As-Sisi plädiert für eine arabische Eingreiftruppe
Die ägyptische Regierung sieht sich als Vorkämpferin gegen islamistische Bewegungen in der Region und versucht nun eine größere Koalition für ihre Variante des Anti-Terror-Kampfes zu gewinnen
Nach den Luftschlägen der ägyptischen Luftwaffe in Libyen ging die ägyptische Regierung auch in die diplomatische Offensive. So sprach Ägyptens Präsident von der Notwendigkeit einer militärischen Intervention gegen Jihadisten in Libyen, und verwies dabei auch auf die Bedrohung, die diese für Europa darstellten. Danach präsentierte Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry eine abgeschwächte Variante gegenüber den Vereinten Nationen.
Das ägyptische Ansinnen sieht vor, das 2011 gegen Libyen verhängte Waffenembargo aufzuheben und die Milizen der nach Tobruk geflohenen Regierung mit Waffen auszustatten. Gleichzeitig soll eine Seeblockade gegen die Fajr-Milizenkoalition verhängt werden, welche den Osten Libyens und die Hauptstadt Tripolis kontrolliert. Während des Besuchs des russischen Premiers Putin in Kairo Anfang Februar seien vonseiten ägyptischer Diplomaten bereits russische Waffenlieferungen an die Regierung in Tobruk eingefädelt worden, schreibt das Nachrichtenmagazin Al-Monitor.
Laut ägyptischer Regierung soll eine internationale Koalition zudem bereit sein, die HoR-Regierung in Tobruk gegebenenfalls mit Militärschlägen zu unterstützen, sollte diese das fordern. Nur wenige Beobachter gehen davon aus, dass der ägyptische Vorstoß Erfolg haben wird. Die meisten westlichen Regierungen stehen einer direkten Einmischung in den lybischen Machtkampf skeptisch gegenüber und plädieren für einen diplomatischen Annäherungsprozess zwischen den beiden Machtblöcken in Libyen (siehe Libyen: eine Regierung der nationalen Einheit soll es richten).
Eine Regierung der nationalen Einheit sei am besten imstande, die dschihadistischen Gruppen in Libyen zu bekämpfen, so lässt sich die Position der meisten westlichen Regierungen zusammenfassen - die UN vertritt über die UNSMIL diese Position, indem sie als Schirmherrin von Verhandlungen zwischen den beiden libyschen Regierungen in Marokko fungiert.
Graben zwischen Ägypten und Katar
In der Arabischen Liga herrscht kein einheitlicher Konsens über die Vorgehensweise in Libyen. Die meisten Staaten sprachen zwar ihr Verständnis für die ägyptischen Luftschläge gegen mutmaßliche IS-Stellungen in Libyen aus, doch mit Katar gab es auch eine Ausnahme. Der Golfstaat unterstützte bisher die Fajr-Milizen im Westen des Landes, die sich aus zahlreichen mehr oder weniger islamistisch gesinnten Gruppen zusammensetzen, und protestierte gegen eine Einmischung zugunsten der Tobruk-Regierung und der ihr loyalen Milizenkoalition unter General Khalafa-al-Haftar.
Der Widerspruch Katars spiegelt einmal mehr den Graben wieder, der zwischen Ägypten und dem Golftstaat seit der Machtübernahme des ägyptischen Militärs herrscht. Katar unterstützte während der Amtszeit Mohamed Morsis dessen Regierung mit großzügigen Finanzhilfen und setzt auch in Libyen auf Milizen, welche den Muslimbrüdern ideologisch nahestehen.
Die Opposition aus Katar erntete wütende Reaktionen von ägyptischer Seite. Der ägyptische Arabische-Liga-Gesandte Tarek Adl warf Katar vor den internationalen Terrorismus zu unterstützen und die Einheit der Liga zu untergraben - worauf Katar postwendend seinen Botschafter aus Ägypten abzog.
Es besteht wenig Zweifel daran, dass sich die ägyptische Regierung als Vorkämpfer gegen islamistische Bewegungen in der Region sieht, unabhängig davon, ob es sich um militante Jihadisten oder vergleichsweise moderate Muslimbrüder handelt. Über das Versprechen die islamistischen Bewegungen in Ägypten zurückzudrängen und Sicherheit zu garantieren, bezieht die Regierung as-Sisis den Großteil ihrer innenpolitischen Legitimation - und bekam für dieses Versprechen auch von einem großen Teil der ägyptischen Bevölkerung einen Vertrauensvorschuß.
Die Bilanz der Anti-Terror-Einsätze auf dem Sinai bleibt fragwürdig
In ihrer Haltung, dass der Kampf gegen den Terrorismus Vorrang vor allem anderen habe, bittet die ägyptische Regierung die Bevölkerung auch um Nachsicht dafür, dass in vielen anderen Bereichen die Verbesserung nach wie vor ausbleibt.
Viele Bereiche des ägyptischen Lebens bleiben nach wie vor marode: Der wirtschaftliche Aufschwung lässt trotz Finanzspritzen aus dem Golf weiterhin auf sich warten, es kommt regelmäßig zu desaströsen Unfällen auf ägyptischen Straßen und durch exzessive Polizeigewalt sterben immer wieder Menschen - wie zuletzt 22 jugendliche Fussballfans der Kairoer Mannschaft Zamalek vor einem Fussballstadion in der Hauptstadt.
Doch selbst im Zurückdrängen des Terrorismus in Ägypten ist die Bilanz der Regierung Al-Sisis fragwürdig. Zwar blieben große Terroranschläge im ägyptischen Kernland im vergangenen Jahr aus, doch erst im Januar kam es im Nordsinai zuletzt zu einer fatalen Anschlagsserie, bei der 30 Menschen starben, die Hälfte von ihnen Zivilisten.
Laut Quellen aus dem ägyptischen Generalstab verfolgt das Militär auf dem Sinai eine kontraproduktive Strategie. Die Nachrichtenseite Al-Monitor zitiert anonym einen ägyptischen General, der die Vorgehensweise des Militärs scharf kritisiert.
Der General berichtet von einem starken Erfolgsdruck, welchem die Militärs ausgesetzt sind - und welcher in der Praxis vor allem dazu führt, dass Angehörige der Beduinenstämme verhaftet und gefoltert werden und deren Häuser zerstört werden. Dies wiederum verstärke die Ressentiments der Beduinen gegenüber dem ägyptischen Staat - obwohl ohne die ortskundigen Beduinen die dschihadistischen Strukturen auf dem Sinai kaum ausfindig gemacht werden können.
Die Luftangriffe - vor allem gut für das Image der Sisi-Regierung
Vieles darauf hin, dass angesichts ausbleibender innenpolitischer Erfolge die Luftschläge in Libyen der ägyptischen Regierung immerhin ihrem gewollten Image als Bollwerk gegen dschihadistische Gruppen neuen Aufwind verliehen haben. Laut einer Umfrage des ägyptischen Meinungsforschungsinstituts Baseera unterstützen 85% der Ägypter die Luftschläge.
Doch in Teilen der ägyptischen Gesellschaft regte sich auch Kritik, dass die Regierung nicht viel früher reagierte. Die Entführung der koptischen Christen in Sirte wurde bereits vor ungefähr zwei Monaten bekannt, doch erst nach der Veröffentlichung des Enthauptungsvideos entschied sich die Regierung gegen die Islamisten vorzugehen (IS tötet koptische Geiseln in Libyen). Auch zuvor schon kam es vor allem in der Stadt Sirte, in der die dschihadistische al-Ansar-Miliz Einfluss hat, immer wieder zu Entführungen und Ermordungen von koptischen Ägyptern- wie auch nach den Luftangriffen.
Mit den Angriffen der ägyptischen Luftwaffe in Sirte steigt nun auch die Angst vor Vergeltungsangriffen auf Ägypter in Libyen, unabhängig davon, ob sie Kopten oder Muslime sind. In Ägypten gibt es keine aktuellen Statistiken über die Anzahl der ägyptischen Fremdarbeiter in Libyen, so schwanken die Schätzungen zwischen 500.000 und einer Million. Ägypter stellen historisch gesehen die größte Gruppe an Fremdarbeitern. Vor dem Aufstand gegen Gaddafi lebten rund zwei Millionen ägyptische Gastarbeiter im deutlich wohlhabenderen Libyen - damit war jeder vierte Einwohner des Landes Ägypter. Viele von ihnen kommen aus dem armen Oberägypten, wo auch der Anteil der koptischen Bevölkerung überproportional hoch ist.
Einige öffentliche Stimmen Ägyptens haben die Frage aufgeworfen, wieso die ägyptische Regierung Luftangriffe im Nachbarland fliegen lässt, obwohl sie nicht willens oder in der Lage ist, durch eine Intervention der eigenen Armee die Machtverhältnisse in Libyen nachhaltig zu beinflussen. Eine Antwort darauf gab Ägyptens Präsident as-Sisi in einer Fernsehansprache selbst.
Darin dankte er Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jordanien für ihre Unterstützung und plädierte für den Aufbau einer Arabischen Eingreiftruppe.