"Assad ist ein Schwein, aber…"

Seite 3: Es braucht Veränderungen, nicht nur in Syrien

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Die syrischen Wanderer in Brandenburg erinnerten mich nebenbei an ein Filmteam junger Ukrainer und Russen, das ich 2014 in Lahore traf. Auch sie waren aufgeschlossen und konnten diskutieren, ohne sich anzuschreien. Auch sie wollten nicht in einer Diktatur leben. Putin-Freunde waren auch die jungen Russen nicht, und trotzdem sagte einer von ihnen: "Der Westen mit seinen Embargos treibt doch selbst Menschen wie mich in die Arme von Putin."

Den Ausspruch "Putin, das Schwein" hörte ich von den jungen Russen jedenfalls nicht. Ihnen war klar, warum viele ihrer einfachen, älteren Mitbürger Putin aus freien Stücken wählen. Nicht weil diese Leute Anhänger einer Diktatur sind, sondern weil die Alten nicht das Leiden vergessen haben, als die Sowjetunion zusammenbrach und der "freie Markt" über das Land hinweg galoppierte.

Die Zeit, als der Hoffnungsträger Boris Jelzin zum Alkoholiker mutierte und das Land verscherbelte. Dass es auch in Russland rechtsnationale Gruppierungen gibt, die nicht mehr Argumente haben, als dass Fremde an allem Schuld sind, wusste die jungen Russen auch. Nach der "Gut und Böse"-Logik unserer Leitmedien, wären die jungen Russen aus Lahore jetzt Putin-Trolle, die syrischen Wanderer Assad-Freunde.

Ja, es braucht Veränderungen, nicht nur in Syrien: Das neoliberale Wirtschaftssystem, das Monopole und Konzerne stärkt, die dann die einzelnen Regierungen gegeneinander ausspielen, muss "reformiert" werden. Der Aberglaube, demzufolge Wirtschaftswachstum alle Probleme löse, ist längst entzaubert.

Denn der Preis ist offensichtlich: Länder wie Bangladesch zerstören ihre eigene Umwelt, damit sie für die westliche Welt billig Kleidung oder Garnelen produzieren können - und der Hauptteil der Gewinne geht wieder in den Westen. Wegen der schwarzen Flüsse, versalzenen Böden und des immer knapper werdenden Trinkwassers bleibt vielen Menschen Bangladeschs bald nur noch die Flucht.

In Indien sterben jedes Jahr alleine 2,5 Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung, damit die Wirtschaft boomt. Überdies ist da ein Finanz-Geldsystem, das die Reichen immer reicher macht. Ein System, in dem für wohlhabende Deutsche, Inder und Russen Offshore-Konten zur Verfügung stehen, die Steueroasen London, Luxemburg und Schweiz nicht zu vergessen.

Da wäre die weltweite Waffenindustrie in der die "Guten" ebenfalls stark vertreten sind: Womit werden denn auch in Syrien Häuser zerbombt, Menschen erschossen?

Solange die komplexen Vorgänge auf der Erde von den führenden Medien in zwei Seiten eingeteilt werden, liegt die Hoffnung bei zivilen Graswurzelbewegungen - die syrische Wandergruppe ist nur ein Beispiel von vielen. Sie sind in Brandenburg zusammengekommen um ein weiteres Stück von Deutschland zu entdecken und helfen nebenbei mit, Vorurteile bei ihren neuen Mitbürgern abzubauen. Bevor auf Regierungsebene wirkliche Lösungen angegangen werden, wird noch einige Zeit vergehen: Denn Probleme lösen können die "Guten" nur gemeinsam mit den "Bösen".

Die Namen wurden von der Redaktion geändert.