Auf der Suche nach Wasser und Spuren von marsianem Leben

Forschungssonde Mars Odyssey 2001 startet morgen zum Mars. Bei der NASA beginnt jetzt das große Zittern; die Angst vor einem erneuten Fehlschlag dämpft die Vorfreude

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Nach ihren gescheiterten zwei spektakulären Mars-Expeditionen vor zwei Jahren schickt die US-Weltraumbehörde NASA erneut ein Raumschiff zum Roten Planeten. Die 600 Millionen Mark teure Sonde Mars Odyssey 2001 soll am Samstag vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral aus starten. Ab Oktober wird der Orbiter den Mars zweieinhalb Jahre lang zu geologischen Studien umkreisen. Erfasst werden sollen die Elemente und Mineralien an der Oberfläche des Planeten. Ziel der Mission ist es, in Ergänzung zur Mission Mars Global Surveyor mit drei wissenschaftlichen Experimenten die Marsoberfläche zu untersuchen und Strahlungsmessungen vorzunehmen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Suche nach Wasser und damit nach den Voraussetzungen von Leben. Mars macht mobil Doch bei der NASA herrscht höchste Anspannung. Denn nach den zwei Pleiten Ende 1999 mit den Sonden Mars Climate Orbite' und 'Mars Polar Lander' würde ein weiterer Rückschlag das ehrgeizige Mars-Programm der NASA gefährden. Der US-Kongress könnte intervenieren

Manche werden sich an die erfolgreiche Pathfinder-Sojourner-Exkursion 1997 erinnern oder an die erste bemannte Reise zum Roten Planeten. Andere wiederum bekommen beim Wort Mars unangenehme Gefühle - wie gegenwärtig viele NASA-Wissenschafter. Denn das Verhältnis einiger NASA-Ingenieure und Wissenschafter zu ihrem Forschungsobjekt ist derzeit höchst ambivalent, was angesichts der bitteren Bilanz, dass von den über 30 gestarteten Mars-Missionen aus drei verschiedenen Ländern noch nicht einmal ein Drittel von Erfolg gekrönt waren, nachvollziehbar ist.

Zwischen Bangen und Hoffen

Wenngleich die USA mit einer Erfolgsquote von 60 Prozent noch am besten dasteht, herrscht gegenwärtig in den NASA-Bastionen in Kalifornien, Houston und Florida höchste Anspannung, da diesen Samstag die so wichtige Mars Odyssey 2001 Mission startet. Vor allem die Mitglieder des Odyssey-Projektteams im Jet Propulsion Laboratory dürften sich bereits jetzt schon mehrfach die ersten Schweißperlen von der Stirn gewischt haben. Allen voran der NASA Chief scientist for Mars exploration James Garvin, der in Anspielung auf die bittere Bilanz der bisherigen Mars-Missionen treffend pointiert: "Mars is a magical place but at times appears to be an evil place." Noch deutlicher wurde der stellvertretende Leiter der Mission am Jet Propulsion Labor der NASA, Jeffrey Plaut: "Nervosität ist vielleicht das richtige Wort für die Stimmung bei den Wissenschaftlern. Niemand will einen weiteren Misserfolg erleben." Und der Projektmanager George Pace vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa in Pasadena gesteht offen: "Natürlich stellen uns alle die Frage, ob es dieses Mal klappt. Aber es muss klappen, da wir mehrfach alles durchgespielt und dabei versucht haben, jeden möglichen Fehler zu antizipieren."

Tatsächlich liefen noch in den letzten Tagen die Sicherheitstests auf Hochtouren. Jede Schraube, jede Niete machte Bekanntschaft mit diversen Händen von NASA-Ingenieuren. "In den vergangenen Monaten hatten wir mehr Kontrollen des Raumfahrzeuges als bei jeder anderen Mars-Mission", beteuert George Pace. Das ganze jüngste Nasa-Konzept "Schneller, besser, billiger", dem die letzten beiden Marssonden Tribut zollen mussten, wurde überdacht und optimiert. Für die Mars Odyssey 2001-Sonde wurden 144 Änderungen vollzogen, vornehmlich im Hard- und Software-Bereich, aber auch bei den wissenschaftlichen Geräten.

Offensichtlich hat die NASA aus alten Fehlern wirklich gelernt, denn die neuinstallierte Software impliziert nun alle Entfernungsangaben in Metern und amerikanischen Maßeinheiten. Damit dürfte eine weitere Peinlichkeit wie bei Mars Climate Orbiter Mission' 1999, als ein Techniker die metrischen Werte Meter und Fuß verwechselte, nicht mehr passieren. Summa summarum 220.000 mögliche Fehlerquellen wurden aufgelistet. Gespart wurde dabei nicht. Mit 600 Millionen DM ist das neue Gefährt fast doppelt so teuer geworden wie die beiden letzten Sonden zusammen. Ebenfalls um eine Klasse besser ist das Equipment an Bord, das aus modernsten wissenschaftlichen Erkundungsgeräte besteht

High Tech Mission

Wenn am Samstag die Delta II Rakete von der Cape Canaveral Air Force Station in Florida Richtung Mars abhebt, staut sich an Bord der 758 Kilogramm schwere Mars Odyssey Orbiter. Sechs Monate muss er warten, bis er in Aktion treten und am 24. Oktober mit einem kleinem Triebwerk in eine stark elliptische Bahn um Mars einschwenken kann. In den darauffolgenden zwei Monaten wird diese Bahn dann durch "Aerobraking" in eine kreisförmige Umlaufbahn geändert. "Aerobraking" bezeichnet einen Vorgang, bei dem die Sonde jeweils an dem Punkt der Bahn, der dem Planeten am nächsten kommt, in die Atmosphäre eintritt und dadurch die Ellipsenbahn verkleinert. Sobald die Sonde im Dezember ihren Zielorbit erreicht hat, kann sie die Oberfläche systematisch vermessen. Zu diesem Zweck trägt die Sonde drei Instrumente: Ein Gammastrahlen Spektrometer (GRS), ein abbildendes Infrarot Spektrometer (THEMIS) und ein Instrument zur Untersuchung der Strahlung in der Marsumgebung (MARIE). Das Gammastrahlen Spektrometer ist zusammen mit zwei Neutronen Detektoren in der Lage zwanzig verschiedene Elemente auf der Marsoberfläche aufzuspüren. Selbst Wasserstoff kann bis in eine Tiefe von einigen Zentimetern geortet werden.

In polnahen Gegenden könnte so Permafrost - im Boden gefrorenes Wassereis - aufgespürt werden. Doch auch die Kenntnis der Häufigkeiten der anderen Elemente wird viel über Mars und seine geologische Geschichte verraten. THEMIS - das abbildende Infrarot Spektrometer führt seine Untersuchungen im optischen und im infraroten Teil des elektromagnetischen Spektrums durch. Im Infraroten wird das Instrument Messungen in zehn verschiedenen Wellenlängenbereichen durchführen und dabei eine Karte des ganzen Mars mit einer Auflösung von 100 Meter/Pixel erstellen. Aus diesen Daten lässt sich auf das Vorkommen einer Vielzahl von verschiedenen Mineralien schließen. Im Optischen stehen dem Instrument fünf verschiedene Frequenzbänder zur Verfügung. Bei einer Auflösung von 18 Meter kann nur ein Teil der Oberfläche kartiert werden. Zusammen werden diese beiden Instrumente helfen die geologischen Prozesse zu verstehen, welche die Marsoberfläche formten. Das letzte Instrument - MARIE - wird die kosmische Strahlung und den Teilchenstrom, der von der Sonne kommt, vermessen. Diese Strahlung stellt für Menschen eine beträchtliche Gefahr dar. Eine genaue Untersuchung ist deshalb notwendig um geeignete Gegenmaßnahmen treffen zu können wenn einmal Menschen zum Mars fliegen werden.

Die Messinstrumente des Orbiters basieren übrigens auf einer neuen Technologie, die an der Universität zu Köln entstanden ist. Im Rahmen eines Grundlagenforschungsprogramms wurden am Institut für Kernphysik hermetisch gekapselte Germanium-Detektoren zur Messung von Gamma-Strahlung entwickelt. Das patentierte Verfahren erhöht die Zuverlässigkeit der sehr empfindlichen Germanium-Detektoren erheblich, was vor allem bei Experimenten im Weltraum unverzichtbar ist.

Suche nach Wasser hat oberste Priorität

Rund 27 Monate lang, bis zum Juli 2004, soll der Orbiter den Mars umkreisen und die Zusammensetzung und Struktur seiner Oberfläche genau erkunden. Zwar wird er ähnliche Aufgaben wie Mars Global Surveyor übernehmen, die den Planeten immer noch umkreist. Doch die eigentliche Aufgabe besteht darin, nach Wasser und Orten zu suchen, wo sich Leben entwickelt haben könnte. "Die Sonde kann uns sagen, wo es sich lohnt, näher nachzusehen", so die Hoffnung eines NASA-Wissenschaftlers. Primär soll der Orbiter Spuren von Karbonaten und Sulfaten orten. Sie sind für Studien über die fossile Vergangenheit des Mars bestens geeignet und können das Vorhandensein von Wasser auf dem Mars genau detektieren. "Würden Sie im geschichteten Marsgestein Karbonate finden, dann wären viele Wissenschaftler aus dem Häuschen", meint etwa Ken Nealson vom NASA Jet Propulsion Laboratory im kalifornischen Pasadena. Den ganzen Mars auf Karbonate abzusuchen, käme aber der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleich. Glücklicherweise kann man Karbonate auch vom Weltall aus orten, nämlich ebenfalls durch das abgestrahlte Infrarotspektrum. Zwar konnte bislang der Mars Global Suryevor noch keine Anzeichen für Karbonate noch Sulfate finden; allerdings glauben viele Forscher, dass die Auflösungskraft der MGS Kameras einfach noch nicht gut genug war, um derartige Spuren zu entdecken. THEMIS hingegen ist dafür wesentlich besser geeignet und soll endlich die brennende Frage über das Verbleiben des Wassers lösen.

Zu guter Letzt muss die anstehende Mission auch in einen größerem Rahmen eingeordnet werden, da auch sie wie alle folgenden den ersten "Marsmenschen" den Weg zum Roten Planeten ebnen soll. "Die Sonde kann einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Verhältnisse auf dem Mars leisten", erläutert Projektmanager George Pace. "Dies ist wichtig für weitere Missionen zum roten Planeten und schließlich auch für eine mögliche bemannte Mission." Sollte dies wunschgemäß funktionieren, schickt die NASA 2003 gleich zwei identische Landeroboter zum Mars, die Anfang 2004 landen und ebenfalls nach Wasser und nach möglichen Spuren von Leben suchen. Bis zum Jahr 2011 wird dann ein Landeroboter Bodenproben zur Erde zurückbringen.

Mars macht mobil