Atomwaffenverbot: "Bundesregierung macht sich unglaubwürdig"
- Atomwaffenverbot: "Bundesregierung macht sich unglaubwürdig"
- Deutschland ist aktiver Teil der atomaren Nato-Abschreckungspolitik
- Die USA haben Druck auf Deutschland ausgeübt
- Die Auswirkungen moderner Atombomben sind gar nicht mehr vorstellbar
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Interview mit dem Friedensforscher Sascha Hach zu Deutschlands Weigerung, an UN-Verhandlungen zum Verbot von Atomwaffen teilzunehmen
Heute beginnen in New York Verhandlungen der Vereinten Nationen (UNO) über das weltweite Verbot von Atomwaffen. Die deutsche Bundesregierung hat es abgelehnt, an diesen Verhandlungen teilzunehmen. Dies wird von Friedens- und Abrüstungsinitiativen scharf kritisiert. So auch vom Politikwissenschaftler und Friedensforscher Sascha Hach. Er ist Mitglied im geschäftsführenden Vorstand von ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Für Telepolis sprach mit ihm Stefan Korinth.
Herr Hach, erklären Sie doch bitte zuerst einmal, was da am Montag, 27. März, in der UNO verhandelt wird und von wem diese Verhandlungen ausgehen.
Sascha Hach: Am Montag startet die erste von zwei Runden in diesem Jahr zum Verbot von Atomwaffen. Die Verhandlungen wurden durch eine Resolution in der Generalversammlung der UNO im vergangenen Jahr ermöglicht. Diese Resolution haben sechs Staaten eingebracht: Österreich, Brasilien, Irland, Mexiko, Nigeria und Südafrika.
Dahinter steckt eine größere Bewegung, die schon seit mehreren Jahren gewachsen ist. Also einerseits auf Regierungsseite, vor allem getragen durch atomwaffenfreie Staaten, die seit 2013 mehrere internationale Konferenzen veranstaltet haben zu den humanitären Auswirkung von Atomwaffen, zur Krisenreaktion in solchen Fällen und zur Frage, wie Atomwaffen völkerrechtlich geregelt sind. Auf der anderen Seite wird sie von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis unterstützt.
Die atomwaffenfreien Staaten sind bei diesen Konferenzen zu dem Schluss gekommen, dass nicht nur die Atomwaffenstaaten selber von den Auswirkungen betroffen wären und dass es keine angemessenen Krisenreaktionsmechanismen gibt. Atomwaffen sind aus ihrer Sicht mit dem humanitären Völkerrecht nicht vereinbar und es besteht für sie deshalb dringender Handlungsbedarf, hier eine völkerrechtliche Lücke zu schließen, um Atomwaffen als letzte noch nicht verbotene Massenvernichtungswaffe zu ächten.
Ich würde sagen, der politische Antrieb liegt in der jahrelang gewachsenen Frustration, dass die Atomwaffenstaaten ihre Abrüstungsverpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht eingehalten haben. Die atomwaffenfreien Staaten wurden immer wieder vertröstet. Zwar gab es auch immer wieder kleinere Initiativen und Fortschritte in der nuklearen Abrüstung seit den 1980er Jahren. Aber nie so substanziell und zufriedenstellend, dass die atomwaffenfreien Staaten darauf vertrauen konnten, dass sich die Atomwaffenstaaten allein um nukleare Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt kümmern. Und darum haben sie nun das Zepter des Handelns selbst in die Hand genommen und diesen Prozess angestoßen.
Jetzt haben sie sechs Länder genannt, die allesamt kein Atomwaffenprogramm haben. Verzichten diese sechs Länder alle auf Atomkraft?
Sascha Hach: Einzelne Länder wie Brasilien haben Atomkraftwerke. Es haben ja im ersten Ausschuss der Generalversammlung 123 Staaten den Verhandlungen zugestimmt. Es sind einige darunter, die Atomkraftwerke haben, aber auch einige, die strikt auf beides verzichten wie Österreich. Aber es ist in allererster Linie eine politische Bewegung gegen Atomwaffen, also gegen die militärische Nutzung von Nukleartechnologie.
Sie sagten, es ist die erste von zwei Verhandlungsrunden. Auf welchen Zeitraum sind diese Verhandlungen denn angelegt? Und was können die Gespräche denn realistischer Weise bewirken?
Sascha Hach: In diesem Jahr sind zwei Runden angesetzt. Eine vom 27. bis 31. März und dann folgt nochmal eine vom 15. Juni bis 7. Juli. Es ist noch offen, wie viel in dieser Zeit erreicht werden kann. Es hat sich bis jetzt so dargestellt, dass die Staaten, die diesen Prozess unterstützen, ein sehr klares aber auch sehr schlankes Vertragswerk wollen. So dass die Hoffnung da ist, dass es zu einem Ergebnis kommt. Ob sie es allerdings schon in diesem Jahr schaffen oder in eine zweite Konferenz im nächsten Jahr eintreten müssen, das kann man jetzt noch nicht absehen. Das wird man frühestens zum Ende der jetzigen Verhandlungsrunde sagen können.
Die Diskussion ist schon länger in Gange. Es gibt über viele Punkte schon Einigkeit. Es haben schon Konferenzen und Beratungen in der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu nuklearer Abrüstung stattgefunden. Die grundlegenden Ziele sind herausgebildet: dass das Verbot eben nicht nur die Weitergabe von Atomwaffen beinhalten soll, so wie es der Atomwaffensperrvertrag tut, sondern auch die Entwicklung, die Herstellung, den Besitz und den Einsatz delegitimiert. Das ist der Grundkonsens. Aber ob dieses Jahr schon ein Vertragswerk als Ergebnis dabei herauskommt, das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
Atomwaffenstaaten wären delegitimiert
Angenommen, da würde jetzt ein maximales Ergebnis herauskommen: Atomwaffen würden verboten werden, deren Herstellung und Einsatz. Würde so eine Resolution oder so ein Vertragswerk tatsächlich die Atommächte tangieren?
Sascha Hach: Zum einen würde es einen Gegenpol zur aktuellen Debatte schaffen. Denn momentan geht es ja stark in Richtung Aufrüstung und Modernisierung. Die Atomwaffenstaaten fahren die Investitionen rauf, aber auch die Rhetorik, auch die Drohung mit ihren Atomwaffenarsenalen. Das heißt, wenn es die anderen Staaten schaffen, einen Ächtungsvertrag zu beschließen, dann zeigen sie in dieser Debatte um Atomwaffen nochmal in eine ganz andere Richtung. Und können damit auch die aktuelle Aufrüstungs- und Eskalationsdynamik bremsen. Das ist unsere Erwartung.
Darüber hinaus ist so eine völkerrechtliche Ächtungsnorm hilfreich, um diplomatischen und politischen Druck für nukleare Abrüstung auszuüben. Das heißt, die Atomwaffenstaaten, wenn sie nicht beim Vertrag dabei sind, davon gehen wir jetzt mal aus, wären als solche delegitimiert. Wenn eine UN-Konferenz einen Verbotsvertrag macht, dann ist das natürlich ein spürbarer Angriff auf die Reputation und die Legitimität der Atomwaffenstaaten und ihren privilegierten Status.
Können Sie die Atomwaffenstaaten mal aufzählen? Wer ist denn da alles gemeint?
Sascha Hach: Es gibt einerseits die im Atomwaffensperrvertrag von den allermeisten Staaten bisher anerkannten Atomwaffenstaaten: das sind die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China. Das sind zugleich auch die fünf Mitglieder im Sicherheitsrat. Das ist zwar nur eine historische Kontingenz, zeigt aber schon, welch geopolitische Bedeutung Atomwaffen zurzeit haben für die Weltordnung. Und darüber hinaus gibt es noch die Atomwaffenstaaten Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea. Also insgesamt sind es neun.