Aufnahme der Migranten auf NGO-Schiffen: Angst vor falschen Zeichen

Rettungssschiff "Professor Albrecht Penck". Bild: sea-eye.org/Presse

Die Niederlande und Frankreich signalisieren Bereitschaft, einen Teil der 49 Migranten an Bord der "Sea-Watch 3" und der "Professor Albrecht Penck" aufzunehmen. Nun wartet man auf Berlin

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Nach beinahe zwei Wochen Warten auf See sieht es so aus, als ob die Verhandlungen, die den NGO-Rettungsschiffen Sea-Watch 3 und Professor Albrecht Penck das Anlanden in einem sicheren Hafen ermöglichen, einen wichtigen Schritt weitergekommen sind (vgl. Mittelmeer: Deutsche NGOs suchen sichere Häfen für Bootsflüchtlinge). Von den Regierungen in Frankreich und den Niederlanden wird die Bereitschaft übermittelt, einen Teil der 49 Migranten, die sich an Bord der beiden Schiffe befinden, aufzunehmen.

Le Monde berichtet, dass man im Umkreis des Präsidenten von der Dringlichkeit des Falls überzeugt ist und "im Rahmen einer kollektiven Bemühung der Verteilung unter europäischen Staaten" bereit sei, einen Teil der aus Seenot geretteten Migranten in Frankreich aufzunehmen.

"Wenn die anderen mitmachen, sind wir auch dabei"

In der niederländischen und in der deutschen Regierung liegt laut Le Monde eine ähnliche Haltung vor - "wenn die anderen mitmachen, sind wir auch dabei". So wird es zumindest in der Umgebung Macrons verbreitet. Die Überzeugung lautet, dass Frankreichs Ankündigung das Tempo zur Bekanntgabe einer Lösung beschleunigen müsste.

Wie die maltesische Zeitung Malta Today heute berichtet, hat die Niederlande inzwischen offiziell bekannt gegeben, dass auch sie Migranten, die sich an Bord der beiden Schiffe befinden, aufnehmen werde. Das Schiff Sea-Watch 3 der gleichnamigen deutschen NGO, das 32 Migranten an Bord hat, fährt unter niederländischer Flagge.

Die deutsche Regierung hatte Ende Dezember ebenfalls die Bereitschaft zu erkennen gegeben, dass man einen Teil der Migranten aufnehmen werde, wenn auch andere europäische Länder dazu bereit sind. Italien, Spanien und Malta verweigerten dies. Allerdings ist dem hinzuzufügen, dass alle drei genannten Länder bereits viele Bootsflüchtlinge aufgenommen haben.

Nach Italien kamen allein Jahren 2014 bis einschließlich 2017 rund 625.000 Migranten über das Mittelmeer. Spanien und Malta hatten in den letzten Tagen und Wochen jeweils Hunderte Bootsflüchtlinge aufgenommen. Spanien wurde im vergangenen Jahr 2018 zur Hauptadresse von Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen, wie einer Grafik der IOM (International Organisation for Migration) deutlich zu entnehmen ist. Am 9. Dezember wurden in Spanien für das gesamte Jahr 2018 über 55.000 Ankünfte notiert und in Italien über 23.122.

Die "politische Wasserscheide" seit 2015/2016

Das letztere sind Zahlen, die weit von den Dimensionen der letzten Monate des Jahres 2015 und der ersten des Jahres 2016 entfernt sind, Monate, die man als "politische Wasserscheide" zum Thema Migration bezeichnen könnte, da sich seither die Gespräche über die Zuwanderung verändert haben, was zu vertieften Polarisierungen geführt hat.

Es sind 49 Menschen, die sich seit dem 21, respektive dem 22. Dezember an Bord der beiden Rettungsschiffe befinden und rauer See ausgesetzt sind, Kälte und Enge - es sollte die europäischen Länder eigentlich nicht vor große Probleme stellen, hier zu schnellen Entscheidungen zu kommen.

Die spanische Regierung, bei Telepolis häufig unter Kritik, führte Ende Dezember vor, dass man auch unbürokratisch, ohne laut nach einem großen Kreis europäischer Beratungen zu rufen, mehr als 300 Bootsflüchtlinge aufnehmen kann, wenn der politische Wille dazu da ist.

Den gibt es in Deutschland nicht mehr in der Art, dass die Aufnahme von ein paar Dutzend Bootsflüchtlingen ohne lange Beratungen schnell entschieden würde, wie der augenblickliche Fall zeigt.

Der politische Druck und die Reaktion

Zu beobachten ist, dass der politische Druck, den die NGOs und ihre Unterstützer mit direkten Forderungen an politische Adressen - z.B. einem offenen Brief an alle Bundestagsfraktionen oder Appelle direkt ans Innenministerium - weitergeben, nichts beschleunigt und ersichtlich wenig bewirkt. Wahrscheinlich weil er nichts bewirken darf.

Weil die Regierung angesichts der Diskussion über Migration, wie sie in den letzten Jahren stattgefunden hat, höchstwahrscheinlich darauf bedacht ist auf keinen Fall den Eindruck zu erwecken, dass sie auf einen solchen Druck reagiert. Weshalb auch der Verweis auf die freundlichen Bürgermeister in Deutschland oder in Italien, die Offenheit und Solidarität bekunden und sogar die Bereitschaft, Migranten aufzunehmen, keinen praktischen politischen Erfolg hat.

Die beiden Schiffe, die sich in der Umgebung Maltas aufhalten, werden nicht nach Neapel fahren dürfen, um dort einen sicheren Hafen zu finden, auch wenn der neapolitanische Bürgermeister seine Solidarität, erklärt hat.

Zu erwarten ist, dass sich der dringende Fall der Migranten, für die ein sicherer Hafen gesucht wird, noch einige Male wiederholen wird - weil man (hauptsächlich die EU, Frankreich, Italien, Deutschland) nicht geschafft haben, in Libyen für wirklich sichere Häfen und menschliche Bedingungen für die Unterbringung von Migranten zu sorgen. So kommt es einer in Sachen Migration verunsicherten deutschen Regierungspolitik vor allem darauf an, die "richtigen Zeichen" zu setzen; man will ja schließlich nicht Macht und Posten verlieren.

Fast schon ist es egal, ob es um 49 oder 490 Bootsflüchtlinge geht, Hauptsache bleibt, dass sich das Prozedere zur Klärung der Aufnahme möglichst lange, beschwerlich und schwierig hinzieht und immer wieder auch das Scheitern als Möglichkeit herausgestellt wird. Alles andere wäre ein PR-Sieg der NGOs. Um den zu verhindern, hat keiner in der gegenwärtigen Regierung eine andere Idee, als darauf zu warten und hinzuarbeiten, dass diesem Erfolg möglichst viel Luft genommen wird.