BAMF-Affäre: Druck auf Seehofer steigt
Der Bundesinnenminister und CSU-Vorsitzende soll bereits im März von den Vorgängen an der Bremer Außenstelle erfahren haben
Am 10. Mai bestätigte die Bundespolizei der Rheinischen Post, dass sie den am Dienstag nach Italien zurückgeführten Togoer aus Ellwangen, dessen Kameraden der Polizei ein Zwei-Minuten-Ultimatum gestellt hatten, wieder einreisen lassen müsste, wenn er an der Grenze steht: Der Grund dafür ist ein mündlicher Erlass des alten Bundesinnenministers Thomas de Maizière, den sein Nachfolger Horst Seehofer trotz anderslautender Rhetorik bislang nicht zurückgenommen hat. Dazu, warum das nicht geschah und geschieht, äußert er sich bislang nicht.
In Sozialen Medien fragt man sich deshalb, was die auffälligen Buskontrollen in der Nähe der bayerischen Grenzen eigentlich sollen: Womöglich nur vor den Wahlen einen Eindruck erwecken, der ein falscher ist: Es wird kontrolliert, aber nicht zurückgewiesen, wie es das Grundgesetz und die europäischen Verträge eigentlich vorsehen.
Fünf Wochen lang ferngehalten?
Darauf, dass bei Seehofer Reden und Handeln voneinander abweichen, deuten nun auch Berichte hin, wonach er bereits Anfang März darüber informiert gewesen sein müsste, dass die Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in großem Stil unberechtigte Asylanerkennungen vergab und man dort sogar Terrorverdächtigen einen "Schutzstatus" gewährte. Seehofer selbst streitet das bislang ab und behauptet, seine Mitarbeiter hätten die Informationen an ihn fünf Wochen lang nicht weitergeleitet.
Die Informationen stammen von der CSU-abtrünnigen FDP-Politikerin Josefa Schmid, der man Anfang des Jahres die Leitung der Bremer BAMF-Außenstelle übertragen hatte, nachdem ein Mitarbeiter die ehemalige Behördenleiterin Ulrike B. wegen Urkundenfälschung anzeigte, als er mitbekam, dass sie seinen Namen in einer Aktenmanipulation missbraucht hatte. Schmid sah sich daraufhin die Arbeit der Außenstelle von 2015 bis 2018 an und kam zum Ergebnis, dass dort mit einer für sie "nicht nachvollziehbaren kriminellen Energie" Straftaten gedeckt wurden, wovon auch kriminelle Großfamilien profitiert haben könnten.
Netzwerk wie in einer Polizeiserie
B., die früher mit einem Asylanwalt liiert war, hatte sich unter anderem durch Druck auf untergebene und neu eingestellte Mitarbeiter ein Netzwerk aus Mittätern aufgebaut, das von Schmid in einer Weise beschrieben wird, die an den Korpsgeist in Polizeieinheiten aus Serien wie The Shield oder Seven Seconds erinnert. Mitarbeiter, die nicht zu B.s Netzwerk gehörten, berichteten Schmid von ganzen Busfuhren mit Asylbewerbern aus anderen Bundesländern, die sich in Bremen ihre Anerkennung abholten. Erkennungsdienstlichen Behandlungen wurden nicht durchgeführt, in vielen Fällen mussten Antragsteller nicht einmal angebliche Asylgründe erfinden.
Versetzung statt unabhängige Untersuchungskommission
Die unabhängige Untersuchungskommission, die Schmid nach diesen Erkenntnissen forderte, gibt es bis heute noch nicht. Dass diese Kommission unabhängig und nicht im BAMF angesiedelt sein soll, begründete sie mit dem sich ihr aufdrängenden Verdacht, "dass die Zentrale selbst in die Angelegenheit verstrickt ist" und "dass an einer echten Aufklärungsarbeit kein gesteigertes Interesse besteht, um nicht dem Ansehen des Bundesamts zu schaden."
Nachdem die bayerische Staatskanzlei, der der CSU-Chef damals noch vorstand, Schmid den Eingang von Mails mit solchen Informationen zwar bestätigte, aber nicht reagierte, sammelte sie die Straubinger Landtagskandidatin der Liberalen Anfang April in einen fast hundertseitigen Bericht an Seehofers Staatssekretär Stephan Mayer. Als die Nürnberger Nachrichten diesen Bericht öffentlich machten, zog die BAMF-Zentrale Schmid am 9. Mai gegen ihren Willen aus Bremen ab, wogegen sie nun klagt.
Weiterer interner BAMF-Bericht enthüllt völlig unzureichende und folgenlose Regelüberprüfungen
Der Tageszeitung Die Welt ist währenddessen ein anderer interner Bericht des BAMF vom 11. Mai zugespielt worden, in dem die Leiterin des Referats Qualitätssicherung bemängelt, dass die nach drei Jahren vorgeschriebenen Regelüberprüfungen von Asylbewerbern praktisch nie Folgen haben, weil man "regelmäßig" keine Widerrufsverfahren einleitet, auch wenn die Voraussetzungen dafür (beispielsweise wegen falscher Identitätsangaben oder Urlaubsreisen in die Heimat) "bei einer Vielzahl der Verfahren" vorliegen.
Auf diese Weise gelangen Angehörige türkischer Großfamilien, die sich als Syrer oder Iraker ausgeben, an eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Dadurch trage das Bundesamt "durch Unterlassen dazu bei, dass sich Strukturen wie bei gleich gelagerten Fällen der sogenannten Scheinlibanesen-Clans, insbesondere aufhältig in Bremen, bilden und erweitern."
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