Frieden stiften in einer Welt voller Konflikte: Eine Anleitung für das 21. Jahrhundert
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Michael von der Schulenburg sprach auf der Friedensdemonstration Ende November 2023 in Berlin. Telepolis präsentiert seine Rede exklusiv als Essay.
Wir leben in einer Welt, die zunehmend in den Würgegriff von Gewalt und Kriegen geraten ist. Wir müssen uns daher fragen: Wie kommen wir aus dieser Situation wieder heraus und in welcher Welt wollen wir denn leben?
Nach Angaben der Vereinten Nationen war 2022 das Jahr mit den meisten, intensivsten und am längsten andauernden kriegerischen Auseinandersetzung in der Welt seit dem Ende des Kalten Krieges – nach manchen Angaben sogar seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Dieses Jahr wird es noch schlimmer geworden sein und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Situation wieder beruhigen wird.
Im Gegenteil. Mit dem immer weiter sich anheizenden Konflikt der USA mit China um die globale Vormacht könnte die Menschheit vor noch gefährlicheren Zeiten stehen.
Ohne eine entschiedene Umkehr ist zu befürchten, dass Gewalt und Kriege weltweit erneut zur größten Gefährdung der Menschheit führen.
Gewalt bringt keinen Frieden
Es hat sich wieder der Irrglaube durchgesetzt, dass Konflikte nur durch Gewalt gelöst werden könnten, dass wir erst militärisch siegen, ja der Gegenseite erst einen vernichtenden Schlag versetzen müssten, um zu einem Frieden zu kommen.
In keiner der kriegerischen Auseinandersetzungen gibt es heute ernsthafte diplomatische Bemühungen, um die Konflikte, die diesen Kriegen zugrunde liegen, zu lösen.
Die Kunst der Diplomatie scheint als Schwäche in Misskredit geraten zu sein. Denn die meisten Kriege haben sich über Jahre, ja, über Jahrzehnte als schwelende Konflikte angedeutet, bevor sie in einer kriegerischen Auseinandersetzung explodiert sind.
Ist es erst einmal zum Krieg gekommen, scheinen beide Seiten, oft befeuert und unterstützt von ausländischen Staaten, in einer kompromisslos tödlichen Auseinandersetzung zu versinken.
Die Außenminister der in solchen Konflikten involvierten oder unterstützenden Staaten scheinen heute eher zu Anwälten militärischer Strategien geworden zu sein, die Waffenlieferungen und eine Weiterführung von Kriegen befürworten und nicht als Diplomaten nach friedlichen Lösungen suchen.
Sollten die Interessen eines der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates berührt werden, so wird das ihnen zugestandene Veto nicht als besondere Verantwortung zur Erhaltung des Friedens verstanden, sondern wird zur Waffe einer in Gewalt versinkenden Welt eingesetzt.
Dabei wird das zutiefst Unmoralische mit scheinbar moralischen Argumenten gerechtfertigt. Dazu gehört die Gewalt gegenüber Zivilisten, gegen Mütter und Kinder, Unbeteiligte und gegen Musikveranstaltungen junger Menschen sowie die Zerstörungen von ganzen Wohngebieten, Krankenhäusern und Schulen.
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Wir nennen dies das "Recht zur Selbstverteidigung".
Das Problem einer solchen Argumentation ist nur, dass auch die Gegenseite sich auf das Recht auf Selbstverteidigung berufen wird.
Damit erzeugen wir eine Spirale der Gewalt.
Gewalt rechtfertigt Gewalt
Von der Pflicht, eine solche Gewaltspirale durch Bemühungen für friedliche Lösungen zu durchbrechen, zu der wir uns in der UN-Charta verpflichtet haben, ist heute nichts mehr zu hören.
Was die heutige Situation militärischer Auseinandersetzungen besonders gefährlich macht, ist der völlig fahrlässige Umgang mit Atomwaffen.
Im Ukraine-Krieg spielen Atomwaffen zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit in einem heißen Krieg eine entscheidende strategische Rolle.
Auch im Israel-Palästina Krieg wurde bereits mit dem Einsatz einer Atomwaffe gedroht. Es ist zu hoffen, dass es "nur" bei Drohungen bleiben wird.
Wir dürfen aber darüber nicht vergessen, dass die Atomwaffe die Waffe der ultimativen, vielleicht gar der finalen Zerstörung ist, die letztlich nicht zwischen Angreifer und Verteidiger und auch nicht zwischen Kriegsparteien und Unbeteiligten unterscheiden wird.
Diese Drohungen sind Ausdruck eines Wahnsinns, um jeden Preis siegen zu wollen und zu glauben, man könne nur mit der Eskalation von Gewalt Frieden schaffen.
Wollen wir – ja, können wir überhaupt – in einer Welt leben, in der Gewalt das alles beherrschende Prinzip von Konfliktlösungen geworden ist?
Waffen bringen keine Sicherheit
Heute wird Sicherheit wieder in der Bewaffnung gesucht. So haben sich die Militärbudgets in der Welt seit Ende des Kalten Krieges verdoppelt und sie wachsen noch weiter.
Die exponentielle Entwicklung der Waffentechnik hat dazu geführt, dass Waffensysteme heute alles an Zerstörungskraft übertreffen, was wir aus der Zeit des Kalten Krieges kennen.
Diese Entwicklung schließt die Modernisierung von Atomwaffen, Lasertechnologien, Hyperschallraketensysteme, Tarnkappentechnologien, unbemannte Marschflugkörper und Angriffsdrohnen, Roboterkriege, Cyberkriege, Weltallkriege sowie den Einsatz künstlicher Intelligenz ein.
Gleichzeitig sind alle Rüstungskontrollabkommen und vertrauensbildende Maßnahmen, die während oder unmittelbar nach dem Kalten Krieg aufgebaut wurden, entweder aufgekündigt, nicht verlängert oder suspendiert worden.
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Diese Abkommen bildeten ein Sicherheitsnetz, um Waffensysteme zu begrenzen und um Vertrauen aufzubauen. So sollte verhindert werden, dass die mit Nuklearwaffen hochgerüsteten Staaten der Nato und des Warschauer Paktes ungewollt in einen alles vernichtenden Krieg hineinrutschten.
Heute ist dieser Wegfall vertrauensbildender Maßnahmen besonders gefährlich, da moderne Waffentechnik einem Gegner immer kürzere Reaktionszeiten auf einen eventuellen Angriff erlaubt.
Das erzeugt Unsicherheiten und Misstrauen, und erhöht somit die Risiken eines Weltkrieges.
Diese Waffensysteme werden uns also nicht sicherer, sondern im Gegenteil die Welt unsicherer machen.
Durch die Komplexität und Schnelligkeit moderner Waffensysteme werden diese immer mehr durch Künstliche Intelligenz gesteuert. Der Mensch verliert so immer mehr die Kontrolle über die Entscheidung über Krieg oder Frieden.
Eine Welt, in der wir uns hinter immer stärkeren Waffen verschanzen und Entscheidungen zunehmend an eine Künstliche Intelligenz abtreten, kann doch nicht die Welt sein, in der wir leben wollen.
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