BRICS-Gipfel: Bündnis mit Widersprüchen
Neben der geopolitischen Komponente, die vor allem von der Allianz zwischen Moskau und Beijing getragen wird, hat die BRICS auch eine ökonomische Seite
In der chinesischen Hafenstadt Xiamen, eben in jener Region gelegen, in der gerade Tropensturm "Guchol" sein Unwesen treibt, haben sich in der ersten Wochenhälfte die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten zu ihrem jährlichen Gipfel getroffen. Dem jungen Bündnis gehören Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika an.
Die Gruppe wurde Ende des letzten Jahrzehnts gegründet und hat trotz zum Teil erheblicher Differenzen - China und Indien haben erst kurz vor dem Gipfel ihre seit Jahrzehnten schlimmste Konfrontation notdürftige entschärft - Beachtliches zustande gebracht.
Insbesondere haben sie mit der Neuen Bank für Wirtschaftliche Entwicklung (New Development Bank, NDB) und dem Contingent Reserve Arrangement (CRA), einem Währungsfonds der den Zahlungsverkehr erleichtern und bei Zahlungsschwierigkeiten seiner Mitgliedsstaaten helfen soll, zwei wichtige Institutionen geschaffen, die sie von den NATO-Staaten unabhängiger machen.
Diese dominieren die sogenannten Washingtoner Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) und haben darüber in den letzten Jahrzehnten die Weltwirtschaft weitgehend kontrolliert. Unter anderem wurden seit den 1980er Jahren über die Krisenprogramme des IWF in vielen Ländern eine harsche Politik der Privatisierung und der Kürzung bei sozialen Leistungen und der öffentlichen Daseinsvorsorge durchgesetzt, ganz so, wie es derzeit in Griechenland geschieht. Dass allerdings in Brasilien seit einem guten Jahr wieder jene Kräfte das Ruder in der Hand haben, die in den 1980er und 1990er Jahren von der IWF-Politik profitierten, gehört zu den vielen Widersprüchen des BRICS-Bündnisses.
Große Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern
In einer gemeinsamen Abschlusserklärung war von derlei wie üblich genauso wenig die Rede, wie von den Spannungen zwischen China und Indien. Stattdessen wird auf verstärkte Kooperation gesetzt und betont, dass eine multipolare Welt angestrebt werde. Man trete für eine faire und gleichberechtigte internationale Ordnung ein, heißt es in dem Dokument. Diese solle "auf der zentralen Rolle der Vereinten Nationen und den in ihrer Charta festgehaltenen Prinzipien und Zielen" basieren. Ausdrücklich benannt werden in diesem Zusammenhang die Förderung der Demokratie und der Respekt vor dem Völkerrecht, wozu sich sicherlich angesichts der Unterzeichner mancherlei anmerken ließe. Das Ziel sei eine "strahlende gemeinsame Zukunft für die globale Gemeinschaft" ("a brighter shared future for the global community").
Neben der geopolitischen Komponente, die vor allem von der Allianz zwischen Moskau und Beijing getragen wird, hat die BRICS auch eine ökonomische Seite, wie in Xiamen betont wurde. Was diese angeht, so soll die Kooperation vertieft werden und unter anderem im Finanzsektor ausgebaut werden. Dazu gehört, dass der Handel mit Staatsanleihen in den jeweiligen Landewährungen ermöglicht werden soll. Mit dieser Maßnahme könnte die Abhängigkeit vom US-Dollar vermindert werden.
Ansonsten gilt jedoch weiter, dass zum einen die ökonomischen Gewichte innerhalb der BRICS sehr ungleichmäßig verteilt sind und China auf absehbare Zeit die konkurrenzlos dominierende Kraft bleiben wird, und dass zum anderen auch die ökonomische Ausrichtung sehr unterschiedlich ist. Während China seine Industrie praktisch mit Lichtgeschwindigkeit an die Weltspitze treibt und entsprechend die Struktur seiner Exporte verändert und die inländische Wertschöpfung massiv steigern kann, verharrt insbesondere Russland auf dem Niveau eines Rohstoffexporteurs
Rohöl und Erdgas machen über 50 Prozent seiner Exporte aus, wodurch das Land und der Staatshaushalt stark von den Weltmarktpreisen abhängig sind und momentan entsprechend leideen. Für die heimische Industrie ist eine solche Dominanz der Rohstoffexporte, wie man derzeit am Beispiel Russlands aber auch Venezuelas oder Angolas studieren kann, Gift, da durch sie die Währung gestärkt und Importe verbilligt werden. Indien setzt hingegen wie China sehr stark auf industrielle Entwicklung, was sich auch in der Struktur seiner Exporte widerspiegelt, unter denen Fertig- und Halbfertigwaren dominieren. Brasiliens Exportstruktur liegt derweil zwischen den beiden Polen. Der lateinamerikanische Gigant exportiert zwar viele Agrarprodukte und Rohstoffe mit geringer Fertigungstiefe, doch der Anteil von Maschinen, Fahrzeugen und anderen Industrieprodukten an den Ausfuhren ist deutlich höher als im Falle Russlands.
Ansonsten sind die Handelsbeziehungen zwischen den BRICS-Staaten in den letzten 17 Jahren zwar stark angewachsen, aber für China sind noch immer Westeuropa und Nordamerika die mit Abstand wichtigsten Kunden. Russland hat zwar den Austausch mit den USA - gezwungenermaßen - deutlich reduziert, verkauft sein Öl und Gas jedoch noch immer hauptsächlich an EU-Staaten. China nimmt nur etwa acht Prozent der russischen Ausfuhren ab. Zugleich ist die EU auch mit Abstand der größte ausländische Investor in Russland. 75 Prozent des dortigen ausländischen Kapitalbestandes, so schätzt die EU-Kommission kommt aus der Gemeinschaft. Dazu zählt allerdings auch Zypern, wo sich viele russische Firmen angesiedelt haben, um von dort aus im Herkunftsland zu agieren.