Atomkraft: "Keine Option für Deutschland"

Seite 2: Wie AKW im Koma-Stadium die Energiewende blockieren

So weit, so gut. Die Ampelkoalition hatte Ende 2021 in ihrem Koalitionsvertrag noch einmal ausdrücklich festgehalten, dass Atomkraft zukünftig nicht mehr infrage kommt, und auch FDP-Chef Christian Lindner konnte zu Jahresanfang noch schlüssig und richtigerweise erklären, dass sie ökonomisch keinerlei Sinn mehr macht.

Es gibt kaum noch AKW-Bauer, und die wenigen wie etwa Areva können keinerlei zuverlässige Anlagen mit kalkulierbaren Kosten und Bauzeiten anbieten. In der EU gibt es zurzeit nur drei AKW-Baustellen und an diesen wird seit 15 bis 35 Jahren gearbeitet. Atomstrom ist einfach zu teuer, selbst wenn die gesellschaftlichen Kosten weiter wie bisher der Allgemeinheit aufgebürdet werden.

Doch irgendwie ist dieses Wissen im postfaktischem Zeitalter den Liberalen wieder abhandengekommen, und bei der Union hatte man dem Atomausstieg 2011 ohnehin nur zähneknirschend zugestimmt. Und so haben wir nun zum Jahresende, wo eigentlich die letzten drei Anlagen vom Netz gehen sollten, erneut einen Atomstreit.

Liberale und Konservative haben offensichtlich große Schwierigkeiten, sich von einer seit mindestens 20 Jahren absterbenden Branche zu verabschieden. Statt die Energie in das Neue zu stecken, neue Speichermöglichkeiten auf den Weg zu bringen, Wind- und Sonnenenergie auszubauen, besser verträgliche Lösungen für Biogas zu finden, diese effektiver in die Strom- und Wärmeproduktion zu integrieren, Nah- und Fernwärme stärker zu fördern und auszubauen sowie Strom- und Wärmeproduktion mehr zu verzahnen, werden vollkommen faktenfreie Phantomdebatten über drei alte Atomkraftwerke geführt.

Dabei hatte Robert Habecks grünes Wirtschafts- und Klimaministerium schon ein wenig nachgegeben. Mit einer erneuten Änderung des Atomgesetzes wurde im November die Laufzeit der Reaktoren Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland bis in den April verlängert, und zwar obwohl in allen drei Anlagen die routinemäßig alle zehn Jahre anstehende große Sicherheitsüberprüfung nunmehr bereits drei Jahre überfällig ist.

Auch die Pannenmeldungen über Isar 2 und die vielen Haarrisse am Übergang zwischen dem Primär- und dem Sekundärkreislauf des Reaktors Neckarwestheim 2 waren für den grünen Minister und natürlich auch seine liberalen Kabinettskollegen kein Grund, auf die Verlängerung bis Mitte April zu verzichten. Das Verwaltungsgericht Mannheim befand Mitte Dezember übrigens, dass die Mängel am AKW Neckarwestheim 2 zwar durchaus bedenklich sind, wies jedoch eine Klage zweier Bürger auf Entzug der Betriebsgenehmigung trotzdem ab.

Durch den Weiterbetrieb bis in den März hinein wird übrigens kaum zusätzlicher Strom erzeugt. Die Betreiber hatten seit Jahren mit dem Betriebsende am 31. Dezember 2022 geplant. Entsprechend wird seit vielen Jahren kein neues Personal mehr ausgebildet, und auch die Beschaffung von Brennstäben wurde entsprechend organisiert.

Insbesondere im AKW Emsland sind sie bereits ziemlich ausgebrannt. Auch in den anderen beiden wird die Kettenreaktion nicht mehr lange aufrechtzuerhalten sein. Neue Brennstäbe müssten her, wenn man es mit der nochmaligen Verlängerung der Laufzeiten ernst meinte, und deren Beschaffung würde mindestens zwölf Monate kosten. Daher kommt vom EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos, dem Betreiber von Neckarwestheim 2, eine klare Absage an die liberalen, konservativen und rechtsradikalen Träumer, die nicht von der Atomkraft lassen wollen. Sein Kraftwerk sei keine Märklin-Eisenbahn, die man nach Belieben an- und abschalten könne. Es fehle nicht nur an Brennstäben, sondern auch am Fachpersonal.

Die 14-wöchige Betriebsverlängerung kostet nach Angaben von Stamatelopoulos EnBW einen zweistelligen Millionenbetrag. Durch die nun notwendige Verschiebung des Abrisses fiele möglicherweise gar ein bis zu dreistelliger Millionenbetrag an. Das Fazit von Stamatelopoulos:

Die Kernenergie ist für Deutschland einfach keine Option mehr.

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