Atomkraft: Katerstimmung in "Ampel"-Parteien

SPD-Chefin Saskia Esken ist not amused, wenn sie an die ungelöste Endlagerfrage denkt. Symbolbild: Dirk Rabe auf Pixabay (Public Domain)

Kanzler Scholz war emotionslos, was die EU-Taxonomie anging. Seine Parteichefin ist stocksauer; die Grünen ebenfalls

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fand die Debatte um die EU-Einstufung von Atomkraft als umweltfreundliche Technologie zunächst "völlig überbewertet", weil doch am Ende die einzelnen Länder entscheiden würden, welchen Weg sie gehen wollten, hatte Scholz im Dezember erklärt. Bei der EU-Taxonomie gehe es um die Einschätzung der Aktivitäten von Unternehmen – sie sei "wichtig für diejenigen, die Geld anlegen" wollten.

Die EU-Taxonomie dient zur Information über "nachhaltige" Finanzprodukte. Letzteres kann aber eben bedeuten, dass es nicht mehr mit Imageproblemen oder schlechtem Gewissen verbunden ist, Millionen in Atomkraft zu investieren. Scholz‘ Parteichefin Saskia Esken nimmt das nicht auf die leichte Schulter:

"Atommeiler produzieren Abfälle, die über Jahrmillionen radioaktiv strahlen und damit das Leben auf unserer Erde gefährden. Ihre sichere Endlagerung ist und bleibt ungelöst", stellte Esken am Montag via Twitter klar. "Insbesondere deshalb ist es nicht zu verantworten, Atomenergie als nachhaltige Technologie zu fördern."

Verweis auf "großen gesellschaftlichen Konsens"

Sie erinnerte daran, dass vor 21 Jahren eine Regierungskoalition aus SPD und Grünen im Bund "die Debatte darum in einem großen gesellschaftlichen Konsens aufgelöst und den Ausstieg aus dieser brandgefährlichen, weder wirtschaftlichen noch nachhaltigen Technologie beschlossen" habe.

Die "rot-grün-gelbe" Regierung Scholz lehnt nun zwar die EU-Pläne, Investitionen in Atomkraft als nachhaltig und klimafreundlich einzustufen, "ausdrücklich ab", wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag sagte, will sich aber nicht der österreichischen Klage dagegen anschließen.

Der klima- und energiepolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Michael Bloss, hatte nach Bekanntwerden der Pläne am Neujahrstag EU-Kommussionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) vorgeworfen, "die Glaubwürdigkeit des europäischen Ökosiegels für Finanzinvestitionen" zu zerstören. "Atomkraft und Gas in die EU-Taxonomie aufzunehmen, ist wie ein Ei aus Käfighaltung als bio abzustempeln", befand Bloss.

Erfolg für Macron, Desaster für die Grünen

Not amused sind auch die Grünen im Kabinett Scholz: Für Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die bei ihrer Wählerschaft sowohl für Umwelt- und Klimaschutz als auch für eine positive Einstellung zur EU geworben haben, ist die Entscheidung ein Desaster. Derweil kann sie als Erfolg des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gelesen werden, der sich für eine Renaissance der Atomkraft starkmacht.

Zumindest teilweise begrüßt wird die EU-Taxonomie innerhalb der deutschen "Ampel"-Bundesregierung aber vom kleinsten Koalitionspartner FDP, der mit Christian Lindner den Finanzminister stellt. "Deutschland benötigt realistischerweise moderne Gaskraftwerke als Übergangstechnologie, weil wir auf Kohle und Kernkraft verzichten", sagte Lindner am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. "Dass die Bundesregierung zum Thema Kernenergie eine andere Auffassung vertritt als die Kommission, ist bekannt."