Auch Italien bringen die Sparpläne auf den Weg zum Generalstreik
Die größte italienische Gewerkschaft hält das 24-Milliarden-Euro-Sparpaket der Regierung für sozial unausgewogen
Der Schuldenrekordhalter Italien beginnt nun ebenfalls mit dem Sparen. 24 Milliarden Euro will Rom in den nächsten Jahren einsparen, um die EU-Defizitkriterien wieder einzuhalten. Auch Italien setzt die Schere neben der Finanzierung der Regionen vor allem beim öffentlichen Dienst an, bei dem die Gehälter eingefroren werden sollen. Anders als in Spanien sind allgemeine Gehaltskürzungen aber nicht geplant, die sollen nur Minister und andere Spitzenverdiener treffen. Wie in Spanien und Frankreich soll das Renteneintrittsalter erhöht werden, aber eine Reichensteuer will Silvio Berlusconi nicht, wie sie Paris einführen will. Steuererhöhungen, wie in Spanien oder Griechenland, sind ebenfalls nicht geplant. Die Gewerkschaften halten den Plan für unausgewogen und diskutieren über einen Generalstreik.
Es ist ein ungewöhnlicher Sparplan, den die konservative Regierung unter Silvio Berlusconi da vorgelegt hat, denn von allem ist etwas dabei. Auch der Schuldenrekordhalter Italien wird mit Verabschiedung des 750 Milliarden Euro Rettungsschirms von Brüssel auf Sparkurs geschickt. Das darf nicht verwundern, schließlich schiebt Italien nach Angaben der europäischen Statistikbehörde den größten Schuldenberg in Europa vor sich her. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (BIP) waren es 2009 schon 115,8%. Damit liegt das Land noch vor Griechenland, dessen 2009 explodiertes Defizit die Staatsschulden auf 115,1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen ließ.
Auch wenn das Haushaltsdefizit Italiens 2009 mit 5,3% deutlich geringer als das ausfiel, das Irland (14,3%), Griechenland (13,6%) oder Spanien (11,2%) erzielten, ist doch seit langem klar, dass wegen der Gesamtverschuldung von mehr als 1,5 Billionen Euro Italien eine größere Gefahr für den Euro darstellt ("Italien ist größte Gefahr für den Euro"). Doch das ging bisher meist in der Diskussion um die vermeintlichen oder realen Pleitekandidaten unter. In Brüssel hat man sich offenbar nun daran erinnert, dass es neben der Stabilitätsgrenze beim Haushaltsdefizit von 3% auch noch eine Verschuldungsgrenze von 60% des BIP gibt, die Italien schon vor vielen Jahre überschritten hat. Spanien hat diese Grenze zum Beispiel 2009 - als eines der wenigen Euroländer - noch nicht erreicht.
Widerwillig ließ sich Berlusconi, angeblich von der Rücktrittsdrohung seines Finanzminister Giulio Tremonti begleitet, vom Sparplan überzeugen. Verschiedenen Medienberichten zufolge fürchtet Berlusconi, dass die Zustimmung für seine Regierung durch die Maßnahmen weiter sinkt. Deshalb ist, soweit die Pläne vorliegen, von fast allem etwas dabei. Hielt er sich mit Aussagen in der Öffentlichkeit zuvor zurück, verteidigte er am Mittwoch die Pläne auf einer Pressekonferenz mit Tremonti. Es gäbe keine Alternative zum Sparen, erklärte Berlusconi mit Verweis auf Brüssel. "Die EU hat uns zu diesem Sparprogramm aufgerufen, das wir verabschiedet haben, um den Verpflichtungen aller europäischer Staaten mit Brüssel nachzukommen." Berlusconi betonte: "Es handelt sich daher um ein europäisches Sparpaket." Die Opfer seien aber zur Verteidigung des Euro notwendig, denn mit der Verteidigung der gemeinsamen Währung verteidige man auch Italien.
Um seine Popularität besorgt, hob er besonders hervor, dass die Regierung die "Steuern nicht erhöht" und auch Pensionäre nicht belasten würde. Er hat offensichtlich in Spanien gesehen, dass sich die sozialistische Regierung dort erheblichen Unmut mit derlei Maßnahmen eingehandelt. Deshalb will Rom seinen Staatsbediensteten auch keine allgemeine Gehaltskürzung verordnen, sondern die Löhne bis 2013 einfrieren. Das scheint eine der Brüsseler Leitlinien zu sein. Angesichts der kreativen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die damit den EU-Rettungsschirm flankiert, wächst die Angst vor der steigenden Inflation. Frankreich denkt schon ganz offen darüber nach, einen Teil der Schulden über Inflation zu beseitigen. Durch das Einfrieren von Gehältern im Staatsdienst, bisweilen ergänzt durch das Einfrieren von Renten, sichern sich die Staaten bei einer steigenden Inflation eine erhebliche Entlastung der Haushalte zu Lasten der Beschäftigten oder Rentner.
Nur die Reichen bleiben außen vor
Um aber schnelle Einsparungen zu erzielen und um den Sparwillen der eigenen Mannschaft zu unterstreichen, sollen die Minister ab 2011 auf 10% ihrer Bezüge verzichten. Das soll auch für Parlamentarier und Senatoren gelten. Europaweit haben die italienischen Parlamentarier derzeit die höchsten Einkünfte. Von Kürzungen zwischen 5% und 10% sollen in Abhängigkeit vom Jahreseinkommen auch andere Spitzenverdiener und Manager in Staatsbetrieben und hohe Beamte betroffen sein. Diverse Zahlen zirkulieren, genaueres ist aber noch unklar, weil Tremonti statt ausgefeilten Sparplänen eher Leitlinien präsentiert hat. Aber auch bei Managergehältern sticht Italien hervor. Eurostat hat festgestellt, dass in keinem EU-Land die Kluft zwischen deren Gehältern und jenen der einfachen Arbeiter oder Angestellten größer ist. Von denen soll es künftig im Staatsdienst weniger geben, weil nur noch jede fünfte freiwerdende Stelle neu besetzt werden soll.
Doch auch die Rentner sind von den Sparplänen betroffen, vor allem zukünftige Rentner. Um ihre vollen Altersbezüge zu erhalten, soll fortan mindestens bis zum 61. Lebensjahr gearbeitet werden oder man muss über 40 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. War es bisher möglich, an vier Zeitpunkten im Jahr in die Rente zu gehen, soll es demnächst nur noch einen Termin geben. Damit wird faktisch auch das Renteneintrittsalter um fast ein Jahr erhöht und mit diesem Stopp wird über die nächsten 9 Monate die Rentenkasse zusätzlich entlastet. Bei Frauen im Staatsdienst soll das Renteneintrittsalter früher als bisher geplant an das der Männer von 60 auf 65 Jahre angepasst werden. Auch die Arbeitsunfähigkeitsrente wird verändert. Statt 74% muss künftig eine Invalidität von 80% nachgewiesen werden. Zudem sollen die Anträge schärfer geprüft werden, weil angeblich in 15% der Fälle die Invalidenrente zu Unrecht gezahlt werde.
Besonders stark betroffen sollen die Regionen und die Kommunen sein. Fast 15 Milliarden Euro weniger sollen an Transferzahlungen des Staates fließen. Das muss zu enormen Einsparungen führen und soll höhere Gebühren im Gesundheitssystem nach sich ziehen. Um die Einschnitte teilweise auszugleichen, werden die Kommunen und Regionen wohl auch andere Gebühren anheben, darunter die Autobahngebühren auf Stadtautobahnen, wie allseits befürchtet wird. Einige Regionen sind über die bisher veröffentlichten Pläne entsetzt. Roberto Formigoni, Präsident der Region Lombardei, und ein Vertrauter von Belusconi, erklärte, dass die industriereichste Region des Landes etwa drei Milliarden Euro in zwei Jahren einsparen müsse. "Wir müssten unsere Ausgaben um 30% kürzen" sagte Formigoni. "Das ist unannehmbar, weil alle regionalen Sozialleistungen gefährdet sind."
Gewerkschaften fordern ausgewogenere Sparmaßnahmen
Neben dem Widerstand aus den Regionen gerät Berlusconi vor allem mit den Gewerkschaften aneinander. Die Gespräche zur Vorbereitung eines Generalstreiks laufen schon an. Guglielmo Epifani, Chef der größten Gewerkschaft des Landes, setzt sich für einen Generalstreik ein. Die CGIL allein vertritt etwa 5 Millionen Beschäftigte. "Große Wort sind nicht erforderlich: Ich erwarte deutlich ausgewogenere Sparmaßnahmen", sagte Epifani in einem Interview. Er kritisiert zudem, dass das Sparpaket keinerlei Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftsaufschwungs und zur Unterstützung von Familien beinhalte.
Angesichts der Schieflage der Pläne drohte er mit einem Generalstreik Ende Juni. Schon am 12. Juni ist eine erste Massendemonstration in Rom geplant. "Wenn ich ein Bürger bin, der dank Kapitalerträgen eine Million Euro im Jahr verdient, muss ich auf Basis der Vorschläge keinen einzigen Euro zahlen", sagte der CGIL-Chef. Daran ändere nichts, dass die Regierung, um die Einnahmeseite zu verbessern, auch Abgaben auf Aktienoptionen und Manager-Boni erhöhen will. Schwammig sind auch deren Ankündigungen, gegen Steuerflucht schärfer vorzugehen, wobei enger mit den Kommunen zusammengearbeitet werden soll. Die sollen als Anreiz einen Teil der Einnahmen behalten dürfen.
Die Gewerkschaft kritisiert, dass nach der Bankenrettung nun erneut die einfachen Leute, die 1.000 Euro im Monat zur Verfügung hätten, noch einmal für das aufkommen sollen, was Finanzspekulanten angerichtet hätten. Die Gewerkschaft könne nicht dulden, dass einfachen Arbeitern und dem öffentlichen Dienst nun sämtliche Lasten aufgebürdet würden. Die Wohlhabenden bezahlten dagegen keinen Cent mehr. Natürlich wehrt sich die Gewerkschaft auch dagegen, dass die Regierung mit dem Einfrieren der Löhne im öffentlichen Dienst auch bereits geschlossene Tarifverträge bricht.