Auf Crashkurs

Seite 2: Reenactment der 30er Jahre?

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Bislang konnte der manifeste Krisenausbruch durch einen jahrzehntelangen Schuldenturmbau auf den wild wuchernden Weltfinanzmärkten - insbesondere in den USA - verzögert werden, indem die Weltwirtschaft zunehmend "auf Pump" lief, wobei diese Krisenperiode der finanzmarktgetriebenen Globalisierung durch immer größere Spekulationsblasen und immer schwerere Finanzkrisen gekennzeichnet war. Nach dem Platzen der Immobilienblasen von 2008 haben die schweren sozialen Verwerfungen in den USA, in deren Verlauf ein großer Teil der US-Mittelklasse ärmer wurde, rechtspopulistische Kräfte ins Weiße Haus gespült, die nun wild entschlossen sind, ein Reenactment der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts aufzuführen.

Die besonders schwere Verlaufsform der "Großen Depression" resultierte gerade daraus, dass die meisten kapitalistischen Kernländer auf den Börsenkrach von 1929 mit einer protektionistischen Politik reagierten und ihre Grenzen dicht machten - und sich zusätzlich bemühten, durch einseitige Exportförderung die Krisenfolgen auf andere Wirtschaftsräume abzuwälzen. Damit wurde die damalige strukturelle Überproduktionskrise zusätzlich verschärft, mit den bekannten, in den Faschismus und den Zweiten Weltkrieg führenden Folgen.

Deswegen reagierten die neoliberalen Funktionseliten nach dem Krisenausbruch 2008 mit massiven Konjunkturprogrammen (China und den USA) und extrem expansiver Geldpolitik (EU, USA, China), die das Weltfinanzsystem vor der Kernschmelze bewahrten und die Konjunktur nach dem Einbruch von 2009 rasch stützten. Der Preis dafür bestand in einer Fortführung des globalen Schuldenturmbaus in Gestalt der aktuellen Liquiditätsblase sowie in breiten Verarmungsschüben in den USA und in der südlichen Peripherie der EU. Das Weltsystem läuft weiter "auf Pump", die Schulden steigen weiterhin viel schneller als die Weltwirtschaftsleistung, doch fallen nun bereits in den Zentren immer größere Bevölkerungsschichten in frühkapitalistisch anmutende Armut zurück.

Der Rechtspopulist im Weißen Haus sieht nun - samt seinen deutschen Gesinnungsgenossen von der AfD - in der bisherigen Verlaufsform der Krise, in der Globalisierung samt Verschuldungsdynamik, fälschlicherweise deren Ursache. Mittels Protektionismus will er eine Reindustrialisierung der USA erzwingen. Diese ökonomische Politik des "America first" soll somit auf Kosten des Auslands realisiert werden. Damit wird aber - sobald sich diese protektionistische Dynamik global verselbstständigt - nur die durch die globalisierte Kreditaufnahme verzögerte Krise voll durchbrechen.

Der fundamentale Unterschied zu den 30er Jahren besteht natürlich darin, dass das Krisenpotenzial derzeit - nach Jahrzehnten der neoliberalen Schuldenmacherei - sehr viel höher ist als 1929, zumal sich kein neues Akkumulationsregime abzeichnet, das abermals massenhaft Lohnarbeit verwerten würde. Die totale Mobilisierung im Rahmen 2. Weltkrieges fungierte objektiv als Durchsetzungsprozess der Fordistischen Nachkriegsprosperität ("Wirtschaftswunder"). Selbst dieser massenmörderische Ausweg ist dem an seine Entwicklungsgrenzen stoßenden Kapital aufgrund des erreichten Produktivitäts- und Destruktionsniveaus nun verbaut. Was derzeit anstehen müsste, wäre somit eine breite Debatte über eine Systemtransformation, über gesellschaftliche Alternativen zur kapitalistischen Dauerkrise.

Was aber nun konkret tatsächlich ansteht, ist das anachronistische Bestreben der Neuen Rechten, im Nationalstaat die Zuflucht vor der Weltkrise des Kapitals zu suchen - was nur in die Katastrophe führen kann. Auf die schweren ökonomischen Verwerfungen, die einem Kollaps der Globalisierung folgten, würden die Staatsapparate mit autoritärer, ins Diktatorische tendierender Verhärtung reagieren.

Abzusehen sind diese autoritären Bestrebungen bereits bei den derzeit forcierten Landespolizeigesetzen in der Bundesrepublik. Rechtsextreme Ideologie mit ihrer aggressiven Identifikation mit der Macht und ihrer euphorischen Bejahung des Untertanengeistes würde dieser autoritären staatlichen Krisenverwaltung die Legitimation liefern. Diese "zukunftsweisende" Kooperation zwischen der Neuen Rechten und reaktionären Kräften im deutschen "tiefen Staat" zeichnet sich schon überdeutlich ab.