Bankenkrise zurück in Deutschland?

Seite 3: Gefangen in der Negativzinspolitik

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Angeführt wird für die schwierige Lage der Banken auch, dass sie im Kreditgeschäft nur noch wenig verdienen. Dafür ist vor allem die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verantwortlich, die nun wahrlich seit geraumer Zeit ausgiebig kritisiert wird. So hatte die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) immer wieder auch auf die Gefahren der ultralockeren Geldpolitik hingewiesen und plädiert seit langem dafür, diese Politik zurückzunehmen. Die Gefahren für die Finanzmarktstabilität würden darüber nicht mehr vermindert, sondern erhöht, schrieb die "Notenbank der Notenbanken" immer wieder. Das Kosten‑Nutzen‑Verhältnis dieser Politik habe sich immer weiter verschlechtert, argumentiert die BIZ schon seit geraumer Zeit.

Doch statt diese Politik zu beenden, wurde sie unter Draghi immer weiter verstärkt. Der senkte den Leitzins praktisch auf Null, sogar Negativzinsen wurden eingeführt und ausgeweitet. So müssen Banken nun zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Gewinne bringt auch das nicht. Während die USA mehr als zaghaft aus dieser Politik ausgestiegen sind, wie sich immer deutlicher zeigt (Die FED drückt sich weiter um versprochene Normalisierung), steigen Draghi und die EZB aber immer tiefer ein. Die umstrittenen Anleihekäufe wurden weiter und weiter ausgeweitet. Nun kauft die Zentralbank in ihrem Gelddruckprogramm auch Firmenanleihen im großen Stil an.

Der Unmut über deren Politik wird zusehends größer. Vor allem die Negativzinspolitik der EZB greife die wichtigste Ertragssäule der Banken an, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) "Die Ertragslage der europäischen Banken ist angespannt", stellte Michael Kemmer angesichts einer Tagung in Frankfurt Ende August fest. Er meinte, dass "ausgerechnet die gesunden und liquiden Banken" besonders davon betroffen seien. Sie würden in ihrer Aufgabe behindert, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.

Neben Reformen bei den Banken drängte er darauf, die EZB müsse den Krisenmodus langfristig aufgeben, da der kein Dauerzustand sein könne. Dass diese dagegen sogar angekündigt hat, die Leitzinsen für sehr lange Zeit auf dem aktuellen Niveau zu halten oder sogar noch weiter zu senken, schüre sogar "eher Konjunkturpessimismus, als dass sie die Nachfrage stärkt". Das Wachstum anzukurbeln hält er für zentral, um auch die Lage der Banken zu verbessern. Und er spricht auch eine Wahrheit an, die in Frankfurt bei der EZB nicht gerne gehört wird, nämlich dass sich hinter ihrer Politik auch ein "kaschierter Abwertungswettlauf" versteckt. Denn über die Abwertung der Währung verschafft man sich für Exporte auf dem Weltmarkt Vorteile.

In einem Deutschlandfunk-Interview wurde Kemmer angesichts der Lage der Deutschen Bank am Mittwoch sogar noch etwas deutlicher: "Es wäre absolut richtig, wenn man die Null-Zins-Politik langsam beenden würde." Doch er verweist auch auf das Problem, dass die Geld-Junkies längst abhängig geworden sind. So säßen alle, "und die EZB an erster Stelle", derzeit "in der Falle", weshalb er wiederum gegen schnelle Zinserhöhungen ist. "Dann haben Sie Abschreibungen auf festverzinsliche Wertpapiere, Sie kriegen möglicherweise konjunkturelle Probleme, Sie kriegen möglicherweise Probleme an den Finanzmärkten", spricht er von einem "Schlamassel" aus dem es "keine ganz einfachen und ganz schnellen Lösungen" gebe. Die Frage ist aber, ob es überhaupt einen Weg heraus aus dem Schlamassel gibt und ob der Punkt nicht längst überschritten ist, an dem eine Umkehr noch möglich gewesen wäre.

Kemmer bietet als Hauptverantwortlichen die Politik an, "insbesondere in den südlichen Ländern". Als Ausweg nennt er nur nebulös "mutige Maßnahmen" der EZB, die mit der Politik gut zusammenspielen müssten. "Da gibt es sicherlich noch ein bisschen Potenzial für eine bessere Kooperation." Ein Rezept aus dem Schlamassel sieht sicher anders aus. Deshalb greift der Bankensprecher die Politik von Draghi gleichzeitig an und verteidigt sie andererseits wieder. Es ist auch hier nur die allgemeine Ratlosigkeit zu spüren, die es auch auf politischer Ebene gibt, wenn nach dem Brexit von einem "Neustart" der Europäischen Gemeinschaft fabuliert wird, bei dem ebenfalls die grundlegenden Probleme ausgeklammert bleiben.

So fragt man sich nun, wie denn Wachstum in Ländern geschaffen werden soll, die unter einem verschärften Sparzwang stehen. Dabei profitieren hoch verschuldete Länder wie Griechenland, Italien, Portugal, Belgien, Zypern und Spanien, deren jeweilige Verschuldung schon über der Marke von 100% der jährlichen Wirtschaftsleistung liegt, besonders davon, dass die EZB mit ihrer Geldpolitik dafür sorgt, dass ihre Schulden über niedrige Zinsen noch tragbar sind. Ein Zinsanstieg würde sehr schnell einige Länder in arge Bedrängnis bringen, darunter auch Frankreich, das sich nur noch knapp unter der Marke befindet.

Und dazu kommt natürlich die große ungelöste Frage, wie überhaupt ein System, das auf ständigem Wachstum basiert, in einer endlichen Welt langfristig überlebensfähig sein soll. Somit ist die Frage, ob das erneute Aufbrechen der Bankenkrise auch in Deutschland nicht nur ein Symptom eine endemischen Krankheit ist, deren Ursachen nicht angegangen werden oder im System gar nicht gelöst werden können.