BahrainOnline-Vendetta
Im Libanon wird die Zedern-Revolution geprobt; in Bahrain erinnert man sich an traditionell bewährte Mittel gegen allzu große Freiheiten
Der lokalen Presse des kleinen Königreiches war die Verhaftung des jungen Mannes letzten Sonntag nur eine kurze Nachricht wert. Mittlerweile dürfte sich auch der reformerische König sorgenvoll durch den Bart fahren.
Ein Verdächtigter, der Hetze gegen die Regierung beschuldigt, wurde, wie die General-Staatsanwaltschaft mitteilte, gestern in eine 15 tägige Untersuchungshaft genommen.
Seine Verhaftung erfolgte auf einen Hinweis des Informationsministeriums, wonach die von ihm geführte Webseite "Bahrain-Online" Nachrichten, Bilder und Informationen verbreitet, die zu Hass anstiften.
Der Verdächtigte hat ein Eingeständnis in allen Punkten der Anklage abgegeben...
In der Journalisten- und Bloggergemeinde von Bahrain war die Nachricht von der Verhaftung Ali Abdulemams am 27. Februar ein Schock. Schon im November letzten Jahres hatte der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Blogger Mahmood anlässlich der damaligen Verhaftung des Menschenrechtlers Abdel Hadi al-Khawaja verkündet, dass es nicht mehr sicher sei, in Bahrain seine Meinung zu äußern und seinen Blog vorläufig geschlossen (vgl. Ein Königreich gegen die Menschenrechte). Am Tag der Verhaftung von Ali Abdulemam, der das Diskussionsforum Bahrain-Online betrieben hat und einen Blog, überschrieb Mahmood seinen Post mit der Frage: "Is it worth it?" und äußerte - sehr viel vorsichtiger als sonst - seine Entrüstung über das Vorgehen der Behörden:
Die drakonische Art der Verhaftung ist alarmierend. Mit einem Haftbefehl vom Generalstaatsanwalt ausgestattet, kam die Polizei zur Wohnung von Ali Abdulimam und nahm, da er selbst nicht zuhause war, willkürlich seine Schwester mit, um wahrscheinlich sicherzustellen, dass er die Polizei aufsuchen würde...Während ich mich mit meinem Urteil zurückhalte, hoffe ich, dass Ali und andere Bloggerfreunde realisieren, wo die Grenzlinie liegt. Denn wenn man nicht genau weiß, wo sie verläuft, ist das ein gefährliches Unterfangen...Es ist von vitaler Bedeutung, dass man versteht, dass mit der Meinungsfreiheit auch Verantwortung einhergeht. Es geziemt sich für uns zu vergegenwärtigen, dass wir wie "reguläre Journalisten" sicherstellen müssen, dass wir keine Menschen, Symbole oder Wesen diffamieren ohne einen gerechten Grund dafür...Es ist zu früh für mich, um Ali und seine Verhaftung zu beurteilen. Es hat sich jedoch wieder einmal gezeigt, dass die Regierung ihre Grenze überschritten hat, um die Reformversuche des Kronprinzen aus dem Gleis zu bringen.
Strafe von bis zu 20 Jahren möglich
Am darauf folgenden Tag, dem 28.Februar, meldete "Reporter ohne Grenzen" die Verhaftung von zwei weiteren Mitarbeitern des Internetdiskussionsforums Bahrain-Online, Muhammed Almosavi und Hussein Jousif. Obwohl der Bahrainische Herrscher Scheich Hamad Bin Issa al-Khalifa für seine Reformbestrebungen seit Jahren einiges Ansehen genießt, erlaubt das Pressegesetz, das im November 2002 in Kraft trat, zwar die Meinungsfreiheit und die Verbreitung von Meinungen. Aber mit gewissen Einschränkungen, die den Behörden zum Leidwesen der Journalisten jederzeit einen geeigneten Vorwand für die Verhaftung unliebsamer Kritiker liefern - das sattsam bekannte Repertoire aus vielen arabischen Ländern: "Beleidigungen des islamischen Glaubens, der Einheit des Volkes und der Person des Königs" und "Anstiften zu Abspaltung und Zwietracht". Als Strafe stehen dafür drohen sechs Monate bis fünf Jahre Gefängnis.
Einer der Anwälte von Ali Abduleman, Abdullah Hassim, hält gar eine Strafe von bis zu zwanzig Jahren Gefängnis für möglich. Die genauen Anklagepunkte wurden vorgestern von Gulf-News veröffentlicht. Demnach wurden dem Bahrain-Online-Betreiber vom Staatsanwalt Printauszüge von Beiträgen im Diskussionsforum als Beweis für "Anstiftung zum Hass" und "Verbreitung von falschen Informationen" vorgelegt, Statements von Postern unter verschiedenen Namen. Anders als im eingangs zitierten Artikel der Lokalpresse behauptet, negiert Abdulemam die Vorwürfe. Er verteidigt sich damit, dass er zwar die Webseite täglich auf "beleidigendes Material" durchsehen und aktualisieren würde, dass es aber "aufgrund der automatischen Funktionsweise des Chatrooms unmöglich ist, alle beleidigenden ("offensive") Äußerungen zu verhindern."
Größer angelegte Kampagne
Das Diskussionsforum von Bahrain-Online steht nach Angaben von Gulf-News seit Jahren im Mittelpunkt von Kontroversen, da auf der Webseite politische und soziale Debatten geführt würden, die den Kritikern zu weit gehen. Oppositionsgruppen hätten das Forum regelmäßig benutzt; "Schlüsselfiguren" der Opposition sollen dort regelmäßig Artikel publizieren.
Die couragierte Bahrainische Bloggerin Bahrainia erkennt in den Verhaftungen der Bahrain-Online-Moderatoren den Beginn einer größeren Kampagne seitens der Regierung gegen oppositionelle Stimmen. Nach ihren jüngsten Informationen, von denen sie heute berichtet, sollen mehr als 30 Leute auf der Liste derjenigen stehen, die sich der Polizei für Anhörungen stellen müssen.
Die Anhörungen sind nicht so leichter Natur, wie ich gedacht habe, und ich verstehe nun, warum man sie für 15 Tage in Gewahrsam halten will. Sie werden von 10 Uhr bis 6 jeden Tag verhört mit der Art von Fragetechnik, die sie erschöpft zurücklässt. Offensichtlich hat die Polizei Tausende von Seiten Printauszüge von jedem einzelnen Artikel, der jemals den König auf der Webseite in den letzten Jahren kritisiert hat. Sie wollen sogar die Identität von denen herausfinden, die unter Pseudonym schreiben, und deren Emails.
Zwar war gestern auf Bahrainias Blog noch das Foto von Muhammed Almosavi und Hussein Jousif zu sehen, die in Handschellen vor dem Generalstaatsanwalt sitzen und zuversichtlich, auf jeden Fall in scheinbar bester Laune, lächeln, doch in ihrem Posting deutete sie bereits die ernstzunehmende Dimension des Internet-Crack-Downs in Bahrain an.
Ein weiterer Webseitenbetreiber wurde vor dem Generalstaatsanwalt für morgen vorgeladen. Und weitere Webseiten geblockt: www.alduraz.net und alduraz.com...Scheint sich also um mehr zu handeln als nur um eine bloße BahrainOnline vendetta.
Heute glaubt sie nicht mehr daran, dass sich der reformerische König gegen die reaktionären Kräfte in der Regierung in diesem Fall durchsetzen kann.
Nennt mich einen Pessimisten, aber ich habe das Gefühl in meinen Eingeweiden, dass der König seine Gnadenerlasse überstrapaziert hat und dass die Jungs diesmal mit einer Gefängnisstrafe rechnen müssen.
Im November letzten Jahres hatte der König König Sheich Hamad Bin Isa Al-Khalifa den Menschenrechtsaktivisten Al-Khawaja Stunden nach der Urteilsverkündung begnadigt - ohne allerdings das Urteil selbst aufzuheben.