Atomwaffenverbot: Deutschland muss sich jetzt entscheiden

Die Zivilgesellschaft hat die Macht, die Welt zu gestalten. Das betrifft vor allem die bedrohliche nukleare Wiederaufrüstung. Gedanken zum UN-Zukunftsgipfel 2024.

Im September 2024 findet am Sitz der Vereinten Nationen in New York der "Zukunftsgipfel 2024" statt. Mit der Vorbereitung des Gipfels beauftragt, sind die Deutsche Botschafterin bei den Vereinten Nationen Antje Leendertse und Namibias Botschafter Neville Gertze.

Deutschland und Namibia stehen vor der Herausforderung, ein tragfähiges Fundament für einen Reformprozess der Vereinten Nationen zu entwickeln, das als Grundlage auf dem Gipfel beraten werden soll.

Damit dieser Prozess gelingen kann, braucht es neues Wissen und Netzwerke, die sich engagiert und kompetent einbringen können. Eine aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft in der Planungsphase und während des Zukunftsgipfels erscheint sinnvoll. Akkreditierte internationale NGOs sind derzeit in den Planungs- und Beratungsprozess aktiv eingebunden.

"Auch wenn es diskussionswürdig ist, welche Gruppen sich unter dem Label der 'Zivilgesellschaft' bei UN-Foren präsentieren und akkreditieren, kann festgehalten werden, dass die wichtigsten internationalen Abkommen seit Ende des Kalten Krieges nur durch starkes Engagement globaler Koalitionen von NGOs innerhalb und außerhalb zustande kamen."1

Besonders hervorzuheben wäre der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen (AVV) als Wegweiser für eine Welt ohne Atomwaffen.

Der Vertrag trat am 22.01.2021 in Kraft. Inzwischen haben ihn weltweit 69 Staaten ratifiziert. Der Vertrag untersagt allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen. Auch die Weiterverbreitung von Atomtechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen schließen sich damit aus.

Rolf Bader ist ehemaliger Geschäftsführer der IPPNW und Offizier a.D. der Bundeswehr.

Biologische Waffen sind seit 1975, chemische Waffen seit 1997 völkerrechtlich verboten. Das gilt nun endlich auch für Atomwaffen. Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung veranlassen. Diese Entwicklung wird sich auch nicht über Einflussname der Atomwaffenstaaten aufhalten lassen. Vielmehr wird der Druck auf diese wachsen, endlich die im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen einzulösen.

Erreicht hat diesen historisch bedeutsamen Erfolg die Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen (ICAN), die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Unterstützend mitgewirkt haben daran die internationale Friedensbewegung und die Internationalen Ärzte und Ärztinnen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), vertreten in über 50 Ländern aller fünf Kontinente.

Nicht die großen Staatsmänner/-frauen, sondern die vielen Akteure der Zivilgesellschaft waren der Wegbereiter des Atomwaffenverbotsvertrages. Die Abschaffung aller Atomwaffen habe die höchste Priorität auf der Abrüstungsagenda der Vereinten Nationen, so UN-Generalsekretär António Guterres.2

Die Staaten, die den Vertrag unterzeichnet und ratifiziert haben, gehören überwiegend der Südhalbkugel der Erde an. Es sind ausschließlich atomwaffenfreie Staaten. Zu ihnen gehören auch die Inselstaaten des Südpazifik, die die katastrophalen Folgen der oberirdischen Atomwaffentests zu tragen haben.

"Die Doktrin der nuklearen Abschreckung ist eine trügerische Ideologie, die unser aller Leben gefährdet. Sie ist nicht nur zutiefst unmoralisch, sie ist künftig auch illegal und völkerrechtswidrig. Die Bundesregierung sollte deshalb dem Vertrag beitreten, die US-Atomwaffen abziehen lassen und sich nicht länger an Atomkriegsübungen beteiligen", so Dr. Lars Pohlmeier, Co-Vorsitzender der deutschen IPPNW-Sektion.3

"Der effektivste Weg für alle Staaten, die nukleare Bedrohung zu entschärfen, ist der Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag. Dieses historische Abkommen beinhaltet ein kategorisches und umfassendes Verbot. Die Erfahrung zeigt: Solche Waffen sind nur zu kontrollieren, wenn ein Abkommen sie verbietet", so Tilman Ruff, australischer Arzt und Co-Präsident der Internationalen IPPNW.4

Des Weiteren wären folgende Abkommen herauszustellen, die mit weltweiten und öffentlichkeitswirksamen Kampagnen von NGOs auf den Weg gebracht wurden5:

  • die Abkommen zur Ächtung von Antipersonenminen von 1998 und von Streumunition 2008, die bis heute von 122 Staaten unterzeichnet wurden;
  • die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes 2003, für die sich weltweit NGOs erfolgreich einsetzten;
  • das Pariser Abkommen zum Klimaschutz von 2015: Die Zivilgesellschaft und der unermüdliche Protest "von unten" waren der Motor für das Erreichen der vertraglich festgeschriebenen Klimaziele.

Für gleiche und gerechte Lebenschancen

Das Währungsabkommen von Bretton Woods von 1944 und das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen Gatt von 1947 waren über Jahrzehnte ein tragfähiges Fundament der Weltwirtschaft. Das alte Fundament trägt heute nicht mehr. Auch die zusätzlich gegründeten Institutionen – der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die UN-Konferenzen für Handel und Entwicklung haben bis heute die Strukturkrise der Weltwirtschaft nicht lösen können.

Weltweite Arbeitslosigkeit, Schuldenkrise, Überproduktion im Norden der Erde und Hunger und Armut in weiten Teilen der südlichen Halbkugel sind nur ein lückenhafter Ausschnitt dieser Strukturkrise. Die ungleiche Verteilung von Lebenschancen zwischen Staaten des Südens und des Nordens ist Ursache von Spannungen und gewaltsamen Konflikten.

Die Zivilgesellschaft sollte friedenspolitische Impulse befördern, die zum Abbau des Protektionismus und zu gerechteren Handelsstrukturen beitragen könnten. Den Frieden zu bewahren, sich für die weltweite Bekämpfung von Hunger und Armut, für gleiche und gerechte Lebenschancen weltweit einzusetzen, ist nicht nur eine dauerhafte Verpflichtung, sondern eine vordringliche Aufgabe der Vereinten Nationen und deren Mitgliedsstaaten.

Abrüstung und Krisenprävention

Es bedarf auf dem Zukunftsgipfel einer Renaissance der UN-Charta von 1945. Das gilt im Besonderen für das Friedensgebot:

Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.

Kapitel I, 2 UN-Charta

Rüstungskontrolle, Abrüstung und Entspannung sind und bleiben auch zukünftig eine zentrale Aufgabe der Vereinten Nationen und der Mitgliedsstaaten. Es bedarf verstärkt diplomatischer Initiativen, um Krisenprävention und Diplomatie zu befördern. Mediation wäre eine erfolgsversprechende Strategie zur Krisenprävention, die institutionalisiert und finanziell abgesichert werden müsste. Die Zivilgesellschaft sollte den Generalsekretär der Vereinten Nationen darin bestärken, Mediation als ein Instrument einer UN-Krisenintervention einzusetzen.

Zivilgesellschaftliches Engagement in der Region

Natürlich bleibt es den akkreditierten NGOs bei den Vereinten Nationen vorbehalten, den im September 2024 geplanten UN-Zukunftsgipfel mit ihrer Expertise und ihrem internationalen Gewicht mitzugestalten.

Ferner macht es durchaus Sinn, sich auch regional für die Charta der Vereinten Nationen und das Friedensgebot des Grundgesetzes einzusetzen. Die Vision des Zukunftsgipfels zu verbreiten, für Frieden, Klimaschutz, Menschenrechte und gerechte Lebensbedingungen aller Menschen zu werben, ist eine zivilgesellschaftliche Aufgabe, die in vielfältiger Form und mit Kreativität realisiert werden könnte.

Dies könnte u.a. mit beratender Unterstützung durch internationale NGOs und über UN-Experten und -Expertinnen erfolgen. Auch die Kooperation mit regionalen Organisationen und Initiativen sollte angebahnt werden.

In der aktuellen krisen- und kriegsträchtigen Zeit ist ein zivilgesellschaftliches Engagement wichtiger denn je. Sich für das humanitäre Völkerrecht und die Vision einer friedlichen Welt im Sinne der UN-Charta einzusetzen, ist unser aller Aufgabe.