Aus dem Tritt gebracht
Das Einlenken des Irak hat die Position der US-Regierung geschwächt
Wahrscheinlich hatte US-Präsident Bush mit einem derart schnellen Schritt der irakischen Regierung nicht gerechnet. Mit dem Angebot, wieder bedingungslose Waffeninspektionen zuzulassen, hat sich Saddam Hussein erst einmal Entlastung verschafft. Gestärkt wurde dabei nicht die Position der US-Regierung, wie dies mitunter jetzt auch hierzulande von der Opposition als Kritik der Haltung der rot-grünen Regierung geäußert wurde, sie wurde vielmehr aus dem Tritt gebracht und steht nun unter dem Zwang, die nächsten Schritte mit der UN abstimmen zu müssen. Das genaue Gegenteil aber hatte die Rede von Bush vor der UN zur Absicht.
Selbst in Zeiten des deutschen Wahlkampfs ist jedem klar, dass die Irak-Frage auch in den USA ein Wahlkampfthema ist, mit dem die US-Regierung zu punkten sucht. Bush sieht die USA im Kriegszustand und setzt damit die Opposition unter Druck, um seine Politik zu unterstützen und Kritik zu unterlassen. Schon kurz nach dem 11.9. hat die US-Regierung unmissverständlich deutlich gemacht, dass Afghanistan nur der Anfang ist und vermutlich der Irak oder ein anderer Staat auf der stets bei Bedarf erweiterbaren Achse des Bösen folgen wird. Die US-Regierung hat für sich das Recht beansprucht, militärisch gegen alle terroristischen Gruppen und Staaten, die Terror fördern, vorzugehen.
Gerade an der Demontage der Genfer Konventionen, des Biowaffen-Abkommens und vor allem des Internationalen Strafgerichtshofs ließ sich sehen, dass die US-Regierung eine globale Rechtsordnung als unwillkommene Einengung der eigenen Souveränität begreift, anstatt hier an einer Plattform mitzuarbeiten, die eine Weltinnenpolitik im Hinblick auf die Durchsetzung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördert und deswegen eigenmächtige Handlungsoptionen auch der Supermacht einschränkt. Unmissverständlich deutlich hatte die US-Regierung von Anfang an gemacht, dass internationale Vereinbarungen und Organisationen für sie nur akzeptabel sind, wenn und solange diese den amerikanischen Interessen dient.
Dass Bush jetzt die UN, wenn sie nicht seinem Druck folgt, als "handlungsunfähigen Debattierklub" bezeichnete, wirft ein Licht auf die demonstrierte Haltung gegenüber der Staatengemeinschaft und den Willen, den "Krieg gegen den Terrorismus" und die Sicherheit ganz oben auf der politischen Agenda zu lassen. Bush sieht den von ihm geführten Krieg, der "die Zivilisation selbst definieren wird", weiterhin als geschichtlichen Auftrag an die USA. Auserwählt von der Geschichte wurde Bush II, der auch mit kaum verhohlener Erpressung versucht, alleine über Krieg und Frieden entscheiden zu können. In einer Umfrage, die noch vor dem einlenkenden Brief Iraks durchgeführt wurde, befürwortete noch eine Mehrheit der Amerikaner ein von der UN legitimiertes militärisches Vorgehen, um Hussein zu stürzen. 57 Prozent sprachen sich auch für den Einsatz von amerikanischen Bodentruppen zu diesem Zweck aus.
" And the problem is, in the United States Senate, they're more interested in Washington's special interests than they are in the interests of protecting the American people. I hope they get a good bill out of the Senate before they go home to campaign. But I'm going to make good on my promise that if the flexibility is not in the bill, that I'm going to use my veto power. I will not accept a lousy bill that makes it impossible for the President -- this President or future Presidents -- to do what the American people expect, and that's to protect the homeland. The best way to secure the homeland, the best way to make sure that we protect our children and our children's future, the best way to defend freedom and civilization itself, is to hunt the killers down, one person at a time, and bring them to justice, which is exactly what the United States of America is going to do."
Dass sich Bush dennoch zu seiner Rede vor der UN hat drängen lassen, hat der US-Regierung, die immer wieder betont hat, dass Waffeninspektionen und auch die Vernichtung möglicher Massenvernichtungswaffen ihr nicht ausreichen, den Wind aus den Segeln genommen, will sie sich nicht durch einseitiges Vorgehen isolieren und ohne Rückendeckung der UN militärisch einschreiten. Nun geht es erst einmal darum, sollte der Sicherheitsrat keine neue Resolution verabschieden, wie die Inspektionen durchgeführt werden sollen und zu welchem Ergebnis sie kommen, bevor eine neue Entscheidung ansteht. Das wird Monate dauern, zumal die Bewertung der Ergebnisse - vor allem dann, wenn nichts gefunden werden sollte - schwierig werden dürfte. Den Takt gibt jetzt der Sicherheitsrat vor, was auch innenpolitische Folgen haben wird, denn nun können die Demokraten entweder die Entscheidung über einen Militärschlag gegen den Irak bis nach den Wahlen hinauszögern oder den Präsidenten dazu verpflichten, nur zusammen mit Alliierten und legitimiert durch die UN in einen Krieg einzutreten. Überdies lassen sich wieder andere Themen als der Krieg einbringen.
Dass Hussein erst einmal nur eine taktische Entscheidung getroffen hat, liegt ebenso auf der Hand, wie er vermutlich alle Tricks ausschöpfen wird, um die Arbeit der Waffeninspektoren zu behindern, ohne seine Macht zu gefährden. Während die US-Regierung nach Möglichkeiten suchen wird, ein militärisches Vorgehen, das zum Sturz des Regimes führt, zu legitimieren, dürfte Hussein darum bemüht sein, den Bogen nicht zu überspannen und auf Zeit zu setzen.
Inzwischen versichert die US-Regierung, dass ein Krieg gegen den Irak nicht nur ziemlich billig wäre (Kriegskosten sind Peanuts), sondern auch kaum ein Risiko darstellen würde. Das zeugt eigentlich nicht für die beschworene Gefährlichkeit des Gegners, sondern eher schon für die Wirksamkeit der UN-Sanktionen. So sagte Vizepräsident Cheney unlängst in einem Interview: "Ich glaube nicht, dass dies ein harter Kampf werden wird. Ich glaube nicht, dass sich die Frage stellt, ob wir siegen und unsere Ziele durchsetzen werden."
Man glaubt, dass die irakische Armee im Falle eines Angriffs sich gegen Hussein wenden wird. Aber vor allem ist auch die Kampfkraft der irakischen Armee gegenüber 1991 stark herabgesetzt. Sie ist mit über 400.000 Soldaten nicht einmal mehr halb so groß, vor allem aber wurden im Golfkrieg auch viele Waffen zerstört, während die Sanktionen verhinderten, dass für beschädigte Systeme Ersatzteile ins Land kommen konnten. "Die irakische Armee", so General Richard Myers. "ist viel schwächer als zu Beginn der 90er Jahre." Und ob sie noch oder wieder über Massenvernichtungswaffen verfügt, ist unbekannt (Keine Beweise gegen den Irak).