Arbeitsmarktreform: "Nicht zu viel Opfer von den Franzosen fordern"
Der frühere Präsident Holland rät seinem Nachfolger zur Zurückhaltung bei der Deregulierung des Arbeitsmarktes
In Frankreich sind noch Schulferien, bis zum 03. September, traditionell schließen sich den vacances auch viele Betriebe an. Die Gemüter sind noch im gelasseneren Sommer-Modus. Indessen hielten Vertreter der Arbeitgeber und der Gewerkschaften einige Besprechungsrunden über ein dickes Dossier ab, das die Wirtschaft und die Beschäftigung in Frankreich nach vorne treiben soll. Es geht um die Reform des Arbeitsgesetzes, das große Projekt Macrons.
Von diesem Deregulierungs-Projekt hängt sein politischer Erfolg ab. Noch kann er die schlechten Umfragewerte abschütteln und nicht viel darauf geben, dass sich die Anfangs-Euphorie verblasen hat. Eine gewisse Empfindlichkeit gibt es schon, wie Reaktionen seiner Partei auf Aussagen seines Vorgängers zeigen.
Hollande: "Risiko, dass es zu Brüchen kommt"
Hollande, seit Amtsende im Ferienmodus des Privatiers, gab sich väterlich weise und riet seinem Nachfolger, nicht zu viel Opfer, "die nicht nützlich sind", von den Franzosen zu fordern. Den Arbeitsmarkt über das hinaus zu flexibilisieren, was man schon während seiner Amtszeit gemacht habe, ziehe das Risiko nach sich, dass man dadurch Brüche schaffe, kommentierte Hollande.
Der Regierungssprecher reagierte darauf mit der Aussage, dass schon seine Großmutter sagte, früher sei alles besser gewesen. Hollande sei nicht der Mann, der hier Bewertungen aussprechen könne, so die Sprecherin der Fraktion La République en Marche.
Doch sind das kleine Ärgernisse, Macron könnten größere bevorstehen. Seine politische Kunst wird sich darin zeigen, ob er sie verhindern kann. Viel hängt davon ab, ob im der "soziale Dialog", den er so oft beschworen hat, gelingt.
Bis zum 31. August will er den Text seiner präsidentiellen Ordonnanzen (Anordnungen) zum Flexibilisierungsprojekt "Arbeitsgesetz" vorlegen, das Parlament spielt dabei keine Rolle, der Verfassungsrat wird die Verfügungen danach prüfen, ob sie mit der Verfassung übereinstimmt. Wenn alles nach Wunsch der Regierung geht, dann hat Frankreich bis Ende September ein neues Arbeitsgesetz.
Die vorhergehende Regierung hat mit der Reform große Schwierigkeiten. Der große landesweite Protest gegen das Gesetz "El-Khomri" gehörte zu den Gründen, weshalb Hollande als glückloser Präsident in die Geschichte eingeht und die Sozialdemokraten in einer großen Krise gelandet sind.
Wie weit spielen Gewerkschaften mit?
Geht es nach einem Bericht des konservativen Figaro äußern sich die Gewerkschaften, die heute zu einer letzten Diskussion über die Reform des Arbeitsgesetzes eingeladen sind, abwartend. Man müsse erst den endgültigen Text der Ordonanzen sehen, um zu entscheiden, ob man mobilisieren will. Bislang habe man das Gefühl, dass die Gesprächspartner respektiert würden.
Der Bericht vom "guten Wetter" fügt sich in die Reihe all derer, die noch von Macrons Versprechen inspiriert sind. Bislang ist der vollständige Text der Verfügungen nicht bekannt, die Regierung will ihn erst ausarbeiten, wenn alle Parteien gehört wurden. Bei den Hauptpunkten gab es Differenzen. Es geht darum, dass künftig Betriebsvereinbarungen über Löhne und Arbeitszeiten den Vorrang vor Flächentarifen erhalten.
Die Arbeitnehmer sind dafür, den Gewerkschaften widerstrebt, dass sie damit an Macht verlieren. Der Teufel stecke hier auch im Detail, wird von Gewerkschaftsseite angemahnt. Der andere brisante Punkt sind kurzfristige Arbeitsverträge und vor allem der Kündigungsschutz und die Deckelung von Entschädigungszahlungen. Darüber hinaus fordern die Arbeitgeber Steuernachlässe.
Kritik an der Flexibilisierungspolitik
Kritiker der Flexibilisierungspolitik sind skeptisch. Dass die Reduzierung des Kündigungsschutzes zu positiven Beschäftigungseffekten führt, sei "weder theoretisch noch empirisch haltbar", ökonometrische Studien würden "keinen signifikanten Einfluss der Stärke des Kündigungsschutzes auf die Arbeitslosenquote feststellen", so Günther Grunert auf Makroskop.
Auch die Verlagerung der Lohnverhandlungen auf die Betriebsebene überzeugt ihn nicht, da dies auf lange Frist die Innovationsanreize und damit die Wettbewerbsfähigkeit unterminiere, weil Preisvorteile den Wettbewerb um bessere Qualität unterwandern.
Ob diese Einschätzungen zutreffen, wird sich im Fall, dass Macron seine Reform in der von ihm gewünschten Rigidität durchsetzen kann, erst später zeigen. Davor gibt es noch eine Unbekannte, nämlich wie die französische Opposition auf die Ordonnanzen reagieren wird, und vor allem, wie viele Gegner sie mobilisieren kann.
Dass Macron Präsident wurde, hatte viel mit dem Bild zu tun, das über die Unterstützung der Leitmedien vermittelt wurde. Es war eine Wahl, die zum Votum gegen die Bedrohung Le Pen stilisiert wurde. Der große Anteil der Enthaltungen deutete darauf hin, dass der frühere Wirtschaftsminister nicht unbedingt mit Glanz und Gloria reüssierte.
Dass sich Macron gegenüber einer öffentlichen Meinung behaupten wird, die vehementen Widerstand gegen seine Reform vorbringt, steht noch nicht fest.