Arbeit im Sweatshop
PC-Produktion in China
Die Konditionen, unter denen chinesische Arbeiter in der Computerindustrie produzieren, sind unzureichend. Trotz gesetzlicher Regelungen bei Arbeitszeit, Unterbringung und Gesundheitsschutz müssen sich Millionen chinesischer Wanderarbeitern unter menschenunwürdigen Zuständen verdingen. Auf einer Pressekonferenz in Berlin haben gestern zwei Aktivisten der Organisation SACOM (Students and Scholars against Corporate Misbehaviour) aus Hongkong die Ergebnisse der Studie „The Dark Side of Cyberspace – Inside the Sweatshops of China’s Computer Hardware Production“ vorgestellt. Auch deutsche Hersteller verwenden Teile aus der dortigen Produktion.
Die chinesische Elektronikindustrie ist die größte der Welt. Im Jahr 2005 exportierte das Schwellenland, bei einem Umsatzanstieg von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Elektronikprodukte im Wert von 230 Milliarden Dollar ins Ausland. 2007 wurden 150 Millionen Quadratmeter Leiterplatten in China hergestellt, beinahe dreißig Prozent der gesamten Weltproduktion. Mit großer Wahrscheinlichkeit stecken in vielen Computern, die hierzulande im Handel erhältlich sind, in China produzierte Teile.
130 Millionen Wanderarbeiter verdingen sich in der dortigen Computerindustrie, ein Drittel davon in der südchinesischen Provinz Guangdong. Dort haben zwischen Juni und Dezember 2008 Studenten von SACOM, unter Mithilfe der Nichtregierungsorganisation WEED – Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung -, Gespräche und Interviews mit 45 Arbeitern durchgeführt, die über die Produktionsbedingungen in den Fabriken berichteten. Die auf dieser Grundlage entstandene Studie The Dark Side of Cyberspace kann keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben. Wie Jenny Chan und Charles Ho Chun Kit in Berlin jedoch versicherten, seien die beträchtlichen Arbeitsrechtsverletzungen in China gang und gäbe.
370 Arbeitsstunden im Monat
Arbeitern wird keine Kopie des Arbeitsvertrages ausgehändigt, der gesetzliche Mindestlohn nicht eingehalten, Überstunden werden erzwungen und die Menschen in Schlafsälen mit bis zu vierzehn Personen eingepfercht. Während dort die hygienischen Bedingungen zu wünschen übrig lassen, kommen die Arbeiter während der Produktion zum Teil mit giftigen Chemikalien wie Schwefel- und Salpetersäure in Berührung. Eine Kranken- oder Arbeitslosenversicherung existiert nicht. Mit militärischem Drill marschieren die Produktionshelfer in den Pausen in Zweierreihen auf dem Fabrikgelände, Männern wird zudem ein korrekter Kurzhaarschnitt abverlangt. Weil die Arbeitsplätze keinerlei ergonomischen Kriterien Stand halten, klagen viele der Arbeiter über Rückenschmerzen, Augenprobleme und Stresssymptome, die weiblichen Produktionshelfer auch über Menstruationsbeschwerden.
Insbesondere die Arbeitszeiten gehören zu den zu beanstandeten Kriterien. Während das chinesische Arbeitsrecht einen Schichtdienst von regulär acht Stunden vorsieht, ist es in den beiden untersuchten Firmen, Excelsior Electronics in Dongguan und Compeq Technology in Huizhou, zu einer enormen Überstundenkapazität gekommen. In Einzelfällen haben Produktionshelfer 370 Stunden im Monat gearbeitet, was einer Arbeitszeit von mindestens 12 Stunden pro Tag entspricht, ohne jeden freien Tag. Der gesetzliche Mindestlohn für eine 40-Stunden-Woche beträgt 770 Yuan (78 Euro), bei einem Stundensatz von 4,43 Yuan. Überstunden sollten regulär mit 150 Prozent vergütet werden.
Die Realität jedoch sieht laut Studie anders aus:
A female QC worker received 1,800 yuan in one month - the highest amount she had ever got during her six months at work in Excelsior – but she was forced to do overtime work for 200 hours in that month. By calculating the overtime premiums at 1.5 times the normal hourly rates (overtime work from Monday to Friday), she should have received 1,330 yuan overtime premium (2200 hours x 4.43 yuan x 1.5), plus basic wage at 770 yuan, making the total of 2,100 yuan. In other words, she was paid 300 yuan less than the legal rate - only 85.77% of the legal minimum wage.
Markenunternehmen sollen Einkaufspraxis ändern
Beide Firmen, Exelsior Electronics und Compeq Technology, sind als Zulieferer für internationale Markenunternehmen tätig. So stellt Excelsior beispielsweise Mainboards, Grafikkarten und Chipsets für Intel, AMD, Fujitsu Siemens, Apple und Sony her. Compeq Technology ist ein Hersteller von Leiterplatten für Dell, Lenovo, Motorola, Nokia, Apple und Fujitsu Siemens.
Insbesondere der deutsche Hersteller Fujitsu Siemens, der einen „Green PC“ im Programm hat und auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit nominell großen Wert legt, muss in dieser Auflistung erstaunen. Darauf angesprochen, berichtet Florian Butollo von PC global, habe das Unternehmen verlautbaren lassen, regelmäßige Kontrollen durchzuführen, aber von Arbeitsrechtsverletzungen nichts gehört zu haben.
Die Verletzung grundlegender Arbeitsrechte, so Butollo, sei jedoch kein Einzelfall und nicht auf die genannten Unternehmen beschränkt: „Man kann davon ausgehen, dass jeder PC einige Komponenten enthält, die unter ähnlichen Bedingungen entstanden sind.“ PC global, ein Aufklärungsprojekt von Weed, fordert deshalb eine größere Transparenz bei den Arbeitsbedingungen in Fernost, zudem Schulungen für chinesische PC-Arbeiter über ihre Rechte und eine Änderung der Einkaufspraxis seitens der Markenunternehmen. Diese werden aufgefordert, neben ökologischen Aspekten verstärkt auch die Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen.
„Eine nachhaltige Veränderung im Computersektor ist nur möglich“, sagt Butollo, „wenn höhere Preise für PC-Komponenten und realistische Produktionszeiten vom Markt akzeptiert werden.“ Gerade in Stoßzeiten, wie jetzt beim Weihnachtsgeschäft, erhöhe sich der Druck auf die Zulieferer immens, dem letztlich die Produktionsarbeiter standzuhalten hätten.
Öffentliche Hand in der Pflicht
Darüber hinaus will Weed die öffentliche Hand in die Pflicht nehmen. Ein Fünftel aller PCs werden in Deutschland von öffentlichen Einrichtungen, Behörden, Schulen und Universitäten angeschafft. Gerade hier sollte erhöhte Sensibilität vorhanden sein. Die Erfahrungen, die Weed bei Uni-Verwaltung und in Gesprächen mit Einkäufern gemacht hat, seien durchaus positiv. Dieser Tage tourt die Nichtregierungsorganisation durch deutsche und europäische Universitäten, um auf das Problem aufmerksam zu machen.
Noch in diesem Jahr will der deutsche Bundestag ein neues Vergabegesetz diskutieren, in welches, nach den Vorstellungen von Weed, der faire öffentliche Einkauf von Computern installiert werden sollte. Ein beauftragtes Gutachten über die „gesetzlichen Spielräume für die Beschaffung von Computern gemäß Nachhaltigkeitskriterien“ sieht sich allerdings vor das Problem gestellt, dass nach einschlägigen Urteilen des europäischen Gerichtshofes nur solche Anforderungen in öffentlichen Ausschreibungen formuliert werden dürfen, die sich auch effektiv überprüfen lassen. Bei der Berücksichtigung sozialer Kriterien in der Lieferkette von Computern ist dies nicht der Fall.