Auf dem Weg in den Handelskrieg
Seite 2: "Doppelstrategie" aus Sanktionen und Wirtschaftsgesprächen
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Es sind also zwei völlig unterschiedliche taktische Ziele, die die deutschen "Tauben" und die osteuropäischen "Falken" in der Sanktionspolitik verfolgen. Auch bei der Strategie für die Ukraine gehen die Meinungen weit auseinander. Von einem schnellen EU- und Nato-Beitritt über eine lockere Assoziierung bis hin zu einem neutralen Status à la Finnland reichen die Positionen in der EU. Aber darüber spricht man nicht gern; schließlich gilt es, die Fassade der Einigkeit und Solidarität zu wahren.
Wie das geht, machte EU-Parlamentspräsident und SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz vor. Als einziger tat er am Donnerstagabend vor die Presse - und legte einen Auftritt hin, der selbst einen Franz-Josef Strauß begeistert hätte. "All diejenigen, die geglaubt haben, Krieg oder Kriegsgefahr wären kein Thema mehr, sehen sich eines Besseren belehrt", sagte Schulz auf dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel. "Wir reden vom Risiko eines bewaffneten Konflikts", fügte er hinzu. Das "sehr brutale Vorgehen" Russlands zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim bedeute eine "neue Dimension".
Als Antwort empfahl Schulz eine "Doppelstrategie" aus Sanktionen und Wirtschaftsgesprächen - das Geschäft darf natürlich nicht zu kurz kommen. Außerdem müsse der Ukraine schnell geholfen werden, möglichst ohne die geplanten IWF-Auflagen. Auf die Frage, wie er seine Strategie begründe, antwortete Schulz - der nach der Europawahl EU-Kommissionspräsident werden will - mit einem Zitat des Australiers Christopher Clark. Vor 100 Jahren sei Europa schlafwandlerisch in den 1. Weltkrieg geschlittert, rezitierte Schulz die umstrittene Kernthese Clarks. Dies dürfe nicht wieder geschehen. Deshalb müsse man mit Putin reden, ihm aber auch seine Grenzen aufzeigen.
Wie Putin will auch die EU schnell Tatsachen schaffen
Dass es die Europäer seit Beginn der Ukraine-Krise im Herbst 2013, ja seit Jahren tunlichst vermieden haben, mit Russland zu reden, sagte Schulz nicht. Dass EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy noch am Vortag des Gipfels eine heimlich geplante Moskau-Reise absagte - offenbar auf Druck der Falken -, ließ der SPD-Mann auch unerwähnt. Es hätte wohl nicht in das selbstgerechte, mal weinerliche, mal aggressive Klima dieses Gipfels gepasst.
Wir sind die Guten, wir reagieren ja nur - das war die vorherrschende Meinung. Dabei will die EU noch heute Fakten schaffen, die die Lage weiter verschärfen könnten. Merkel und ihre Chef-Kollegen wollen das Assoziierungs-Abkommen mit der Ukraine unterzeichnen, von dem sie selbst fürchten, dass es Putin zu einem Gegenschlag reizen könnte. Und sie wollen 11 Milliarden Euro Finanzhilfen für die nicht gewählte Interims-Regierung in Kiew freigeben.
Dies ist ziemlich genau die Summe, die Putin der Ukraine schon im Dezember angeboten hatte. Damals hieß es in Brüssel noch, so viel wolle und könne die EU nicht geben. Heute ist davon keine Rede mehr. Schulz versprach sogar, die Finanzspritze im Eilverfahren im Europaparlament durchzuwinken. Auf die für Ende Mai geplanten Wahlen in der Ukraine müsse man dabei nicht warten, so Schulz. Schließlich sei Eile geboten.
Die EU will sich ihren Teil der Ukraine sichern - Demokratie und Selbstbestimmung kann man sich im Clinch mit Russland offenbar nicht mehr leisten. Nach Putin schaffen nun auch die Europäer vollendete Tatsachen.
ukraine.htm