Auftragsmord in Dubai
Der Ablauf des Mordplans ist fast vollständig von Überwachungskameras beobachtet worden, nur der Mord selbst fand im Off statt
Unter normalen Umständen wäre die Ermordung des Hamas-Führers Mahmoud al Mabhouh in Dubai Mitte Januar nur eine weitere von vielen Verschwörungstheorien im Mittleren Osten. Aber die Überwachungskultur im arabischen Emirat macht es möglich: Die Polizei der Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) haben einen Videozusammenschnitt von Flughafen- und Hotelkameras veröffentlicht, in dem man das Attentat von Anfang bis zum Ende verfolgen kann.
Wie in vielen guten Thrillern findet der Mord allerdings im Off statt. Man kann die vermeintlichen Attentäter, die mit ihrer bulligen, muskulösen Statur in das Klischee vom Leibwächter oder Elitesoldaten passen, nur im Aufzug des Luxushotels Al Bustan kommen und dann wieder verschwinden sehen. Dazwischen vergehen 20 Minuten, in denen sie Ahmed al Mabhouh in seinem Zimmer, das nicht weit vom Lift entfernt, überwältigt, getötet und den Inhalt seines Computers sowie alle anderen Dokumente, die er bei sich trug, kopiert haben.
Eilig hatte es von den vier Attentätern danach niemand. Gemütlich steigt man in den Aufzug. Offensichtlich ist man sich sicher, dass es einige Zeit dauern wird, bis man die Leiche entdeckt und von einem Mord spricht. Schließlich ist die Hotelzimmertür von innen verschlossen und alles deutete auf einen Herzinfarkt.
Das vierköpfige Exekutionsteam, wie die Männer von Behörden in Dubai genannt werden, war nur ein Teil einer angeblich insgesamt 17 Personen umfassenden Operation. Eine Größenordnung, die nicht nur die palästinensische Hamas sofort an den israelischen Geheimdienst Mossad als Urheber denken ließ. Gründe gäbe es für die Israelis genug: Al Mabhouh war Gründer der Al Qassam Brigaden, dem bewaffneten Flügel von Hamas, mitbeteiligt an der Entführung und Tötung von israelischen Soldaten sowie am Waffenschmuggel in den Gazastreifen.
Bisher konnte die Identität von 11 Mitgliedern des Killerteams geklärt werden, die der anderen sechs ist bisher noch unbekannt. Mit europäischen Pässen waren die Identifizierten am Vorabend des Attentats nach Dubai eingeflogen und sind binnen weniger Stunden danach wieder abgereist. Darunter waren sechs Briten, drei Iren, ein Franzose und ein Deutscher. Von den irischen, deutschen und französischen zuständigen Behörden wurde allerdings bereits gemeldet, dass die Personen nicht existieren und die Pässe eine Fälschung seien.
Nur die von den Attentätern benutzten britischen Identitäten stimmen tatsächlich mit lebenden Personen überein. Ironischer- oder soll man zynischerweise sagen, sind es Menschen, die in Israel leben. Die meisten von ihnen haben ihren Namen im Zusammenhang mit der Ermordung in Dubai in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen gehört. Melvyn Mildiner, der vor einigen Jahren nach Israel auswanderte, wurde von Journalisten kontaktiert. Er besitze immer noch seinen Pass, habe aber dieses Jahr noch kein einziges Mal das Land verlassen, sagte er den Journalisten. Der 32-Jährige, der in Jerusalem lebt, will seinen Namen wieder klären. "Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, wer und warum meinen Namen wählte. Aber ich bin zuversichtlich, es bald herauszufinden." Seine von den Killern benutzte Passnummer sei korrekt, nur beim Geburtsdatum gäbe es einige Tage Unterschied. Auch John Paul Keeley, der laut Dubai-Liste nun ein gesuchter Terrorist ist, hat dieses Jahr Israel nicht verlassen. Genauer gesagt seit 2008 nicht mehr, als er einen Kurztrip in die Türkei machte. Man habe ihm seine Identität gestohlen, meinte der 42-Jährige, der seit 15 Jahren in Israel lebt.
Seltsame Fehler in einer aufwändig organisierter Killermission
Alleine die Recherche für die Operation in Dubai war zeitaufwändig, ganz zu schweigen vom logistischen, technischen und finanziellen Aufwand bis hin zum eigentlichen Mord. Die Teammitglieder waren mit neusten Kommunikationsmitteln ausgestattet, so die Behörden in Dubai. Die Beteiligten sprachen nicht direkt miteinander, sondern mit einer Art Zentrale, die über eine österreichische Nummer erreichbar war und die Koordination übernahm. Dazu die Hotelkosten von 16 Personen, die am Tattag oft zweimal ihre Unterkunft wechselten, sowie die Ausgaben für Linienflüge von Zürich oder Paris nach Dubai, dann zurück über Katar nach Hongkong oder Südafrika. Nicht mit eingerechnet die Erfolgsprämien bei geglückter Tötung oder Sonderurlaub.
Kann dem Mossad ein solcher Fehler unterlaufen, ausgerechnet sich selbst über eigene Landsleuten bloßzustellen? Warum wurden bei den britischen Pässen nicht auch einfach falsche Identitäten benutzt, wie im Falle der irischen, deutschen oder französischen Pässe? Sabotage innerhalb des israelischen Geheimdienstes, menschlicher Fehler oder sind die Verantwortlichen für den Tod von Hamas-Führer Al-Mabhouh doch woanders zu suchen?
"Ich weiß nicht, warum man es als gesichert ansieht", sagte der israelische Außenminister Avigdor Lieberman, "dass es Israel oder der Mossad war, die diese Pässe oder Identitäten benutzten. Warum ist man so in Eile?“ Seiner Meinung nach spielte da ein anderer Geheimdienst oder ein anderes Land eine Rolle.
Nun gut, aber wer? Vielleicht meint Israels Außenminister Avigdor Lieberman mit dem anderen Geheimdienst den Secret Service seiner königlichen Majestät, der den schnellsten und direktesten Zugang zu britischen Passdaten hat? Der britische Premierminister Gordon Brown kündigte bereits eine Untersuchung an. "Wir gucken uns das gerade genau an. Der britische Pass ist ein wichtiges Dokument. Wir werden eine komplette Untersuchung durchführen." Der israelische Botschafter wurde für heute ins Außenministerium bestellt, um den Sachverhalt zu klären.
Für Rafi Eitan, ehemaliger Mossad-Agent und Minister, der bei der Gefangennahme von Adolf Eichmann beteiligt war, ist die Sache klar. "Irgendein ausländischer Geheimdienst, ein Feind Israels, wollte Israel beschmutzen. Er nahm die Namen von israelischen Bürgern und hat die Pässe gefälscht."
Tatsächlich kann man sich kaum vorstellen, dass eine erfahrene Organisation wie der Mossad das Missgeschick mit den Pässen passiert. Genauso wenig, wie man das Kameraüberwachungssystem, für das Dubai bekannt ist, außer Acht lässt. Wird ein professionell arbeitender Geheimdienst freiwillig vor laufenden Kameras agieren und damit alle seiner beteiligten Agenten mehr oder weniger in den Ruhestand schicken.
"Was in der gesamten modernen Welt passiert, es gibt überall Kameras", sagte der ehemalige Mossad Agent Ram Igra im israelischen Armee Radio. „Das verändert nicht nur Dinge für diejenigen die Terror verbreiten, sondern auch für diejenigen, die ihn bekämpfen." Soll sich der Mossad den Kameras nicht bewusst gewesen sein? Einige der an der Ermordung von al-Mabhouh beteiligten Agenten wechseln innerhalb eines Tages mehrfach ihr Aussehen. Wäre es da, angesichts der Kameras, nicht auch sinnvoll und vor allen Dingen möglich gewesen, sich generell ein anderes Aussehen zu geben?