Atomausstieg nach Zugabe: Laut Greenpeace nur 0,3 Prozent Gas eingespart

Abschaltfeste? Nicht überall kommt Feierstimmung auf. Unser Archivbild zeigt das Akw Neckarwestheim. Foto: thomas springer via Wikimedia Commons

Morgen werden "Abschaltfeste" gefeiert. Befürworter der Kernkraft halten das klimapolitisch für einen Rücktritt. Doch es gibt Gegenargumente und aktuelle Zahlen.

In Lingen, Neckarwestheim und München feiern Anti-Atom-Initiativen am Samstag "Abschaltfeste": Nach dreieinhalb Monaten Streckbetrieb gehen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. Während dies von Umweltbewegten auch als "gut fürs Klima" gefeiert wird, widerspricht Jasper von Altenbockum in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

Klimapolitisch gesehen ist der Atomausstieg ein Rückschritt. Das macht deutlich, dass es in der deutschen "Transformation" nie nur um Energiepolitik ging. Eine ebenso große Rolle spielt die Gesellschafts- und Kapitalismuskritik.


Jasper von Altenbockum, FAZ

Letzteres trifft sicher teilweise zu, was den Druck von Straße angeht. Die häufig auch aus den Reihen von Union und FDP zu hörende Behauptung, der Atomausstieg stehe im Widerspruch zum Klimaschutz, weist Armin Simon von der Organisation .ausgestrahlt aber zurück: "Die Anti-Atom-Bewegung hat nicht nur den Ausstieg aus der Atomkraft durchgesetzt, sondern auch den Einstieg in die erneuerbaren Energien", betonte er an diesem Freitag.

"Deren Ausbau hat nicht nur den Atomstrom komplett ersetzt, sondern darüber hinaus fast nochmal so viel Kohlestrom", so Simon. Letzteres gehe aus den aktuellen Zahlen der AG Energiebilanzen e.V. hervor.

"Im Nachhinein betrachtet ein schlechter Deal"

Nach Berechnungen der Umweltorganisation Greenpeace und der Genossenschaft Green Planet Energy sind durch die Laufzeitverlängerung der letzten drei Kernkraftwerke über den Winter nur 0,3 Prozent des bundesweiten Gasverbrauchs eingespart worden. Insgesamt sei dadurch der Erdgasverbrauch um 2,2 Terawattstunden gesunken, was nur etwa 0,3 Prozent entspricht, teilte die Organisation an diesem Freitag unter Berufung auf die gemeinsame Studie mit Green Planet Energy mit.

Die drei Kernkraftwerke sollen im Zeitraum von November 2022 bis Mitte April 2023 nur mit 63 bis 75 Prozent der maximalen Leistung gelaufen sein. Damit hätten sie rund 30 Prozent weniger Strom als im Vergleichszeitraum der fünf Vorjahre produziert.

"Im Nachhinein betrachtet war die Laufzeitverlängerung ein schlechter Deal", sagte Carolin Dähling von Green Planet Energy laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Berlin. "Wir haben sehr geringe Preiseinsparungen durch die Atomkraftwerke, wir haben sehr geringe Gaseinsparungen und wir haben eine geringe Reduktion der CO2-Emissionen."

Zugleich seien viele Risiken und erhöhte Kosten in Kauf genommen worden. Für die Versorgungssicherheit sei der Streckbetrieb jedenfalls nicht notwendig gewesen und hätte wenig positive Effekte mit sich gebracht, so Dähling.

"Keinesfalls vernachlässigbar"

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft kam zu einer anderen Einschätzung: Der Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke habe nicht nur zur Versorgungssicherheit beigetragen, sondern auch geholfen, dass teure Erdgaskraftwerke weniger zum Einsatz kamen, sagte Manuel Frondel vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.

Das habe sich dämpfend auf Strompreise ausgewirkt. Insgesamt seien die Effekte durch den Weiterbetrieb überschaubar, aber keinesfalls vernachlässigbar gewesen.