Atlantis lag vor Gibraltar

Ein französischer Wissenschaftlers vermutet, dass Atlantis bei der Strasse von Gibraltar lag und durch das Ende der Eiszeit unter dem Meer verschwand

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Die legendäre Kontinent Atlantis, das utopische Reich, das rund 9000 vor Christus im Meer versank, beschäftigt die Fantasie von Esoterikern ebenso wie die von Wissenschaftlern. Die Suche nach der geografischen Position der untergegangenen Insel hat schon viele potenzielle Umrisse auf Weltkarten erbracht, aber bisher fehlt ein echter Beweis, dass irgendeines dieser Gebiete wirklich Atlantis beheimatete. Als heiße Kandidaten gelten bisher die Azoren, die kanarischen Inseln, Santorin, Kreta, die amerikanischen Kontinente, aber auch das Bermuda-Dreieck, das chinesische Meer oder Island. Selbst Helgoland hat eine eigene Schar von Anhängern.

Manche verstehen es dagegen als spirituelles Reich und erklären die Suche nach einer irdischen Position für sinnlos, ganz zu schweigen von den Ufologen, die Atlantis im Zweifelsfall für den Herkunftsplaneten der Außerirdischen halten, die unsere Vorfahren sein sollen. Die Theosophen des späten 19. Jahrhunderts sahen in den Atlantern hoch technisierte Menschen, die sich selbst auslöschten, weil sie mit ihrer Kriegsmaschinerie unverantwortlich umgingen. Ihrer Überzeugung nach gab es vor Atlantis bereits ein anderes hoch entwickeltes Reich, das Lemuria hieß. Nazis sehen die Bewohner von Atlantis gerne als ihre direkten Vorfahren, in rechtsextremen Köpfen sind sie der Ursprung des Übermenschen bzw. der Herrenrasse.

Unzählige Bücher, Zeitschriftenartikel, Websites (jede Menge Links hier) und auch Spiele haben die Vorstellungen von Atlantis bzw. die Spekulationen über seine Position lebendig erhalten.

Atlantais tauchte erstmals in Platons unvollendetem Dialog auf

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der Text von Platon (427-347 v. Chr.), der in seinem nie vollendeten Dialog zwischen Timaios und Kritias von diesem utopischen Inselreich berichtet, das außerhalb der Meerenge, jenseits der Säulen des Herkules gelegen haben soll. Der Felsen von Gibraltar wurde im Altertum Calpe genannt, zusammen mit dem Berg Abyle an der afrikanischen Küste in Ceuta, der heute Jebel Musa heißt, stellte er in der Antike die Säulen des Herkules dar. Jenseits der Säulen bedeutete also im Atlantik. Kritias berichtet in Platons Werk dem Gelehrten Sokrates ausführlich von der Geschichte. Die Legende von Atlantis soll folglich aus Ägypten stammen und diese Insel, die größer bzw. mächtiger als Asien und Libyen gewesen sein soll, sei durch einen Vulkanausbruch vernichtet worden.

Viele Philosophen und Wissenschafter, angefangen mit Aristoteles, haben den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen angezweifelt und argumentiert, Platon habe Atlantis erfunden, um seine politischen Ideen ansprechend in eine quasi-historische Utopie zu verpacken. Eine Insel eignet sich vorzüglich zum Modell der Entwicklung des perfekten Staates, wenn darüber hinaus angenommen wird, dass sie tatsächlich existiert haben könnte, verleiht das ihr und den transportierten politischen Vorstellungen weitere Glaubwürdigkeit.

Atlantis bei den Säulen des Herkules

NewScientist veröffentlichte nun die neuen Erkenntnisse eines französischen Wissenschaftlers. Jacques Collina-Girard von der Université de la Méditerranée in Aix-en-Provences vermutet, dass Atlantis direkt bei Gibraltar lag.

"Diese Texte [von Platon] sind der Ursprung vieler Spekulationen über Atlantis. Es ist erstaunlich, dass niemand den sich am deutlichsten anbietenden Ort ernst genommen hat."

Schließlich schreibt Platon von den Säulen des Herkules - und dieser Ort ist die Strasse von Gibraltar. Collina-Girard forschte über die Migrationsmuster der Menschen während des Höhepunkts der Eiszeit vor 19.000 Jahren. Er fragte sich, ob es für paläolithische Menschen möglich gewesen sein könnte, von Nordafrika nach Europa zu gelangen und deshalb begann er eine Karte der damaligen Küstenlinie zu zeichnen. Der Meeresspiegel lag damals 130m niedriger als heute. Er stellte fest, dass sich dort ein Archipel erhob und dass sich eine Insel direkt westlich der Säulen des Herkules befand. Vor 11.000 Jahren begannen die Eismassen über Europa zu schmelzen und ganz langsam stieg der Meeresspiegel. Nach Untersuchungen an Korallenriffen sollen es etwa 2 Meter pro Jahrhundert gewesen sein. Die Insel verschwand, das Archipel war 9000 Jahre vor Platons Lebzeit überschwemmt, was den Angaben des griechischen Philosophen entspricht.

Allerdings gibt es auch Widersprüche zu Platons Text. Die von Collina-Girard entdeckte Haupt-Insel des Archipels ist nicht so groß wie Asien und Libyen zusammen, sondern gerade mal 14 km lang und 5 km breit. Der Franzose vermutet, dass die falsche Größenangabe, die Platon nach seiner Theorie macht, bei der Umwandlung von ägyptischen auf griechische Längenmasse passiert sein könnte. Auch den Vulkanausbruch als Ursache des Untergangs von Atlantis hält er für eine Ausschmückung Platons, da ein langsames Verschwinden schwer erklärbar ist. Die Schilderungen der fortschrittlichen atlantischen Gesellschaft sind für Collina-Girard reine Erfindungen des Philosophen, der seine politischen Utopien elegant in die Legende von Atlantis verpacken wollte.

Nicht das letzte Atlantis

Sicher ist, dass der sehr viel tiefere Meeresspiegel einige Inseln umspülte, die heute komplett von ihm bedeckt sind. Aber wenn keine hoch entwickelte Kultur auf Atlantis siedelte, ist es dann glaubwürdig, dass sich die Geschichte von der einstigen Insel bei Gibraltar durch mündliche Überlieferung hat bewahren können? Auch dieses Atlantis ist sicherlich nicht das letzte, das entdeckt wird.

Interessant wäre es, wenn Expeditionen auf dem Meeresgrund dort Beweise entdecken könnten, dass eiszeitliche Menschen dort gesiedelt und die Insel als Sprungbrett zwischen den Kontinenten genutzt haben. Collina-Girard hat seine Entdeckungen in der Zeitschrift "Comptes rendus de l'Académie des sciences - Série IIa - Sciences de la Terre et des planètes" (Volume 333 - Numéro 4 - pp: 233-240) veröffentlicht. Er glaubt, dass Seeleute vor 19.000 Jahren mit einfachen Booten dieses Archipel genutzt haben, um sich Stück für Stück zwischen Europa und Afrika hin und her zu bewegen.

Vor 20.000 Jahren entstand an der marokkanischen Küste eine sich rasch entwickelnde prähistorische Kultur. Der Forscher vermutet, dass der Kulturaustausch durch Wanderbewegungen daran beteiligt war. "Die Küsten von Spanien und Marokko waren zu dieser Zeit bewohnt, sicher waren es die Inseln auch. Traditionell kam das [die Kultur] aus dem Osten, aber warum nicht aus dem Norden?"