Auch Spanien wird auf Abschottung setzen

Seite 2: Die Versprechen von Sánchez

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CEAR hat Erfahrungen mit der Politik der Sozialdemokraten. Auch dieser Organisation dürfte bekannt sein, dass besonders der neue Regierungschef Sánchez gerne links blinkt, aber dann doch rechts überholt.

So darf man gespannt sein, ob Sánchez wirklich seine Versprechen umsetzt. Seine Regierung hatte vor zwei Monaten versprochen, kurz nach der Übernahme der Regierung, dass die gefährlichen Klingendrähte auf den Zäunen in Ceuta und Melilla wieder abgenommen werden sollen, die unter den Sozialdemokraten 2005 dort angebracht wurden. Passiert ist in dieser Hinsicht in den letzten beide Monaten aber nichts.

Dagegen passiert etwas, das eher in die Richtung weist, die einst schon der Sozialdemokrat Zapatero eingeschlagen hatte. So belebt die neue Regierung nun die Maßnahme, die Zapatero eingeführt hatte, die aber zwischenzeitlich von der regierenden rechten Volkspartei (PP) wieder aufgegeben worden war. Auf der Kabinettsitzung am Freitag wurde beschlossen, wieder einen gemeinsamen Oberbefehlshaber für die verschiedenen Einheiten einzuführen, die sich der illegalen Einwanderung widmen.

Verstärkung der Außengrenze

Das wäre an sich noch nicht sonderlich aussagekräftig im Sinne dessen, nun die Kräfte besser zu koordinieren. Aber dass ausgerechnet ein General der Guardia Civil diesen Posten übernehmen soll, vermutlich Manuel Contreras, spricht eher für eine Militarisierung und eine verschärfte Abschottung statt für einen Richtungswechsel in der Flüchtlingspolitik, wie ihn der taz-Kommentator erwartet.

So kritisiert das Vorgehen auch der Senator Jon Inarritu. Die Sozialdemokraten machten "die gleichen Fehler wie ihre Vorgängen", schreibt er auf Twitter: "Die Ankunft von Migranten wird als polizeilich-militärisches Problem behandelt." Erst wenn die Sozialdemokraten verstehen würden, dass es sich um eine "humanitäre Frage" handele, würden sie auch andere Maßnahmen als die Vorgänger ergreifen.

Und wofür hatte Sánchez Geld von der Europäischen Kommission beantragt und hat nun auch drei Millionen Euro zusätzliche Hilfe gewährt bekommen? Nein, nicht für die Rettung von Flüchtlingen auf dem Meer, was als angebliches Ziel der gemeinsamen Führung der Einsatzkräfte benannt wird. Das Geld aus dem Fonds für innere Sicherheit ist dafür da, die Guardia Civil an der Außengrenze zu verstärken.

"Spanien wird dabei unterstützt, eine Antwort auf den verstärkten Migrationsdruck zu geben", erklärte der zuständige EU-Kommissar Dimistris Avramopoulos.

Und dass auch Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker erklärt hat, er teile mit Sánchez, dass es "dringenden Handlungsbedarf" gebe und schnell etwas getan werden müsse, weist eher auf Abschottung statt auf Richtungswechsel hin. Juncker will nämlich dem spanischen Ersuchen Priorität einräumen.

Er hat sich verpflichtet, den Vorgang zur Freigabe von weiteren 55 Millionen Euro zu beschleunigen. Und wozu sind die gedacht? Das Geld sollen Marokko und Tunesien für einen besseren Grenzschutz, also Abschottung, bekommen. Er sei sich "bewusst", erklärt Juncker, dass die Notwendigkeiten in Marokko einen deutlich höheren finanziellen Einsatz bedürften. Doch die Mittel für Nordafrika seien "leider begrenzt", fügte er an.

Die spanische Diskussion zur "Sogwirkung"

Dass Sánchez ausgerechnet in der Flüchtlingsfrage einen Machtkampf mit der starken Rechten eingeht, darf kaum erwartet werden. Die macht längst mit der Flüchtlingsfrage Stimmung und spricht, weil die paar Flüchtlinge der Aquarius aufgenommen wurden, schon von einer "Sogwirkung".

Wie sich begründet, dass die Zahl der Flüchtlinge und Einwanderer schon im vergangenen Jahr um 50% gestiegen ist, bleibt das Geheimnis der Stimmungsmacher. Von einer Sogwirkung sprach zuerst der Chef der rechten Ciudadanos-Partei. Albert Rivera warf dabei der Regierung auch "Gutmenschentum" vor.

Und der neue Chef der PP, Pablo Casado, die unter seiner Führung nun noch weiter nach rechts gerückt ist, legte sofort nach. Er sattelte zudem noch auf: "Es kann keine Papiere für alle geben", erklärte er. Spanien könne "keine Millionen" aus Afrika aufnehmen, fabulierte er mit aus der Luft gegriffenen Zahlen herum.

Sogar der Chef der Guardia Civil widersprach ihm deutlich. "Es gibt zwar Menschen, die nach Spanien wollen, aber es sind keine Millionen, sondern einige Hundert." Mehr könne Félix Azón aus Sicherheitsgründen zu dem Thema aber nicht sagen.

Allerdings hat die Panikmache von Casado und Rivera von einer der angeblichen Sogwirkung möglicherweise schon Wirkung entfaltet. Nach einer neuen Umfrage sollen mehr als 56% der Bevölkerung im Land glauben, dass die Aufnahme der Aquarius eine Sogwirkung habe und alle "Schiffe mit Migranten" anziehe, die auf dem Mittelmeer unterwegs sind.

Glauben muss man das aber auch nicht, da Meinungsumfragen in Spanien meist stark an der Realität vorbeigehen und sie in diesem Fall auch noch von der rechtsradikalen Zeitung La Razón in Auftrag gegeben wurde.

Allerdings zeichnet sich schon jetzt ein Wettkampf zwischen der PP und Ciudadanos darüber ab - ähnlich wie in der Katalonienfrage -, wer die drastischeren Formulierungen und Maßnahmen am rechten Rand vorschlägt. Auch hier ist ein Trommelfeuer auf Sánchez zu erwarten.

Wie es sich in der Katalonienfrage längst abzeichnet, wird der schwache Sánchez, der auf Machterhalt bedacht ist, auch mit keinem mutigen Kurs in der Flüchtlings- und Migrationspolitik seine Position aufs Spiel setzen. Er wird deshalb sicher keinen "Gegenpol zu Europas Hardlinern" bilden und bestenfalls eine weniger radikale Abschottung betreiben.