Ausstieg Jetzt: Wie Stadtwerke gegen die mächtige Gas-Lobby rebellieren

Bild: Tim Reckmann / CC BY 2.0

Deutsche Gas-Konzerne haben im Zuge der Russland-Sanktionen an Einfluss gewonnen. Doch die Kritik wächst, einige Stadtwerke verlassen den Verband "Zukunft Gas". Wann kommt der Gas-Exit?

Erdgas – vor allem in verflüssigter Form als LNG ("Liquefied Natural Gas") für den Transport per Schiff – ist nach dem Ausfall billiger russischer Lieferungen im Zuge des Ukraine-Kriegs ins Zentrum der Energieversorgung geraten. Das ist vor allem in Deutschland zu beobachten. Die Lobbys haben die Krise genutzt, um den fossilen Energieträger in ein günstiges Licht zu rücken und propagieren seine Nachhaltigkeit.

Doch das Verbrennen von Gas zur Energie- und Wärmeerzeugung ist sehr klimaschädlich, in vielen Fällen sogar mit mehr Treibhausgasen verbunden als bei der Kohle oder Erdöl. Das hat mit den Methanemissionen bei der Förderung und dem Transport zu tun, die sogenannten indirekten Emissionen.

Die Gas-Lobby, zusammengeschlossen im Verband "Zukunft Gas", präsentiert den fossilen Brennstoff jedoch als saubere Lösung. Sie nutzt dabei ihre ökonomische Macht – erweitert auch durch Profite, die mit russischen Gasgeschäften erzielt wurden –, um die Politik und die Gesetzgebung zu beeinflussen.

Das Resultat sind überdimensionierte LNG-Terminals – eines davon soll gegen massiven Widerstand vor der Ostseeinsel Rügen gebaut werden –, der weitere Einbau von Erdgasheizung im Zuge des aufgeweichten Gebäudeenergiegesetzes sowie die Ausschreibung von neuen großen Gaskraftwerken.

Mehr als 80 Stadtwerke und kommunale Versorgungsunternehmen sind Mitglied im Lobbyverband Gas organisiert – gemeinsam mit Großkonzernen wie Wintershall Dea, Shell und der früheren Gazprom-Tochter Wingas. Sie geben der Organisation Gewicht und Ansehen.

Doch das könnte sich ändern. Mehr als 70 zivilgesellschaftliche Organisationen rufen die Stadtwerke nun gemeinsam dazu auf, den Verband "Zukunft Gas" zu verlassen.

Getragen wird der Aufruf vom Umweltinstitut München, Lobbycontrol, 350.org, Campact, Greenpeace, und dem Weiterso!-Kollektiv. Dazu kommen zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, Biobetriebe und Bürger-Energiegenossenschaften.

Christina Deckwirth, Sprecherin von Lobbycontrol, verweist auf die Verantwortung der kommunalen Betriebe:

Zukunft Gas betreibt mit fragwürdigen Methoden Lobbyarbeit für die Gewinninteressen großer Gaskonzerne. Das treibt uns in die Kostenfalle und verschärft die Klimakrise. Stadtwerke sollten sich nicht vor den Lobby-Karren der Gaslobby spannen lassen.

Die Organisatoren des Aufrufs fordern die Stadtwerke auf, sich für eine "rasche und gerechte Energiewende" einzusetzen. 15 Stadtwerke sind nach zunehmender Kritik an der Gas-Lobby bereits aus dem Verband ausgetreten, anderen haben angekündigt, dasselbe zu tun.

Falk-Wilhelm Schulz, Geschäftsführer der Stadtwerke Tornesch, begründete die Kündigung wie folgt:

Auch wenn wir keinen Cent bezahlt hätten, wären wir ausgestiegen. Die machen nichts anderes, als Gas schönzureden. Das brauchen wir nicht mehr und das ist auch nicht in Ordnung.