Zeiten, als man mit Webdesign eine leichte Mark verdienen konnte, sind lang vorbei - und das nicht nur, weil man heute in Euro ausgezahlt wird und die einzigen, die im Web heute noch das schnelle Geld machen, Abmahnanwälte sind. Dies ist nicht nur für die Homepage des Webdesigners ein Risiko - auch Kunden, denen er vor Jahren eine Website nach den damals noch üblichen Standards gemacht hat und die damit so zufrieden waren, dass sie diese nie renoviert haben, können sich jetzt Ärger einfangen, weil beispielsweise ein Impressum fehlt oder nicht den richtigen Namen trägt. Andererseits macht der Nachbarssohn für ein paar alte CD-ROMs auch schon etwas mit Frontpage, das zumindest entfernt wie eine Homepage aussieht. Wer heute noch Webseiten baut, muss also sehr professionell arbeiten und auch mal eben einen Flash-Cartoon, ein Video oder einen Shop einbauen können, wenn der Kunde dies wünscht.

Für viele Webworker ist es reizvoll, nicht anonym in einer Agentur, sondern bequem von zu Hause zu arbeiten: Man schaffte es so zwar nicht auf die Titelblätter der New-Economy- Blätter, ging jedoch auch nicht mit diesen unter. Das bedeutet natürlich einige Investition in aktuelle Hard- und Software, aber auch eiserne Arbeitsdisziplin ohne Chef im Hintergrund und gute Fähigkeiten zur Projektplanung: Steht man erst nachmittags auf und verbringt die Zeit bis zum Sonnenuntergang im Chat, ist der Bankrott absehbar - arbeitet man von morgens 7 Uhr bis nachts 12 Uhr durch und schafft trotzdem den Projekttermin nicht, ist der Effekt trotz ordentlicher Arbeit am Schluss derselbe. Aber Individualisten, was Künstler ja meist sind, können so bei der Arbeit ihre Lieblingsmusik hören oder Schlabberjeans tragen, ohne Kollegen oder den Chef zu nerven.

Selbstständiger Webdesigner - die große Freiheit?

Motivationsbücher mit blöden Sprüchen gibt es jede Menge, ebenso trockene Wirtschaftsliteratur zum Thema "Selbstständig arbeiten". Doch wie läuft es in der Praxis? Wie werden Projekte geplant und zwischen verschiedenen Spezialisten aufgeteilt - denn die heutigen hochkomplexen Websites kann einer allein nicht mehr stemmen? Dies hat ein Team teils recht bekannter Webworker über einige Wochen zusammengestellt. Stefan Münz, der Autor von SelfHTML, steuerte das Vorwort bei.

Harald Taglinger wurde - obwohl er wie jeder gute Webdesigner nie Frontpage verwenden würde - mittlerweile von Microsoft engagiert, war jedoch auch lange freiberuflich tätig - und findet sogar noch Zeit für Kunstprojekte im Netz und Telepolis. Mit Martin Post hat er schon viele Projekte gemeinsam gestemmt. Matthias Jung ist Spezialist für "Rich Media", also Video & Co. und Wolfgang Wiese ist schließlich als CGI- Spezialist bekannt.

Dabei erklärt das Buch zunächst einmal nicht, wie man Webseiten macht oder JPGs möglichst klein kriegt - dafür gibt es andere Werke - sondern wie man mit dem Kunden die Website und deren Erstellung so plant, dass der am Schluss auch zufrieden ist - und auch man selbst. Also auch, wie man typische Fettnäpfchen vermeidet und sich keine Problemkunden aufhalsen lässt, die bereits drei andere Webdesigner verschlissen haben. Auch, wie man sich den Tag so einteilt, dass man noch Spaß am Leben hat und dennoch etwas schafft, schaut bei jedem der vier etwas anders aus - und wie man auch noch Zeit frei behält für gemeinnützige oder sonstige persönliche Projekte.

Vier Bücher in einem

Dem Buch kann man nur anlasten, dass es eigentlich vier Bücher sind und deshalb manchen Banalitäten, wie dass große Bildschirme guter Marken angenehm beim Arbeiten sind, mit dreimaliger Wiederholung etwas zuviel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wichtiger schon der Tipp, auch eine "alte Möhre" oder einen Notebook zur Hand zu haben, um die praktische Unbedienbarkeit des todschicken in "hellbeige auf eierschalfarben" gehaltenen Scrollbalkens zu entdecken.

534 Seiten toter Baum sind auch aus Zeitgründen eher Anfängern als Vollprofis zuzumuten. Doch mit einer CD-ROM und natürlich der Website zum Buch sollten auch vielbeschäftigte Freelancer etwas anfangen können. Und auch, wenn die Herren multimedia-begabt sind, gerne Musik bei der Arbeit hören und sogar teils selbst machen, sagen sie auch ganz klar: Keine dudelnde Hintergrundmusik und keinen knallenden Farben auf die Website! Von daher lohnt ein Blick in das Buch auch für Anfänger, die nur zu oft die Finger nicht von albernen Animationen und Geräuschen lassen können. Ebenso sinnvoll: Der Usability-Test - einen Unbeteiligten, der die Seite nicht entwickelt hat, sie testen lassen und sehen, ob er damit klar kommt.

"Internetprojekte von < start > bis < /ende >", Addison-Wesley, 534 Seiten