Ausbau der Stromnetze: Wie die Bundesnetzagentur den Fortschritt ausbremst
Deutschland will grüner werden, doch stolpert über seine Netzinfrastruktur. Ist die Bundesnetzagentur der heimliche Spielverderber? Was könnten wir von der Schweiz lernen?
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Stromerzeugung in Deutschland zunehmend zentralisiert. Man setzte hauptsächlich auf fossile Großkraftwerke und baute eine klar kaskadierte Netzinfrastruktur auf, die den Strom von den zentralen Kraftwerken über mehrere Spannungsebenen in die Verteilnetze lieferte.
Inzwischen wird versucht, die Stromerzeugung auf eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen umzustellen. Da diese ebenso wie die Verbraucher eher dezentral in der Fläche angesiedelt sind, müssen auch die Netzstrukturen darauf ausgerichtet werden.
Unbundling in der deutschen Elektrizitätsversorgung brachte nur kurzfristige Vorteile
Mit der Liberalisierung der Strommärkte und der Trennung von Netzbetrieb und Stromhandel wollte man den Wettbewerb stärken und den Markt die Strompreise senken lassen. Um gleiche Bedingungen für alle Anbieter in Deutschland zu schaffen, wurde unterstellt, dass es keine regionalen Unterschiede gibt, Deutschland also gewissermaßen einer Kupferplatte gleicht, auf der es keine Netzverluste oder andere Restriktionen gibt.
Die tatsächlichen Kosten für die kundennahe Strombeschaffung und die Kosten für Wartung, Ausbau und Betrieb der Netze werden getrennt ermittelt und auf die Handelspreise aufgeschlagen. Der Netzbetreiber darf diese Kosten nicht nach eigener Kalkulation an seine Kunden weitergeben, sondern muss sie von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen. Ohne Genehmigung war eine Weitergabe der Kosten an die Kunden nicht möglich. Als Ausgleich für diese strenge Regulierung erhielten die Netzbetreiber eine garantierte Verzinsung des eingesetzten Kapitals.
Die zunehmende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien im Norden und Osten der Republik führte dazu, dass die Netze ausgebaut werden mussten und diese Kosten auf die regionalen Kunden umgelegt wurden.
Die Tatsache, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im Süden der Republik weniger stürmisch verlief, führte dort zu einem geringeren Anstieg der Netzkosten. Der Widerstand gegen den Bau von Übertragungsleitungen von Nord- und Ostdeutschland in den Süden führte dann dazu, dass im Norden Erzeugungsanlagen abgeschaltet und im Süden auf fossile Kraftwerke zurückgegriffen werden musste.
Da aus politischen Gründen die Netzkosten möglichst gering gehalten werden sollten, um auch die Strompreise niedrig zu halten, wurden Genehmigungen für Investitionen in die Netze lange Zeit eher restriktiv gehandhabt. Die Tatsache, dass nicht der Netzbetreiber, sondern die Regulierungsbehörde über die Notwendigkeit einer Investition entscheiden konnte, hat über die Jahre zu einer ausgeprägten Investitionszurückhaltung der Netzbetreiber geführt.
In Deutschland gibt es zudem die statistische Besonderheit, dass nur Stromausfälle, die länger als drei Minuten dauern, als Stromausfälle gezählt werden. Dies stammt aus einer Zeit, in der angeschlossene Elektrogeräte gewissermaßen träge Verbraucher waren. Mit dem Aufkommen von Computern, die empfindlicher reagieren, wurde den Verbrauchern empfohlen, mögliche kurzfristige Ausfälle durch unterbrechungsfreie Stromversorgungen selbst abzusichern.
Die Stromversorgung in der Schweiz
Die Schweiz, die seit 1958 über den Stern von Laufenburg auf der 220-kV-Ebene mit dem deutschen Stromnetz verbunden ist, hat sich bis heute nicht den Liberalisierungsvorstellungen der EU gebeugt. Die Stromversorgung in der Schweiz bietet daher weniger Wahlmöglichkeiten für die Kunden, dafür aber eine Versorgungsstruktur, in der die Netzbetreiber über die Investitionen in die Netze entscheiden und nicht die Mitarbeiter einer Behörde.
Die Netzkosten in der Schweiz setzen sich aus folgenden Komponenten zusammen: Kosten der vorgelagerten Netzebenen, Kapitalkosten der betrachteten Netzebene, Betriebskosten der betrachteten Netzebene, einschließlich Instandhaltung, Verwaltung, Messung und Abrechnungskosten. Der größte Teil der Schweizer Netzkosten sind Fixkosten und nur ein kleiner Teil hängt von der tatsächlich bezogenen Energiemenge ab.
Die Netzbetreiber müssen das Netz so aufbauen, dass die Endverbraucher immer die gewünschte Leistung beziehen können. Wird also viel Leistung benötigt, müssen große oder viele Transformatoren, Schalter und Leitungen installiert werden. Ob die Energie dann in der erwarteten Menge abgenommen wird oder nicht, spielt für die Kosten eine untergeordnete Rolle. Anders als in Deutschland werden die lokalen Strombeschaffungskosten nicht über die Netzkosten abgerechnet. Allerdings sind auch in der Schweiz die Erlöse aus dem Netzbetrieb gedeckelt. Die Verteilnetzbetreiber dürfen derzeit einen Gewinn von ca. 1,3 Prozent des Umsatzes erzielen.
Die von der EU geforderte Liberalisierung der Energiemärkte ist aus der Zeit gefallen
Die Liberalisierung der Energiemärkte wurde erstmals Ende des letzten Jahrhunderts umgesetzt. Damals wollte man die Monopole auf dem Energiemarkt aufbrechen und für Wettbewerb sorgen, der zu niedrigeren Preisen für die Endkunden führen sollte. Die Idee stammt zum Teil aus dem Mineralölmarkt, wo der Inhalt eines Tankers während der Fahrt mehrmals den Besitzer wechselt, was am Ende zu günstigeren Preisen führen soll.
Im Strommarkt war ein entsprechender Wechsel auf dem Weg vom Stromerzeuger zum Kunden mit einer Frequenz von bis zu 20 vorgesehen. Da der Weg des Stroms von der Erzeugung zum Verbraucher jedoch deutlich kürzer ist als die Fahrt eines Tankers, war dieses Ziel äußerst ambitioniert und wurde offensichtlich bisher nicht erreicht.
Die Preisnachlässe basierten beispielsweise auf der Nutzung des Spotmarktes zur Bedienung langfristiger Lieferverpflichtungen oder auf Zinserträgen aus langfristigen Vorauszahlungen der Kunden. Die Zinsentwicklung und die Entwicklung der Börsenstrompreise haben in jüngster Zeit die Schwachstellen der Kalkulation aufgezeigt.
Auch das Unbundling, die Trennung von Stromhandel und Netzbetrieb, hat sich durch den Umbau der Netze aufgrund des Vorrangs erneuerbarer Energien als kritisch erwiesen. Bei 90 Prozent der Versorger führte das Unbundling nur zu einer Änderung der Organisationsstruktur, nicht aber der Eigentumsverhältnisse. Nur bei großen Einheiten konnten Investoren für die Übernahme der Netze gewonnen werden.
Den Weg zurück zu integrierten Versorgern wie in der Schweiz wagt die deutsche Politik nicht, auch wenn dies durch die bessere Einbindung dezentraler Erzeuger und Speichermöglichkeiten erhebliche Erleichterungen beim Umbau der Stromversorgung bieten würde.
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