Banken und Moralverlust
Unter Bankstern - Teil 8
Teil 7: Machtspiele im Spielcasino
Dialektik für die Banken
Banken müssen mit ihrer falschen Programmierung brechen, wenn sie in einem von Innovationen geprägten Umfeld überleben wollen. Bankmanager sind Anti-Dialektiker. Sie können mit Widerspruch und fremden Denkfiguren nicht umgehen. Wer jedoch Risk-Management ohne dialektisches Denken betreiben will, strebt nach einer rosaroten Welt, bei dem Risiken im allgemeinen Freudentaumel steigender Kurse so lange verschleiert werden, bis die Blasen ihr maximales Volumen erreichen und dann unter Pauken und Trompeten platzen. Erst wenn Bankmanager sich der Gegensätze bewusst werden und Quereinsteiger bei Banken zur Norm und nicht zur Ausnahme werden, können sich diese ihres allgemeinen Fachidiotentums entledigen.
So wie naturwissenschaftliche Durchbrüche eine Folge jeweiligen dialektischen Denkens waren, so können auch neue Innovationen im Bankwesen, wie zum Beispiel mehr Frauen in die Verantwortung zu ziehen, nur durch eine neue Form der Dialektik in Banken gefunden werden. Militärische Umgangsformen sind in Banken ebenso wenig angebracht wie die bevorzugte Elfenbeinturmmentalität unter Vorstandskollegen. Dialektik darf jedoch auch nicht missverstanden werden, sich mit Widersprüchen abzufinden, sondern diese aufzulösen und möglichst viele Mitarbeiter in den notwendigen Prozess des Wandels mit einzubeziehen. Bankmanager müssen lernen, ihre Grundpositionen permanent zu überprüfen, diese und sich selbst in Frage zu stellen. Ohne Reflexion und Dialektik lassen sich moralische Positionen von Bankmanagern nicht zurückerobern.
Reflexionen über Tugenden
Bankmanager benötigen Moral. Die vielen Beispiele von Bankenpleiten legen es nahe, dass Banker dringend wieder einen kategorischen Imperativ im Sinne Kants benötigen. Ein Bankier sollte so handeln, dass seine Maxime des Handelns die Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte. Betrachtet man das betrügerische Handeln, so bietet dieses Handeln heutzutage nur die Grundlage einer allgemeinen Verurteilung. Die alte Weisheit: "Geld verdirbt den Charakter" zeigt sich besonders bei Bankmanagern, die häufiger als andere Berufsklassen unmoralisch bis kriminell handeln. Laotse wusste schon:
Gebt auf den Reichtum, werft weg den Gewinn und Diebe und Räuber wird es nicht mehr geben.
Bankmanager begehren das Geld ihrer Kunden und sehen nicht mehr das Innere, das Wesentliche. Statussymbole wie Luxushäuser, Yachten oder Ferraris, die sie sich mit überhöhten Gehaltszahlungen leisten, sind nur äußere Erscheinungsformen des Begehrens und des Strebens nach mehr, welches sich nicht ohne Moralverlust erreichen lässt. Dabei wäre es gerade der Verzicht des Akkumulierens von Kapital um jeden Preis, der den Diebstahl der Banken an ihren Kunden verhindern würde. Bankmanager müssen lernen, dass es besser ist, ein Gefäß nicht bis zum Rande zu füllen, wenn man ein Überlaufen verhindern will.
Wer zu viel Reichtum anhäuft, wird es früher oder später verlieren, wenn er nicht die moralische Stärke zum Teilen entwickelt. Wer zu viel hat, hat im Grunde genommen wenig, weil er den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Letztlich gilt der Satz: Ein zu viel an Besitz besitzt den Besitzenden, was nichts anderes bedeutet, dass Bankmanager, die immer mehr Geld horten, am Schluss von diesem versklavt werden und wenn es schief geht, alles verlieren können. Wären die Bankmanager in ihrer Gier behutsamer, wäre ihr Wirken beständiger. So jedoch stolpern sie von einer Finanzkrise in die andere und zerstören mehr, als sie aufbauen können. Da alles in der Natur zum Ursprung zurückkehrt, können auch Banken diesem Gesetz nicht die Stirn bieten. Früher oder später machen sie in ihrem Gewinnstreben Fehler, die sie wieder auf ein Normalmass herunterstufen, würde es da nicht die Opfer in Form der Kunden geben, die sie zurücklassen. Das zu viel an Begehren der Banken führt in Finanzkrisen zu deren Verausgabung und im Extremfall sogar zum Konkurs. Laotse sagt, dass es keine größere Schwäche gibt als das Begehren und keine größere Sünde als die Habgier, beides Symptome eines Moralverlustes, der nicht nur das Finanzwesen ergriffen hat.
Banken müssen wieder lernen, dass Nicht-Handeln oftmals die bessere Alternative ist, um die Welt zu gewinnen, statt durch Handeln alles zu verlieren. Es ist für Bankmanager besser, das Große im Kleinen zu erreichen, das heißt, zufriedene Kunden zu haben, als durch Megafusionen die Unzufriedenheit der Kunden und Mitarbeiter in eine neue Dimension zu führen. Das höchste moralische Handeln für Unternehmer ist, aufgrund eigener Innovationen anstatt durch Übernahmen zu wachsen, da nur derjenige, der nichts Großes anstrebt, letztlich auch Großes erreichen wird. Banken, die ihren Kunden hohe Gewinne versprechen, halten meist wenig, während diejenigen, die versuchen, den Wert der Anlagen ihrer Kunden zu erhalten, das Höchste verdienen: Anerkennung.
Auf dem Weg zum ökonomischen Rassismus
Wortbruch von Bankmanagern, Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder die ungerechtfertige Kündigung von Krediten sind Ausprägungen eines Moralverlustes, der ein ganzes Gewerbe erfasst hat. Wenn Gewinne eingestrichen werden, für Milliardenverluste jedoch die Steuerzahler haften sollen, zeigt dies, dass unsere Gesellschaft ein Moralverständnis entwickelt hat, welches die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht. Die Moral treibt asymptotisch gegen Null, je größer die Ungleichgewichte in einer Gesellschaft werden. Es kommt nicht von ungefähr, dass Revolutionen meist blutig enden, da ihr Ausbruch von einem extremen Moralverlust gekennzeichnet ist.
Die Entwicklungspsychologin Gertrud Nunner-Winkler sieht die Ursachen des Moralverlustes darin, dass inzwischen fast alle Bereiche des Lebens einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen werden. Das Gewinndenken der Ökonomie verträgt sich immer weniger mit der Moral, der die Idee der Gerechtigkeit zugrunde liegt. Je mehr die Ökonomie den Kriterien der Effizienz unterworfen wird, desto weniger können sich die Bankmanager scheinbar moralische Prinzipien leisten, wenn sie überleben wollen. Die Geldgier als Grund für unmoralisches Verhalten ist für sie wie ein Krebsgeschwür, welches sie nicht mehr loswerden. Bildet die Geldgier in Banken immer mehr Metastasen, dann gerät ein Unternehmen in einen Zustand, bei dem nur noch eine Chemotherapie in Form neuer Finanzspritzen oder eine Operation durch Abtrennen von Geschäftseinheiten helfen kann. Es ist eigentlich eine groteske Situation, dass die Zunahme der Komplexität in unserer heutigen Gesellschaft die Anforderungen an die moralische Kompetenz steigen lässt, während diese scheinbar durch die Gier nach immer mehr Geld laufend abnimmt.
Die in theoretischen Abhandlungen vertretene These, der Kunde sei König, ist in der Welt der Banken nicht mehr ernst zu nehmen. Heute sind die Kunden Opfer der Banken, die wie Lämmer am Altar ausgeschlachtet werden. Ob Fondskäufe oder risikoreiche Aktienanlagen, es wird dem Kunden alles verkauft, was Umsatz bringt. Die Top-Manager ganz oben müssen die Umsätze und die Aktienkurse steigern, da ihre Gehälter daran gekoppelt sind, wodurch eine Spirale des Wachstums entsteht, die nicht mehr an der eigentlichen Leistung orientiert ist. Wie sonst kann es sein, dass noch während des Beginns der Finanzkrise viele Bankmanager ihre Tantiemen bekamen, obwohl die Banken massive Verluste einfuhren. Besonders problematisch wird der Moralverlust dann, wenn Banken versuchen, Fehlspekulationen zu verbergen, um keine Gehaltsverluste hinnehmen zu müssen. Was zu Bilanzfälschungen oder zur Gründung dubioser Tochterfirmen in der Karibik führt.
Wenn sich die Mächtigen im Vorstand gegen die weniger Mächtigen durchsetzen, kann ein System nur dann unbeschadet bleiben, wenn Macht auch mit Moral gekoppelt ist. Das Noch-Größer-Werden, um andere unter sich zu haben und zu dominieren, ist verwerflich, weil es das Prinzip der Nächstenliebe und des Wohlwollens ausklammert. Nicht die Menschen müssen sich den Ordnungsprinzipien der Banken anpassen, sondern die Banken müssen den Kunden dienen. Wer meint, man müsse die Menschen den Banken anpassen, betreibt nichts anderes als ökonomischen Rassismus, von dem der Weg zu höher- und minderwertigen Kunden nicht mehr weit ist. Es ist deshalb nicht abwegig zu behaupten, dass Banken, die eine scharfe Trennung von Privat- und Geschäftskunden vornehmen, eine Form von Wirtschaftsrassismus praktizieren.
Die Herstatt-Pleite
Die Herstatt-Bank, eine Kölner Privatbank im Besitz von Iwan David Herstatt, ging im Juni 1974 in Konkurs. Ihr Zusammenbruch war die damals größte Bankenpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nach dem Wegfall der Koppelung der europäischen Währungen an den US-Dollar entwickelten sich Spekulationen mit Devisen zum Hauptgeschäftsfeld der Herstatt-Bank. Die Devisenabteilung unter Leitung von Dany Dattel arbeitete weitgehend ohne Kontrolle. Zwar durften die Händler nur bis zu zehn Millionen US-Dollar Devisen kaufen, jedoch wurden diese Auflagen durch Strohmänner umgangen. Als die Goldjungs der Herstatt-Bank nach der Ölkrise 1973 auf den steigenden US-Dollar setzten, erreichte deren Spekulation ein Volumen von etwa acht Milliarden US-Dollar.
Als der Dollarkurs zu fallen begann, verschlechterte sich die Eigenkapitalbasis der Bank rapide. Am 16. Juni 1974 musste Herstatt dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Gerling einen Verlust von 500 Millionen DM mitteilen, bei einem Eigenkapital von nur 77 Millionen DM. Als ein Rettungsversuch scheiterte, verfügte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Schließung der Schalter in Köln und Bonn am 26. Juni 1974. Aus dem Restvermögen der Bank, einem Feuerwehrfonds der deutschen Privatbanken und dem Vermögen von Herstatt und Gerling gelang es, die Gläubiger größtenteils auszuzahlen.
Hans Gerling musste zur Befriedigung der Ansprüche 51 Prozent der Anteile an der Gerling-Holding an ein Deutsches Industriekonsortium (VHDI) und die Deutsche Bank verkaufen. So erhielten Privatkunden ihre Einlagen zu mehr als 80 Prozent zurück. Sparer mit Einlagen unter 20.000 DM sogar vollständig. Banken und Kommunen mussten sich mit einer Rückzahlungsquote von 65,4 Prozent begnügen. Als Folge des Herstatt-Konkurses wurde von den deutschen Banken ein Einlagensicherungsfonds gegründet, um ihre Sparer vor den Folgen einer Bankeninsolvenz zu schützen.
Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.
Die Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co (auch SMH-Bank genannt) war eine deutsche Privatbank mit Sitz in Hamburg. Im Jahr 1983 stand die Hamburger Privatbank, die von Ferdinand Graf von Galen geleitet wurde, kurz vor der Insolvenz. Die Insolvenz des Baumaschinenkönigs Esch war eine der spektakulärsten Pleiten der Nachkriegszeit. "Nur ein dritter Weltkrieg kann mich stoppen", lautete die Philosophie von Horst-Dieter Esch, der die Bankiers in Hamburg derart mit seinen Versprechungen eingeseift hatte, dass diese sogar die Existenz der Bank aufs Spiel setzten. Esch, der mit Aufkäufen teilweise maroder mittelständischer Bauunternehmen den damals drittgrößten Baumaschinen-Konzern der Welt, die IBH-Holding, geformt hatte, gelang es, die renommierte Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. (SMH) zu seiner Hausbank zu machen.
Esch spekulierte vorwiegend mit fremdem Geld, strich aber jeweils dicke Provisionen für seine Firmentransaktionen ein. Die SMH-Bank setzte darauf, dass Esch mit dem Umsatz von morgen die Kredite von gestern bezahlen könnte. Graf von Galen feierte in seiner Acht-Millionen-Villa rauschende Feste, ganz im Stile des Zeitungszaren Randolph Hearst, ohne sich nur einen Hauch um die Risiken seines Investments zu kümmern. Als das Kartenhaus von Esch zusammenbrach und sein Konzern mit 15.000 Mitarbeitern und zweieinhalb Milliarden DM Jahresumsatz zahlungsunfähig wurde, waren nahezu eine Milliarde Mark Schulden aufgelaufen. Nachdem die Kredite von Esch geplatzt waren, konnte das Bankhaus SMH nur noch durch eine Rettungsaktion von 20 deutschen Banken vor dem sicheren Ruin bewahrt werden.
Ferdinand Graf Galen kam wegen Betrugs ins Gefängnis. Esch wurde 1984 verhaftet und büsste vier Jahre im Gefängnis ab. Noch am Tag seiner Haftentlassung im Juli 1989 saß Esch mit seiner Familie im Flugzeug in die USA, wo er, obwohl offiziell pleite, mit einer Modelagentur eine zweite Unternehmerkarriere startete. Nicht so glimpflich kam die SMH-Bank davon. Sie wurde am 11. Dezember 1983 von der britischen Lloyds Bank geschluckt. 1997 kam sie schließlich in den Besitz der schweizerischen Großbank UBS. Die UBS wollte mit der Akquisition ihr Geschäft mit vermögenden Privatkunden und das Investmentbanking stärken. 2001 wurde das Bankhaus dann in die UBS Private Banking Deutschland AG, danach in UBS Wealth Management AG und später in UBS Deutschland AG umbenannt, wobei die Namen Schröder, Münchmeyer und Hengst dann endgültig aus der deutschen Bankenlandschaft verschwanden.
Schmiergelder für Politiker und Banker
Der italienische Lebensmittelkonzern Parmalat, der zu Europas größten Molkereiunternehmen zählte, musste im Dezember 2003 Insolvenz anmelden, als in der Bilanz von Parmalat ein Fehlbetrag von acht Milliarden Euro sichtbar wurde. Wie die Bank of America aufdeckte, wies die im Jahr 1999 von Parmalat auf den Cayman Islands gegründete Tochterfirma Bonlat in ihrer Bilanz fiktive Posten in der Größenordnung von 3,95 Milliarden Euro auf. Premierminister Silvio Berlusconi veranlasste darauf Ermittlungen wegen Betruges und berief Enrico Bondi zum Sanierer des Unternehmens. Der Firmengründer Calisto Tanzi, einst Symbol unbeschränkten italienischen Unternehmererfolgs, wurde wenige Stunden nach der Insolvenzerklärung verhaftet und wegen Finanzbetrug und Geldwäsche angeklagt. Ohne Mithilfe der Banken wäre ein Betrug in der Größenordnung von 23 Milliarden Euro jedoch nicht möglich gewesen.
Allein bei der römischen Bank Capitalia fehlten 1,5 Milliarden Euro, weitere 700 Millionen bei der Bank of America. Besonders einfallsreich war auch die Citigroup, die eine Off-Shore-Gesellschaft mit der Bezeichnung Buconero im Wert von 500 Millionen Euro erfunden hatte. Die Deutsche Bank, die eine 5-Prozent-Beteiligung an Parmalat besaß, hatte noch kurz vor dem Bekanntwerden des Skandals für Parmalat eine Anleihe von 350 Millionen Euro aufgelegt. Wenn wundert es, stand doch der Italien-Chef der Deutschen Bank, Vincenzo De Bustis, in enger Beziehung zur Familie des festgenommenen Parmalat-Gründers Calisto Tanzi.
Folgerichtig reichte Bondi gegen 45 Banken Klagen ein, wobei gegen vier Banken, darunter die Citibank, Morgan Stanley, die UBS und die Deutsche Bank, Ermittlungen aufgenommen wurden. Jahrelang hatten sich die Parmalat-Bosse bei Bankern und Politikern mit Schmiergeldern bedankt. Die Staatsanwaltschaft warf der Deutschen Bank und vier weiteren Kreditinstituten vor, durch Anleiheemissionen nur Monate vor der Insolvenz des italienischen Lebensmittelkonzerns den Börsenkurs manipuliert und so beachtliche Gewinne realisiert zu haben. Konkret wurde drei Managern der Deutschen Bank vorgeworfen, im Zusammenhang mit der Auflage der Euro-Anleihe "Falschmeldungen verbreitet" zu haben. Im September 2005 begann der Strafprozess gegen Calisto Tanzi in Mailand wegen betrügerischem Bankrott, Bilanzfälschung und Veruntreuung von Firmengeldern, der bis heute noch nicht abgeschlossen ist.
Der Berliner Bankensumpf
Dass sich ehemalige Führungskräfte der Berliner Bank repräsentative Villen mit viel zu geringen Mieten genehmigten oder sich der ehemalige Chef der Weberbank umfangreiche Umbauarbeiten auf Bankkosten finanzieren ließen, sind nur die sichtbaren Spitzen eines Eisberges, dessen Größe schwer abschätzen ist. Als im Januar 1994 in Berlin von der Großen Koalition aus CDU/SPD unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) die BankGesellschaft Berlin AG (BGB) als Zusammenschluss der Berliner Bank AG, der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG und der Landesbank Berlin (Berliner Sparkasse) gegründet wurde, war die Welt noch in Ordnung. Nachdem Berlin Sitz der Bundesregierung geworden war, wollte Berlins Landesregierung die Stadt auch zu einer internationalen Finanz-Metropole machen.
Dass dies nur durch Drehen eines großen Rades geht, wissen wir bereits von früheren Bankenpleiten. Die Gewinne der neuen Superbank sollten die immer größeren Haushaltslöcher in Berlin stopfen. Das spekulative Immobiliengeschäft sollte das Gros der Gewinne liefern. Leider stellte sich nach zehn Jahren heraus, dass die Gewinne nur in die Taschen der Banker, Politiker und Unternehmer flossen, die Bank jedoch auf einem Schuldenberg von mindestens 25 Milliarden Euro saß. Besonderes bemerkenswert war, dass keiner der vielen Aufsichtsräte von einer solchen Riesensumme an Verlusten etwas mitbekommen haben soll. Wie bei solchen Riesenverlusten üblich, durfte die Bank nicht pleite gehen, also musste der Staat, sprich: die Steuerzahler, das Risiko decken. Damit man von dem skandalbehafteten Namen BankGesellschaft wegkam, wurde die Bank im Herbst 2006 in Landesbank Berlin Holding AG (LBB) umbenannt und im August 2007 für 5,3 Milliarden Euro an den Deutschen Sparkassen- und Giro-Verband (DSGV) verkauft. Damit war finanztechnisch einer der größten Bankenskandale der Nachkriegszeit abgeschlossen.
Juristisch ging die Posse jedoch weiter. Obwohl einem Hauptangeklagten Verhandlungsunfähigkeit attestiert wurde, ließ er es sich nicht nehmen, seinen angeschlagenen Gesundheitszustand dadurch zu demonstrieren, dass er den Berlin-Marathon lief. Letztlich wurden am 21. März 2007 nach 20 Monaten Verhandlungen vom Landgericht Berlin die Urteile gesprochen. Ex-Berlin Hypo-Chef Landowsky wurde wegen Untreue zu einer 16-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt, vier weitere der 13 angeklagten Bankmanager erhielten ebenfalls Bewährungsstrafen zwischen 12 und 16 Monaten. Die übrigen acht Angeklagten wurden freigesprochen. Wer 25 Milliarden Euro verjubelt hat und mit so geringen Strafen davonkommt, kann sich glücklich schätzen, wurde doch im Gegensatz zu ihnen der Worldcom-Chef Bernard Ebbers im Jahr 2005 in den USA aufgrund seiner Fehlleistungen zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.
Das Wegsehen von Herrn Kopper
Wenn Macht keine Moral kennt, wie im Falle von Hilmar Kopper, der in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank den unfähigen Vorstandsvorsitzenden von DaimlerChrysler, Jürgen Schrempp, lange Jahre gewähren ließ, sind Milliardenverluste und Korruption vorprogrammiert. Die so genannte Gerechtigkeitslücke, die nicht nur in Deutschland zu Tage tritt, hat ihre Hauptursache im Verlust der Moral und des Anstandes der Führungskräfte eines Landes. Manager, die Verluste vertuschen, und Kontrolleure, die nichts merken oder merken wollen, kennzeichnen viele Unternehmensskandale, wie auch bei Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD).
Kriminelle Machenschaften brachten den Traditionskonzern 1996 an den Rand des Abgrunds, wobei die Aufsichtsräte jahrelang tatenlos zusahen. Wenn einer Bank die Hälfte der Aktien eines Konzerns gehört, wie der Deutschen Bank die KHD-Anteile, sollte man davon ausgehen können, dass der Vorstand kontrolliert und nicht subventioniert wird. Noch Anfang 1995 ließ Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper über 500 Millionen DM in die Firma KHD pumpen. Doch Pumpen und Risikokontrolle sind zwei verschiedene Aktivitäten, wobei die erstere die zweite nicht einschließen muss. Betrachtet man das Ergebnis einer damaligen Untersuchung der Universität Mannheim, dass sich Unternehmen, in denen Banken als Kontrolleure, Aktionäre und Kreditgeber mitmischen, sich schlechter entwickeln als unabhängige Unternehmen, ist es kein Wunder, dass sich KHD unter der Aufsicht der Deutschen Bank als ein Musterbeispiel für Missmanagement entwickelte und von einer Krise in die nächste stolperte.
Auch vom "Reich, in dem die Sonne nie untergeht", der "Hochzeit im Himmel" und der Welt AG blieb außer einem Scherbenhaufen unter der Kontrolle von Hilmar Kopper nichts übrig. Der coole Schrempp, der sich schon im Olymp des Autohimmels sah, hat außer Milliardengräbern beim schwäbischen Autobauer DaimlerChrysler AG nichts Bleibendes hinterlassen. Insgesamt haben die 20 Jahre Missmanagement und katastrophale Unternehmensbeteiligungen unter der Ägide von Edzard Reuter und Jürgen E. Schrempp (AEG, Cap Gemini, Metallgesellschaft, Fokker, Chrysler) den Stuttgarter Konzern mehr als 60 Milliarden Euro gekostet. Unter der Aufsicht von inkompetenten Bankmanagern drehte sich das Stuttgarter Traditionsunternehmen im Kreise, um letztlich wieder zu seinen Wurzeln, der Stammmarke Mercedes, zurückzukehren.
Dass Hilmar Kopper den an Größenwahn leidenden Schrempp nicht stoppte, ist eine der größten Fehlleistungen, die sich ein Aufsichtsrat im Nachkriegsdeutschland geleistet hat und die durch nichts zu entschuldigen ist. Selbst ein Blinder mit Krückstock konnte sehen, dass man in den Führungsetagen von DaimlerChrysler die Bodenhaftung verloren hatte. Dass ein dermaßen schlechter Vorstandsvorsitzender durch Aktienoptionen nach seinem Rücktritt noch über 50 Millionen Euro kassiert hat, während er in seiner Amtszeit Milliarden durch Missmanagement verspekuliert hat, setzt dem Fass die Krone auf. Die prestigeträchtige Ämteranhäufung von Aufsichtsratsmandaten, der viele Banker unterliegen, verhindert dass diese ihre Jobs richtig machen. Die Herren der Deutschen Bank scheinen mit ihren Aufsichtsratsmandaten hoffnungslos überfordert zu sein, da sie es nicht einmal in den Firmen, wo sie direkt beteiligt sind schaffe, ein wirksames Risk-Management zu betreiben. Anstatt diesem wollen sie lieber Notfonds in Form von "Bad Banks" gründen.
Die West LB: Desaster-Bank
Was passiert, wenn Landesbanken in die Schusslinie geraten, konnte man während der Finanzkrise 2007 bei der West LB deutlich sehen. Die dort agierenden Manager agierten nicht nur wie aufgescheuchte Hühner, viel schlimmer sie waren völlig kopflos. Als Thomas Fischer gehen musste, wurde sein Nachfolger der frühere HSH-Nordbank-Chef Alexander Stuhlmann. Liest man die Geschichte der West LB, so ist diese die bundesdeutsche Skandalbank schlechthin. Bereits kurz nach der Gründung Anfang der 1970er Jahre setzten die Banker mit Devisengeschäften und faulen Krediten für marode Unternehmen Milliarden in den Sand. Der erste Chef der West LB, Ludwig Poullain, musste genauso gehen wie wenige Jahre später sein Nachfolger Johannes Völling. Danach sollte es Friedel Neuber richten und in der Tat stand er 18 Jahre lang an der Spitze der West LB, bis er aufgrund von Filzvorwürfen über gesponserte Urlaubs- und Dienstreisen von SPD-Politikern zurücktreten musste. Zu den besonderen Schmankerln bei der WestLB unter der Ägide Neubers zählt ihr Aufstieg zum größten Spielbankier Deutschlands.
Banking ist ein feines und diskretes Geschäft, deshalb gilt es, Geld zu scheffeln, wo immer es nur möglich ist. Dabei sammelt man nicht nur Eigenmittel ein, sondern über die Spielbanken half man den Spielsüchtigen, Eigenmittel zu verzocken, um die Rendite der Bank zu erhöhen. Hauptdarsteller dieses profitablen Geschäftszweiges war Wilfried Hollenberg, gelernter Banker und Geschäftsführer der Westdeutschen Spielbanken GmbH, einer West LB-Tochter, die im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen direkt und indirekt Spielbanken und Kasinobeteiligungen betrieb. Dass er als so genannter Nachtarbeiter trotz eines monatlichen Einkommens von damals über 27.000 DM viel weniger Steuern bezahlen musste als der Normalbürger, soll nur am Rande erwähnt werden. Ebenso dass die zweite Geschäftsführerposition bei den Westdeutschen Spielbanken mit einem ehemaligen Banker besetzt wurde, der zuvor bei einer Sparkasse fristlos gekündigt wurde, weil er sich beim Bau seines Eigenheims Handwerkerleistungen erschlichen hatte.
Doch nun vom kleinen Detail wieder zum Gesamtbild. Der Nachfolger Neubers, Jürgen Sengera, stolperte nach nur zwei Jahren an der britischen Investmentbankerin Robin Saunders, wobei ein Kredit an ein marodes Unternehmen der Grund für den Rücktritt war. 2002 schrieb die West LB einen Rekordverlust von 1,7 Milliarden Euro. Dann kam die Zeit von Thomas Fischer, einem ehemaligen Vorstand der Deutschen Bank. Der neue Chef kam zunächst gut an, denn er beschönigte nichts, weder die Verluste noch die Probleme. Während unter Friedel Neubers jahrzehntelanger Herrschaft in der Bank aus Angst vor Repressionen kaum jemand eigene Standpunkte vertreten hatte, versuchte Fischer ein Klima der Offenheit zu schaffen. Fischer, der gerne Cowboystiefel zum Maßanzug trug und dicke Zigarren rauchte, sollte die Landesbank wieder auf Erfolgskurs führen. Doch am Schluss wurde auch Fischer ausgezählt. Er stolperte über die Fehlspekulationen im amerikanischen Hypothekenmarkt. Fischer wurden waghalsige Spekulationsgeschäfte zum Verhängnis.
Im Eigenhandel der West LB, also jener Sparte, in der die Banken auf eigene Rechnung mit Wertpapieren handeln statt im Auftrag von Kunden, setzten Händler darauf, dass sich die Kursdifferenz zwischen Vorzugs- und Stammaktien bestimmter Unternehmen verringern würde. Die Händler der West LB kauften Vorzugsaktien in der Hoffnung auf steigende Kurse und verkauften zeitgleich Stammaktien, die sie nur geliehen hatten, was in der Fachsprache Leerverkauf heißt. So trieb die West LB das Leerverkaufs-Spiel mit Aktien der Metro, von BMW und Volkswagen in ungeahnte Höhen. Fischer stolperte über ein fehlendes Gespür für Risikokontrolle und dies obwohl er doch gerade zur Verbesserung des Risk-Managements zur Bank geholt wurde.
Der Filz zwischen Politik, Industriemanagern und Bankern
Das Einlullen der nach Vergeltung für das Missmanagement der Bankmanager schreienden Bürger durch staatliche Hilfsprogramme sollte nicht die Spurensuche außer acht lassen, wie unfähige Manager wieder recycelt werden. Das Beispiel Sachsen LB offenbart den abgrundtiefen Sumpf an Vetternwirtschaft, in dem die westlichen Eliten ihr Unwesen treiben. So bekam Sven Peterson, Chef der irischen Tochter Sachsen LB Europe mit Sitz in Dublin, welche die Sachsen LB zur Fall brachte, über eine Leipziger Firma einen Beratervertrag für die Sanierung der Altlasten des Freistaates Sachsens. Hierbei arbeitet er mit Bernd Thöde zusammen, der zuletzt als Referatsleiter im sächsischen Finanzministerium für die Kontrolle der Sachsen LB zuständig war: Es gehört zu den größten Absurditäten der Finanzskandale, wenn die Personen, die maßgeblich, sei es durch Misswirtschaft oder Versagen der Kontrolle, zu dem Debakel beigetragen haben, nun diejenigen sein sollen, die den Saustall aufräumen. Manager, die maßgeblich Krisen herbeigeführt haben, sind selbst Altlasten. Sie müssen entsorgt, angeklagt und mit einem Berufsverbot in der Finanzbranche belegt werden.
Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen auf dem Markt für Investmentbanker umsehen. Es soll dort gute Leute geben, die vor Risiken frühzeitig gewarnt haben und jetzt durch das Fehlverhalten ihrer Vorgesetzten auf der Straße stehen. Ein Beispiel aus der Schweiz ist der bei Ausbruch der Kreditkrise im Sommer 2007 von der UBS geschasste CEO Peter Wuffli, der jetzt als Aufsichtsrat für das Bauunternehmen der Karl Steiner-Gruppe arbeitet. Die Begründung der Auswahl von Wuffli aufgrund seiner internationalen Führungserfahrung und Finanzkompetenz sollten den Verantwortlichen eigentlich die Röte ins Gesicht treiben. So finden Vollversager wieder ein adäquates Auffangbecken. Wuffli hat seine Finanzkompetenz schließlich deutlich unter Beweis gestellt, denn wer 50.000.000.000 schweizerische Franken versenkt, weiß zumindest, wie man mit großen Summen umgeht. Auch der Milliardenzocker Jérôme Kerviel ist wieder in Lohn und Brot. Er ist jetzt Berater bei einer IT-Firma. Ein Wunder, wie ein fachfremder Broker über Nacht zum IT-Spezialisten avanciert.
Vetternwirtschaft
Management ist durch die transnationale Arbeitsteilung und Globalisierung zu einem Beruf geworden, der auf Beziehungsnetzwerken aufbaut. Diese Netzwerke schanzen jedem Top-Manager, CEO und Aufsichtsrat immer wieder eine Position zu, die sein Kompetenzniveau bei weitem überschreitet. Wer gerade einen guten Posten braucht, ruft einen Kollegen an, und wenn er diesem in der Vergangenheit geholfen hat, so kann er sicher sein, dass man ihn nicht fallen lässt. In der Welt AG der Topmanager gilt das Prinzip: Eine Hand wäschst die andere. Will man dieses Kartell der Macht unterminieren, bedarf es drastischer Maßnahmen:
- Beschränkung der Aufsichtsratsmandate pro Person auf ein Mandat.
- Entkopplung der Exekutive (Management) und Legislative (Aufsichtsrat): Wer Vorstand eines Unternehmens ist, kann nicht gleichzeitig in einem anderem Unternehmen Aufsichtsrat sein.
- Abschaffung des Stimmrechts bei Aktien, um Kapitalverschachtelungen zu vermeiden.
Diese Maßnahmen sind notwendig, damit Großbanken oder Fondsgesellschaften, insbesondere Hedgefonds, anderen Unternehmen nicht weiter ihren Willen aufzwingen können. Demokratien können sich dauerhaft keinen Monopolkapitalismus leisten, sondern benötigen Unternehmenslenker, die sich selbst reflektieren und verantwortungsbewusst mit der Macht umgehen. Wer die Marktwirtschaft vor Unfreiheit bewahren will, muss die äußere Verfügungsgewalt über Unternehmen einschränken und die innere Macht der Unternehmen stärken. Kapitalgesellschaften mit neutralisiertem Kapital sind eine freiheitliche Alternative, um die Mitarbeiter an der unternehmerischen Willensbildung zu beteiligen. Damit wird sichergestellt, dass feindliche Übernahmen abgewehrt und dass anmaßende Gehaltserhöhungen von Vorständen vermieden werden. Es sollten deshalb nicht Großaktionäre oder Aufsichtsräte die Vorstände bestimmen, sondern die Mitarbeiter gemeinsam mit gewählten Vertretern des Unternehmens. Dies müssten die eigentliche Lehren aus der Profitgier der Manager sein.
Dipl.-Ing. Artur P. Schmidt studierte Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin. Für die Promotion entwickelte er ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bücher wie "Endo-Management" und "Der Wissensnavigator" sowie Wirtschaftsbücher wie "Wohlstand_fuer_alle.com" oder "Crashonomics" hervorgingen. Heute entwickelt der Wirtschaftskybernetiker Lenkungs-Cockpits und ist Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie von Finanzportalen wie www.bankingcockpit.com und www.wallstreetcockpit.com.