Strom-Verteilnetze: Führen Wärmepumpen und E-Autos zum K.o.?

Bild: Menno de Jong/Pixabay

Die neue deutsche Angst: der Blackout der Stromnetze. Die Abschaltung der Kernkraftwerke hatte nicht den gefürchteten Effekt. Jetzt soll Gefahr von der Verdrängung der Verbrenner drohen.

Dass Automobile, die von Verbrennern angetrieben werden und regelmäßig Kraftstoff tanken müssen, der Deutschen liebstes Kind sind, ist inzwischen eine Binse. Mittlerweile haben die Deutschen auch ihre Liebe zur Öl- und Gasheizung entdeckt.

Die Zukunft des Landes scheint von der Produktion von CO2 abzuhängen. Bei allen Alternativen zu fossilen Brennstoffen droht der Weltuntergang, befürchtet die Volksseele?

Wenn die Freunde der Verbrenner auf der Straße und im Heizungskeller jetzt mit der Angst vor dem Stromausfall spielen, sollten sie ehrlicherweise auch erklären, wo etwa das Gas für die deutschen Versorgungsnetze ab Herbst beschafft werden soll. Bei der Mineralölverarbeitung und dem Produktvertrieb ändert sich die Marktsituation kontinuierlich.

Der russische Rosneft-Konzern hat bislang die modernsten Raffinerien in Deutschland betrieben. Aus politischen Gründen will die Bundesregierung Rosneft aus dem Markt drängen und hat die Geschäftstätigkeit von Rosneft in Deutschland unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt.

Wer in den deutschen Markt investieren will, ist derzeit nicht abzusehen. Nach der österreichischen OMV hat inzwischen auch die US-amerikanische ExxonMobil ihr deutsches Tankstellennetz abgestoßen.

Paradigmenwechsel zur Kreislaufwirtschaft

Auch wenn die aktuelle Bundesregierung die Kommunikation des Wandels zu CO2-ärmeren Verfahren denkbar schlecht ausführt, vermeiden kann man den Schwenk auf Dauer nicht. Seit dem Beginn des Wirtschaftswunders galt das Prinzip des unbegrenzten Wachstums. Mit der Ölkrise im Jahr 1973 und den ″Grenzen des Wachstums″ des Club of Rome nur kurzfristig unterbrochen, steht die Linearwirtschaft inzwischen vor ihrem Ende.

Als einzige ökonomische und ökologische Überlebenschance bleibt die Kreislaufwirtschaft. CO2 wird bei jedem Verbrennungsprozess traditionell in die Umwelt geblasen. Kreislauffähig ist der CO2-Ausstoß nicht.

Ostasiatische Anbieter sind hinsichtlich der inzwischen auch von der EU angestrebten Kreislaufwirtschaft kulturbedingt im Vorteil und können somit die Idee der Nachhaltigkeit leichter verfolgen als die Hersteller aus den alten Industriestaaten.

Steuerungsmöglichkeiten in den Stromnetzen

Wer sich mit der Situation der Stromverteilnetze beschäftigt, sollte sich mit den Rahmenbedingungen für den Betrieb und damit auch den Netzausbau beschäftigen. Jede Investition in die Verteilnetze muss von der Bundesnetzagentur freigegeben werden, damit ihre Kosten auch weitergegeben werden dürfen. Eine Erhöhung der Netzkosten war bislang nicht im Interesse der Politik.

Die Digitalisierung der Netze mithilfe sogenannter digitaler Zwillinge ist bislang noch nicht flächendeckend realisiert. Der politisch gewünschte schnellere Roll out der Smart Meter könnte für den Netzbetrieb signifikante Vorteile bieten, wenn dann im Bedarfsfalle große Verbraucher im Verteilnetz wie Wärmepumpen und Wallboxen für E-Mobile gedrosselt und gedimmt werden können, ohne dass der Verbraucher dadurch einen Komfortverlust erleidet.

Telepolis hat hinsichtlich der aktuellen Situation der Verteilnetze beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) angefragt, in dem die meisten Verteilnetzbetreiber organisiert sind.

Ein VKU-Sprecher lässt sich dazu wie folgt zitieren:

Uns sind keine Gebiete bekannt, in denen der Anschluss von Wärmepumpen oder Wallboxen schon heute an Kapazitätsgrenzen des örtlichen Verteilnetzes scheitert. Wichtig ist, dass parallel zum dezentralen Ausbau von EE-Anlagen, Wärmepumpen, Wallboxen für Elektroautos und Batteriespeichern, auch die lokalen und regionalen Stromnetze ausgebaut werden.

Will man die Kraftwerks- und Netzinfrastruktur am maximalen Strombedarf fürs Laden von E-Mobilen oder Wärmepumpen ausrichten, ist das vergleichbar mit einem Ausbau der Autobahnen, der sich am Urlaubsreiseverkehr orientiert und diesen gleichzeitig und ohne Stau ermöglichen will. Dieses Stauproblem wurde in Deutschland aber nicht zuletzt mithilfe eines unterschiedlichen Ferienbeginns entschärft.

Die Steuerbarkeit im Bedarfsfall, zum Beispiel von Wärmepumpen und Wallboxen, wie im §14a EnWG vorgeschrieben, ist notwendig. Durch die Möglichkeit der Steuerung können kurzfristige Überlastungssituationen im Verteilnetz vermieden werden und dem Netzbetreiber wird die notwendige Zeit verschafft, um den dringend benötigten Ausbau der Stromnetze anzugehen.

Smart Meter

Smart Meter können Energieversorger dabei helfen, Spitzenlasten besser als bisher über den Tag zu verteilen und damit im Bedarfsfall die Stromnetze stabil zu halten – ohne Komforteinbußen für Kundinnen und Kunden. Die Steuerung erfolgt ausschließlich im Bedarfsfall und zeitlich begrenzt. Bis Ende 2028 sieht die Regelung eine statische Steuerung vor, ab dem 1. Januar 2029 eine dynamische Steuerung.

Ob ein Elektroauto in der Nacht, während es geparkt ist, innerhalb von drei Stunden voll auflädt oder innerhalb von sechs, dürfte in der Regel keine Rolle spielen. Und auch Wärmepumpen können so gesteuert, dass Sie Häuser wohlig warm oder angenehm kühl halten können, ohne dass sie zu Spitzenlastzeiten im Vollbetrieb sein müssen.

Häufig wird die Reduzierung nur den Zeitraum der höchsten Last in den Verteilnetzen betreffen – also üblicherweise abends zwischen 18 und 20 Uhr - wenn alle zu Hause sind und viele Elektrogeräte laufen. Dann kann die Wärmepumpe auch mal kurz Pause machen, beziehungsweise mit reduzierter Leistung an den Start gehen.

Intelligente Stromzähler haben auch für Verbraucherinnen und Verbraucher Vorteile. Die sogenannten Smart Meter sind Voraussetzung für variable Stromtarife und damit die Möglichkeit von günstigen Strompreisen profitieren zu können.

Ausbau der Netze

Große Teile unseres Energiesystems sollen in den kommenden Jahren elektrifiziert und dezentralisiert, viele neue Verbrauchseinrichtungen und Photovoltaikanlagen sollen integriert werden. Wir sprechen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien von einer Verdreifachung der Geschwindigkeit bis 2030.

Netzbetreiber möchten natürlich ihre Netze ausbauen und müssen aktuell mehrere Herausforderungen meistern. Große Teile unserer Stromnetze sind unter anderen Voraussetzungen und für andere Ansprüche geplant und gebaut worden. Viele Stromleitungen sind mehrere Jahrzehnte alt. In den 1950er-Jahren gab es keine Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen, Smart Meter und Elektrofahrzeuge.

Wir gehen davon aus, dass sich Kapazitäten, Anzahl und Länge der Stromnetze in den Städten etwa verdoppeln müssen, um mit den steigenden Anforderungen zurechtzukommen. Das gilt nicht pauschal und hängt vom jeweiligen Gebiet ab.

Eine Herausforderung sind lange Planungs- und Genehmigungsverläufe. Der Ausbau der Stromnetze geht mit einem erhöhten Personalbedarf einher. Für Investoren spielt sicherlich auch die Verzinsung eine Rolle. Dazu hat der VKU umfassende Vorschläge in einem Papier zum vorausschauenden Netzausbau gemacht – ein zentrales Element ist dabei natürlich die Verzinsung des eingesetzten Eigen- und Fremdkapitals.

Bleibt diese so wie sie ist, dann ist es für Investoren nur mäßig interessant, in den Netzausbau zu investieren. Bei der Aufnahme von Fremdkapital würden Sie – da der aktuelle Zinssatz noch durch die Entwicklungen der Niedrigzinsphase geprägt ist – sogar mit jedem aufgenommenen Euro unmittelbar Verlust machen.

Diese Probleme sind der Politik und auch dem Regulierer bekannt, erste Ansätze sind auch bereits erkennbar, wir brauchen hier eine grundlegende Reform hin zu investitionsfreundlicheren Rahmenbedingungen.

Sprecher, VKU