Aufrüstung im All?
Amerikas neuer Präsident macht deutlich, dass im Weißen Haus jetzt ein anderer Tonfall herrscht
Eine Aufrüstung im All scheint immer wahrscheinlicher, seit Russland auf Washingtons Pläne für den "Son of Star Wars"-Raketenverteidigungsschild mit einer Verdopplung seines Verteidigungshaushalts reagiert hat.
Etwa 115 Milliarden Dollar will Russland in den nächsten zehn Jahren investieren, um sicherzugehen, das Nationale Raketenabwehrsystem (NMD) mit seinen Raketen durchdringen zu können (Die Nationale Raketenverteidigung der USA). Zwar fällt diese Summe gegenüber dem US-Verteidigungsbudget von über 300 Milliarden Dollar allein in diesem Jahr kaum ins Gewicht - ausreichen würde sie jedoch für die Entwicklung neuer Raketentechnologien sowie die teure Truppendemobilisation, die Putin bereits angefordert hat. Dieser Schritt würde für Russland eine Rückkehr zu Aufrüstungsaufwendungen in einem Umfang wie zuletzt in Zeiten des Kalten Kriegs bedeuten.
Laut Sergei Kruschtschow, dem Sohn des ehemaligen sowjetischen Präsidenten, war der Höhepunkt des Kalten Kriegs, die Kuba-Krise, im Wesentlichen "das Resultat eines kulturellen Missverständnisses". Die Stationierung der Raketen in Kuba war damals "als Signal, dass wir als gleichwertig anerkannt werden", gedacht gewesen. Nikita Kruschtschow hatte erwartet, dass Amerika diesen Schritt akzeptieren würde, so wie Russland die amerikanischen Raketen nahe der Türkei akzeptiert hatte. "Mein Vater wollte eine politische Botschaft senden, aber das war ein Fehler."
Im Moment liegt Russlands diesjähriges Verteidigungsbudget bei circa 7 Milliarden Dollar, wird sich im Lauf des Jahres aber wahrscheinlich noch erhöhen. Laut Strana Report ist das ein Teil des Zehnjahresplans, um die bewaffneten Kräfte neu zu formieren, den Putin schon letzte Woche unterzeichnet hat.
Diesen Dienstag dann hat Putin einen Brief an den neuen Präsidenten Bush geschrieben, in dem er ihm zum Amtsantritt gratuliert und der Hoffnung Ausdruck verleiht, dass die beiderseitigen Beziehungen auch zukünftig von gutem Willen geprägt seien und sich der russisch-amerikanische Dialog weiter gut entwickeln würde. Die neue amerikanische Administration wird sich wohl kaum auf Diskussionen einlassen, bevor nicht weitere Details bekannt gegeben werden.
In einem Interview mit der New York Times letzte Woche sagte Bush, Russland solle sich auf die Demontage seiner Nuklearwaffen konzentrieren, solange es nicht beweist, dass es Unterstützungen und Investitionen auch produktiver nutzen kann.
Laut Experten haben die Russen zwei praktikable Möglichkeiten, das massive Raketenabwehrsystem zu durchbrechen: Sie können ihre neuesten Topol-M-Langstreckenwaffen mit multiplen Köpfen ausstatten oder aber neue Interkontinentalraketen entwickeln und damit die derzeitigen SS-18 Raketen ersetzen. Beides jedoch würde das Start-II-Waffenkontrollgesetz verletzen - Russland droht aber, den Vertrag zu ignorieren, sollten die USA an ihrem Plan für das NMD festhalten.
Der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat so seine Zweifel daran: "Die Finanzierung und technische Durchführbarkeit einer solchen strategischen Raketenabwehr ist derzeit gar nicht machbar." Nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus vielen anderen Teilen Europas werden Zweifel an dem Plan laut, der die Nato spalten könnte, Russland und China provoziert - und so die 30 Jahre andauernden Bemühungen einer strategischen Abrüstung zunichte machen könnte.
Die Verteidigungsraketen eines erfolgreichen National Missile Defence System müssten die feindlichen Angreifer auch noch bei einer Geschwindigkeit von bis zu ca. 16.000 km/h treffen können - Anti-Detektoren noch nicht miteingerechnet. Das klingt nicht nur schwer, sondern hat bei bisherigen Tests auch nur ein Mal funktioniert (Test für Raketenabwehrschild gescheitert).
Der neue US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld muss mit heftiger Opposition aus dem Kongress rechnen, solange sich das NMD noch nicht als effektiv erweist. Die von Russland angedrohten neuen Raketen könnten diesen Plan also sehr wohl torpedieren.
"Das Militär wieder zu stärken halte ich für eine meiner wichtigsten Aufgaben." George W. Bush