Aufrüstung zum Cyberkrieg: Bits statt Bomben
Das US Space Command soll Angriffsmöglichkeiten auf Computernetze entwickeln
Im Oktober des letzten Jahres hatte das US Space Command die Verantwortung für die Verteidigung der Netzwerke des amerikanischen Militärs übernommen. Seit 1. Oktober dieses Jahres werden hier auch Konzepte für "Informationsangriffe" erarbeitet. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung von Mitteln, um Netzwerke des Gegners lahmzulegen, zu stören oder in ihrer Leistungskraft herabzusetzen.
Für den Infowar spielt der Weltraum natürlich eine große Rolle. Hier befinden sich die Spionage- und Kommunikationssatelliten, die für den Krieg im Hightech-Zeitalter eine entscheidende Rolle spielen. Die amerikanische Strategie jedenfalls ist, den Weltraum militärisch zu beherrschen, um "die US-Interessen und -Investitionen zu sichern". Wie es "Vision for 2020" des US Space Command erläutert, folgt die Etablierung einer "Weltraumwaffe" derselben Logik, wie dies in der Geschichte mit der Marine oder der Luftwaffe auch geschehen sei. Bislang habe die "Space Power" zur Unterstützung des Militärs auf dem Land, auf dem Wasser und in der Luft gedient, aber im 21. Jahrhundert werde der Weltraum zu einem eigenen Schlachtfeld.
Beim Aufbau der "Space Power" geht es darum, die anderen Waffengattungen zu unterstützen und die weltraumgestützten Systeme in sie zu integrieren, die eigenen Systeme im Weltraum zu schützen, Angriffswaffen im Weltraum zu positionieren oder die Systeme der anderen ausschalten zu können, aber auch schlicht um "Informationsvorherrschaft" und "weltweite Überwachung". Das Motto des Space Command ist denn auch: "Space ... the Warfighters' Edge".
Bislang hat das Space Command die Aufgabe, die Verteidigung der Computernetze des Militärs zu sichern und alle weltraumgestützen Operationen zu koordinieren (Raketenwarnung, Navigation, Kommunikation, Wetter und Überwachung, wobei nicht nur militärische, sondern auch zivile und kommerzielle Satelliten benutzt werden. Da aber heute das Militär auf der ganzen Welt die neuesten Informationsetchnologien einsetze, könne der "Angriff auf die Computernetze eines Gegners ein Element der Verteidigung unserer eigenen Netzwerke gegen einen großen Cyberangriff auf unsere Systeme" sein. Man habe schon länger Informationstechnologien benutzt, um "legale" militärische Ziele zu verfolgen, beispielsweise die Störung von Radiofrequenzen oder die Durchführung von elektronischen Gegenmaßnahmen.
Jetzt aber gehe es um die Ausarbeitung von Mitteln, um "unserem Gegner die Möglichkeit zu nehmen, mit Computernetzen militärische Operationen durchzuführen". Und wie immer beim Militär, wurde dafür auch gleich ein Name und eine Abkürzung geprägt: Computer Network Attack oder CNA. Natürlich werden die Informationswaffen auch als Möglichkeit angepriesen, militärische Angriffe durchzuführen, die zu weniger Verlusten an Menschenleben oder zu geringeren materiellen Zerstörungen führen: "Im Bereich der Luftverteidigung beispielsweise", so General Richard Myers, der ehemalige Leiter des Space Command, bei der Vorankündigung der Ausarbeitung von CNA, "könnte es im Gegensatz zum Abwurf von 1000 Kg Bomben eine sehr elegante Möglichkeit sein, das Netzwerk für die Flugabwehr eines Gegners durch die Manipulation von Nullen und Einsen zu beeinträchtigen."
Mögliche CNAs würden allerdings nicht vom Hauptquartier des Space Command in Colorado Springs ausgeführt werden, sondern von "Soldaten auf dem Schlachtfeld". Die Aufgabe des Space Command sei es festzulegen, welche Informationswaffen verfügbar sind oder entwickelt werden können, diese Angriffswaffen zu testen und sie den Soldaten in die Hände zu geben. CNA werde allerdings nicht "kinetische" Waffen wie Kugeln oder Bomben ersetzen, sondern sie nur verbessern. Man habe bereits "von Fall zu Fall" Angriffe auf Netzwerke durchgeführt. Auch im Kosovo-Krieg habe man dies gemacht, doch seien hier die Einsatzmöglichkeiten begrenzt gewesen, weil das serbische Militär nicht sehr stark von Informationssystemen abhängig gewesen sei.
Das Space Command betont, dass "die USA CNA nur nach einer sorgfältigen politischen Abwägung und rechtlchen Überprüfung" einsetzen werde. Allerdings sei es erst einmal notwendig, so Myers, die politischen und rechtlichen Implikationen von CNAs zu analysieren und Regeln für den Einsatz aufzustellen. Beispielsweise gäbe es Angriffsziele, die militärisch und zivil genutzt werden können (dual-use targets), aber sekundäre oder tertiäre Folgen von Angriffen auf Netzwerke, die nichts direkt mit den militärischen Operationen zu tun haben: "Wir kennen die Folgen einer 1000 Kg Bombe. Wir kennen die Gesetze eines bewaffneten Konflikts, daher sind wir in diesem Bereich sicherer."