Arbeitslosengeld II: Vom Sparen und dem Trinkgeld

Seite 2: Spare, Spare … Bedürfnisse verringere

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Auch beim Sparen ist ALG II ein logisches Chaos, wie eingangs bereits erwähnt. Zwar wird seitens der Bundesagentur für Arbeit ein monatlicher Ansparbetrag verneint, es wird jedoch darauf hingewiesen, dass vom Leistungsbezieher ein "wirtschaftliches Verhalten" verlangt wird. Die BA teilt mit, dass kein solcher Ansparbetrag im Regelbedarf enthalten ist, jedoch es an dem einzelnen Leistungsempfänger liege, Gelder für Notfälle zurück zu legen.

Möglich macht dies die Pauschalierung, die dem Leistungsempfänger die Chance geben soll, sich auch selbstverantwortlich dafür zu entscheiden, wofür er sein Geld ausgibt. So kann er beispielsweise an den Versicherungsbeiträgen sparen und hat dafür mehr Geld für die Ernährung zur Verfügung, das Geld für Ernährung kann begrenzt und stattdessen z.B. für Unterhaltung ausgegeben werden usw. …

Wer sich die mehr als knapp bemessenen Beträge ansieht, die den Regelbedarf ausmachen, wird feststellen, dass diese Selbstverantwortlichkeit stark reglementiert ist. Mit teilweise absurd anmutenden Begründungen wurde in den letzten Jahren der Regelbedarf angepasst bzw. ergänzt oder verringert:

Die Position "Fremde Reparaturen an Handwerkzeugen" wird im Unterschied zur Sonderauswertung EVS 2003 nicht mehr als existenzsichernd berücksichtigt. Reparaturen sind nur bei teuren Werkzeugen wirtschaftlich vertretbar. Besitz und Nutzung solcher Werkzeuge sind jedoch in der Durchschnittsbetrachtung bei Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Zwölften Buch nicht zu unterstellen.

ALG II: Kein Garten, aber jede Menge Mineralwasser

Es wurde insofern immer wieder versucht, das "soziokulturelle Existenzminimum" weiter zu pauschalieren, Extrabedürfnisse nur noch bedingt zu berücksichtigen oder z.B. wie beim Bildungspaket von Ursula von der Leyen, durch erneute Pauschalzahlungen die Situation zu bereinigen.

Wird diese Argumentation berücksichtigt, so ist also der Leistungsempfänger selbst dafür verantwortlich, seinen Regelbedarf nach seinen Bedürfnissen einzuteilen. Das würde bedeuten, dass er natürlich auch, ganz gemäß des "wirtschaftlichen Handelns" etwas zur Seite legt, also einen Notgroschen für Notfälle schafft. Dies ist auch sinnvoll.

Eine Waschmaschine, ein Kühlschrank...

Der Regelbedarf beinhaltet zwar keine Reparaturen an Handwerkzeugen mehr, jedoch einen Betrag für Reparaturen oder Neuanschaffungen. So ist der Transleistungsempfänger, so der Bedarf an einem neuen Kühlschrank, einer neuen Waschmaschine etc. besteht, angehalten, diesbezüglich Geld zurückzulegen. So dafür keine Gelder angespart wurden, gibt es die Möglichkeit des Darlehens, d.h. es wird zwar das Geld für das Neugerät von der zuständigen Behörde übernommen, der Regelbedarf wird jedoch solange um entsprechende Beträge gekürzt, bis der Betrag abgezahlt ist.

Wer diese Logik nachvollzieht, wird feststellen, dass ein Ansparbetrag zwar nicht ausdrücklich ausgewiesen wird, jedoch sich ergibt. Hat der Leistungsempfänger nicht selbst angespart, so übernimmt sozusagen die entsprechende Behörde das nachträgliche Ansparen, indem sie das soziokulturelle Existenzminimum um einen Betrag kürzt.

Fallen ein paar Elektrogeräte hintereinander aus, so bedarf es wenig Phantasie, um sich zu überlegen, was dies hinsichtlich des Regelbedarfes bedeutet. Dem Leistungsempfänger wird insofern zugemutet, auch regelmäßig mit weniger Geld als dem soziokulturellem Existenzminimum auszukommen, wenn es die Situation erfordert.

Was jedoch, wenn er sich dazu entschließt, diese Selbstverantwortung dafür zu nutzen, sich wenigstens später ein etwas angenehmeres Leben zu ermöglichen?

Lebensversicherungen und das Problem damit

Legt der Leistungsempfänger von seinem soziokulturellem Existenzminimum monatlich einen Beitrag beiseite, um sich im Zuge einer Lebensversicherung noch einen späteren Geldzuwachs zu ermöglichen, so tritt aber die "Verringerung der Hilfsbedürftigkeit" in Kraft, d.h. das, was durch eisernes Sparen dazu führt, dass es eine "Geldspritze" gibt, führt ggf. sogar zur Einstellung von ALG II bis diese "Geldspritze" aufgebraucht ist.

Wurde z.B. kein Verwertungsausschluss vereinbart und liegt der Wert über gewissen Freigrenzen, so ist die Verwertung des Vermögens keine besondere Härte für denjenigen, der sich diese Versicherungsleistung durch die Ansparungen ermöglicht hatte, so urteilte jedenfalls das Bundessozialgericht und schrieb:

Zutreffend hat das LSG allerdings angenommen, dass die Verwertung der Lebensversicherung, deren Substanzwert aus "nicht benötigten Hilfeleistungen" herrührt, für den Kläger keine besondere Härte bedeutet. Zweck und Funktion der SGB II-Leistungen führen nicht zu einer Schonung im Rahmen der Vermögensprüfung. Dagegen spricht schon die Regelung des § 12 Abs 2 SGB II. Die nach dieser Regelung zu berücksichtigenden Freibeträge korrespondieren mit der Konzeption des Regelbedarfs als pauschalierter Leistung. Dem Leistungsberechtigten soll ermöglicht werden, aus dem Regelbedarf Rücklagen für größere Anschaffungen zu bilden.

Bundessozialgericht

Damit greift das Bundessozialgericht auch auf den Ansparbetrag für größere Anschaffungen zurück, der aber laut Auskunft der BA nicht einmal besteht, sondern nur im Zuge des "wirtschaftlichen Verhaltens" berücksichtigt wird. Einfach gesagt: Einmal soll dem Leistungsberechtigten ermöglicht werden "Rücklagen für größere Anschaffungen zu bilden", ein anderes Mal wird ihm gesagt, dass das angesparte Geld, das ggf. für Versicherungen usw. zurückgelegt wurde, um sich eben diese Anschaffungen zu gönnen, nicht automatisch dazu führt, dass daraus resultierende Gelder, dann auch als Gelder angesehen werden, die der Leistungsberechtigte für sich eigenverantwortlich nutzen kann.

Einfach gesagt: Spare bitte regelmäßig etwas, damit du dir bei einem Ausfall oder einer Reparatur eines Elektrogerätes ein neues Gerät bzw. die Reparatur leisten kannst; ansonsten zahlen wir dies, aber wir ziehen dies natürlich in Raten von deinem ALG II ab. Wenn du aber so selbstverantwortlich bist, dass du regelmäßig etwas beiseite legst, um in x Jahren eine größere Summe zur Verfügung zu haben, dann musst du diese nicht etwa nur für Reparaturen oder Anschaffungen nutzen, sondern sie wird abgesehen von gewissen Freibeträgen, natürlich dafür genutzt, die ALG II-Berechtigung herunterzurechnen bzw. evtl. ganz einzustellen.

Sparen also natürlich schon - aber nur zu ganz bestimmten Bedingungen und in ganz bestimmter Höhe etc. Die Eigenverantwortung wird also "mal so, mal so" bewertet. Bei Spielgewinnen gilt eine ähnliche Argumentation, zwar werden die Gewinne als Einkommen gewertet, die eingesetzten Gelder aber nicht als eingesetzte Ausgaben, sondern nur jene Ausgaben, die dediziert zu den Einkommen führten.