Bankenkrise zurück in Deutschland?

Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt. Bild: Nordenfan/CC-BY-SA-4.0

Gerüchte um eine Rettung der Deutschen Bank halten sich hartnäckig, sorgen für Kursstürze und ziehen auch die Commerzbank mit

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Dass die europäische Bankenkrise nie vorbei war, ist klar. Deutlich sichtbar schwelte sie in einigen Ländern wie Portugal und Italien weiter. Man konnte aufhorchen, wie auch am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg schon gegen Verbraucherrechte argumentiert wird, weil spanische Banken in Schieflage kommen würden, wenn sie illegal eingenommene Milliarden zurückzahlen müssten. Gerne wird bei den Problemen auf Banken "insbesondere im Süden Europas" fokussiert. Plötzlich rückt aber die Deutsche Bank als möglicher Rettungsfall ins Licht - und das strahlte sofort auch auf die Commerzbank aus, die in der Finanzkrise schon teilweise verstaatlicht wurde. Verantwortlich für die Lage der Banken wird auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gemacht, weshalb der deutsche Bankenverband eine Abkehr von der Nullzinspolitik fordert.

Der Aktienkurs der Deutschen Bank fiel am Montag um 7,5% und damit auf den niedrigsten Wert seit mehr als 30 Jahren. Sogar auf dem Höhepunkt der Finanzkrise waren die Papiere noch mehr wert. Der Kurs gab auch am Dienstag weiter nach und damit hatte die Aktie im zurückliegenden Jahr etwa 60% ihres Werts verloren. Sie kostet nun, nachdem sich der Kurs am Mittwoch wieder etwas erholt hat, nicht einmal mehr 11 Euro. Als vor gut einem Jahr der neue Chef John Cryan die Bank übernahm, war das Papier noch 28 Euro wert. Und vor Ausbruch der Finanzkrise kostete eine Aktie sogar mehr als 100 Euro. Dass sich die Papiere gerade wieder auf niedrigem Niveau stabilisiert haben, ist auch einem Dementi von Cryan geschuldet. Über "Bild" ließ er am Mittwoch für die breiteste Öffentlichkeit verkünden: "Staats-Hilfen sind kein Thema." Er hat dementiert, über eine Hilfe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel schon gesprochen zu haben: "Ich kann nicht verstehen, wie jemand das behaupten kann." Er habe die "Bundeskanzlerin zu keinem Zeitpunkt um Hilfe gebeten" und auch "nichts dergleichen angedeutet." Regierungssprecher Steffen Seibert hatte schon zuvor etwas kryptisch erklärt: "Es gibt keinen Anlass für Spekulationen, wie sie da angestellt werden." Cryan konkretisierte dieses Dementi nun, dabei ist es doch insgesamt mehr als erstaunlich, dass der Chef der größten deutschen Bank, in einem Land, dem doch angeblich so gut gehen soll, sich überhaupt zu der Frage äußern muss, dass die Bank eine Rettung nötig haben könnte. Dass er es noch dazu in der Boulevardzeitung statt in einem Finanzblatt tut, weist auf einen enormen Rechtfertigungsdruck hin.

Dass die größte deutsche Bank angeschlagen ist, ist wahrlich keine Neuigkeit mehr. Doch die Zweifel an der Großbank wurden zuletzt dadurch stark vergrößert, dass ihr in einem der vielen Rechtsstreitigkeiten in den USA eine drakonische Strafe von 14 Milliarden Dollar (etwa 12,5 Milliarden Euro) wegen krummen Hypothekengeschäften vor der Finanzkrise droht. Allein diese Strafe würde die Rückstellungen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro deutlich überschreiten, welche die Bank für mehrere tausend Verfahren zurückgestellt hat, in die sie verwickelt ist.

Eine solche Strafe könnte die Deutsche Bank nicht zahlen. Und Cryan hofft deshalb darauf, dass man sie deutlich herunterhandeln könne. Es sei stets klar gewesen, dass man diese Summe auch gar nicht bezahlen müsse, denn die Ermittler stiegen üblicherweise in solchen Verfahren mit höheren Forderungen ein, als sie letztlich verhängt würden. "Wir gehen davon aus, dass uns das Justizministerium genauso fair behandelt wie die amerikanischen Banken, die sich bereits verglichen haben", fügte der Chef der Großbank in dem Interview an.

Man wolle sich derzeit auch kein Geld an den Kapitalmärkten besorgen. "Die Frage einer Kapitalerhöhung stellt sich derzeit nicht." Das klingt so, als sei das eine Entscheidung der Bank. Tatsächlich dürfte sich die Frage angesichts der abstürzenden Kurse schon deshalb nicht stellen, da kaum damit zu rechnen ist, dass die Bank sie erfolgreich durchziehen könnte. Allerdings meint Cryan, dass die Bank deutlich besser dastehe, "als sie von außen wahrgenommen wird". Er betonte, dass sie "alle aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen" erfülle und nun "weitaus weniger Risiken in den Büchern" habe als früher. Zudem sei sie "komfortabel mit freier Liquidität ausgestattet".

Immer noch too big to fail

Doch gegen alle Dementis halten sich die Gerüchte hartnäckig weiter. Schon am Mittwoch wurden sie wieder durch neue Meldungen konterkariert. So titelte "Die Zeit" in einer Vorabmeldung: "Bundesregierung bereitet Notfallplan für Deutsche Bank vor" Trotz aller Dementi arbeiteten Beamte in Berlin, Brüssel und Frankfurt schon daran. Der Notfallplan solle umgesetzt werden, wenn die Bank zusätzliches Kapital benötige, um ihre Rechtsstreitigkeiten beizulegen und sich das Geld nicht am Markt besorgen kann. Und dann könnten auch Staatshilfen fließen, schreibt die Zeitung.

So erklärt sich auch darüber die Kurserholung durch die Hoffnungen und die Erwartungen darauf, dass im Notfall eben doch wieder Steuergelder fließen würden. Eigentlich sehen die neuen Regeln mit einer Gläubigerbeteiligung (bail-in) etwas ganz anderes vor. Mit bis zu 8% der Bilanzsumme sollen nach der Bankenabwicklungsrichtlinie BRRD, die seit Jahresanfang in Kraft ist, Aktionäre und die Gläubiger (Sparer) zunächst für die Verluste haften, um die Steuerzahler herauszuhalten. Geschützt sind demnach nur noch Einlagen bis 100.000 Euro pro Kunde und Bank.

Der "Bail-in" ist eigentlich ausdrücklich vorgesehen. Doch zeigen bisher auch die Vorgänge in Italien, dass diese Regel nur schwer umgesetzt werden kann. In einem nervösen Markt kann die Gerüchteküche auch dafür sorgen, dass die Aktionäre aus der Aktie fliehen, um nicht an eventuellen Verlusten beteiligt zu werden. Machen das auch die Sparer, wird das schnell sehr bedrohlich. Die Aussagen und Dementis sind deshalb auch auf Beruhigung ausgerichtet. Doch gerade im Fall der Deutschen Bank darf wieder mit dem "Argument" gerechnet werden, dass sie "too big to fail" (zu groß für ein Scheitern) sei und sie deshalb gerettet werden müsse, um allgemeine Verwerfungen im Finanzsystem zu verhindern.

Das war stets auch in der Finanzkrise ein zentrales Ziel. Deshalb wurden oft Vorgänge dementiert, sogar längst mehr oder weniger offensichtlich waren. Deshalb sollte man auch das Dementi, das nun auf den neuen Bericht der Zeit aus dem Finanzministerium kam, nicht sonderlich ernst nehmen. Denn die Finanzkrise hat gelehrt, dass die Halbwertszeiten von Dementis zum Teil sogar auf Stunden zusammengeschrumpft sind.

Da es inzwischen vielleicht bei einigen schon wieder in Vergessenheit geraten sein könnte, sollte daran erinnert werden, dass auch in Deutschland mit der Hypo Real Estate und der Commerzbank) vor gar nicht langer Zeit auch große Geldinstitute ganz oder teilweise verstaatlicht wurden. Und eine Griechenland-Rettung sollte es ja genauso wenig geben wie einen Rettungsfonds, der von einer temporären gegen alle Beteuerungen sogar zur dauerhaften Veranstaltung mutierte.

Schon ein Blick zurück auf die Vorgänge in der akuten Finanzkrise macht zum Teil klar, warum es auch bei der Commerzbank an den Börsen nun wieder deutlich bergab geht. Deren Aktien haben in den letzten Tagen stark an Wert verloren. Sie sind im vergangenen Jahr insgesamt um 36% in den Keller gegangen. Die zweitgrößte Bank in Deutschland hatte sich nach der milliardenschweren Rettung durch den Steuerzahler zwar wieder etwas erholt. Sie wies im vergangenen Jahr einen deutlichen Gewinn von rund einer Milliarde Euro aus und zahlte deshalb den Aktionären erstmals wieder eine Dividende aus.

Doch die Ankündigungen von umfassenden Sparprogrammen wegen einbrechender Gewinne verstärken auch die Zweifel an der Commerzbank weiter. Wurde zunächst berichtet, dass 5000 Stellen gestrichen werden sollen, sollen es nun mit 9000 sogar ein Fünftel aller Stellen werden, hatte das Handelsblatt gerade berichtet. Die geplante Dividende wurde für das laufende Jahr ebenfalls schon gestrichen. Sogar das Ifo-Institut warnt angesichts der Probleme bei der Deutschen Bank und der Commerzbank vor einer neuen Bankenkrise. "Wenn diese Situation anhält, steigen die Risiken einer Krise", sagte Ifo-Chef Clemens Fuest. Der Präsident des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" strengere Kapitalvorschriften für Banken. "Ein zentraler Punkt in der Finanzkrise, den die Politik nicht gelöst hat, ist, dass die Banken genug Eigenkapital haben müssen." Nur wenn die Banken mindestens 8% ihrer Bilanzsumme aufweisen müssten, könnten sie Verluste auffangen und würden den Steuerzahler nicht belasten, wenn sie geschlossen werden müssten.

Gefangen in der Negativzinspolitik

Angeführt wird für die schwierige Lage der Banken auch, dass sie im Kreditgeschäft nur noch wenig verdienen. Dafür ist vor allem die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verantwortlich, die nun wahrlich seit geraumer Zeit ausgiebig kritisiert wird. So hatte die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) immer wieder auch auf die Gefahren der ultralockeren Geldpolitik hingewiesen und plädiert seit langem dafür, diese Politik zurückzunehmen. Die Gefahren für die Finanzmarktstabilität würden darüber nicht mehr vermindert, sondern erhöht, schrieb die "Notenbank der Notenbanken" immer wieder. Das Kosten‑Nutzen‑Verhältnis dieser Politik habe sich immer weiter verschlechtert, argumentiert die BIZ schon seit geraumer Zeit.

Doch statt diese Politik zu beenden, wurde sie unter Draghi immer weiter verstärkt. Der senkte den Leitzins praktisch auf Null, sogar Negativzinsen wurden eingeführt und ausgeweitet. So müssen Banken nun zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Gewinne bringt auch das nicht. Während die USA mehr als zaghaft aus dieser Politik ausgestiegen sind, wie sich immer deutlicher zeigt (Die FED drückt sich weiter um versprochene Normalisierung), steigen Draghi und die EZB aber immer tiefer ein. Die umstrittenen Anleihekäufe wurden weiter und weiter ausgeweitet. Nun kauft die Zentralbank in ihrem Gelddruckprogramm auch Firmenanleihen im großen Stil an.

Der Unmut über deren Politik wird zusehends größer. Vor allem die Negativzinspolitik der EZB greife die wichtigste Ertragssäule der Banken an, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) "Die Ertragslage der europäischen Banken ist angespannt", stellte Michael Kemmer angesichts einer Tagung in Frankfurt Ende August fest. Er meinte, dass "ausgerechnet die gesunden und liquiden Banken" besonders davon betroffen seien. Sie würden in ihrer Aufgabe behindert, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.

Neben Reformen bei den Banken drängte er darauf, die EZB müsse den Krisenmodus langfristig aufgeben, da der kein Dauerzustand sein könne. Dass diese dagegen sogar angekündigt hat, die Leitzinsen für sehr lange Zeit auf dem aktuellen Niveau zu halten oder sogar noch weiter zu senken, schüre sogar "eher Konjunkturpessimismus, als dass sie die Nachfrage stärkt". Das Wachstum anzukurbeln hält er für zentral, um auch die Lage der Banken zu verbessern. Und er spricht auch eine Wahrheit an, die in Frankfurt bei der EZB nicht gerne gehört wird, nämlich dass sich hinter ihrer Politik auch ein "kaschierter Abwertungswettlauf" versteckt. Denn über die Abwertung der Währung verschafft man sich für Exporte auf dem Weltmarkt Vorteile.

In einem Deutschlandfunk-Interview wurde Kemmer angesichts der Lage der Deutschen Bank am Mittwoch sogar noch etwas deutlicher: "Es wäre absolut richtig, wenn man die Null-Zins-Politik langsam beenden würde." Doch er verweist auch auf das Problem, dass die Geld-Junkies längst abhängig geworden sind. So säßen alle, "und die EZB an erster Stelle", derzeit "in der Falle", weshalb er wiederum gegen schnelle Zinserhöhungen ist. "Dann haben Sie Abschreibungen auf festverzinsliche Wertpapiere, Sie kriegen möglicherweise konjunkturelle Probleme, Sie kriegen möglicherweise Probleme an den Finanzmärkten", spricht er von einem "Schlamassel" aus dem es "keine ganz einfachen und ganz schnellen Lösungen" gebe. Die Frage ist aber, ob es überhaupt einen Weg heraus aus dem Schlamassel gibt und ob der Punkt nicht längst überschritten ist, an dem eine Umkehr noch möglich gewesen wäre.

Kemmer bietet als Hauptverantwortlichen die Politik an, "insbesondere in den südlichen Ländern". Als Ausweg nennt er nur nebulös "mutige Maßnahmen" der EZB, die mit der Politik gut zusammenspielen müssten. "Da gibt es sicherlich noch ein bisschen Potenzial für eine bessere Kooperation." Ein Rezept aus dem Schlamassel sieht sicher anders aus. Deshalb greift der Bankensprecher die Politik von Draghi gleichzeitig an und verteidigt sie andererseits wieder. Es ist auch hier nur die allgemeine Ratlosigkeit zu spüren, die es auch auf politischer Ebene gibt, wenn nach dem Brexit von einem "Neustart" der Europäischen Gemeinschaft fabuliert wird, bei dem ebenfalls die grundlegenden Probleme ausgeklammert bleiben.

So fragt man sich nun, wie denn Wachstum in Ländern geschaffen werden soll, die unter einem verschärften Sparzwang stehen. Dabei profitieren hoch verschuldete Länder wie Griechenland, Italien, Portugal, Belgien, Zypern und Spanien, deren jeweilige Verschuldung schon über der Marke von 100% der jährlichen Wirtschaftsleistung liegt, besonders davon, dass die EZB mit ihrer Geldpolitik dafür sorgt, dass ihre Schulden über niedrige Zinsen noch tragbar sind. Ein Zinsanstieg würde sehr schnell einige Länder in arge Bedrängnis bringen, darunter auch Frankreich, das sich nur noch knapp unter der Marke befindet.

Und dazu kommt natürlich die große ungelöste Frage, wie überhaupt ein System, das auf ständigem Wachstum basiert, in einer endlichen Welt langfristig überlebensfähig sein soll. Somit ist die Frage, ob das erneute Aufbrechen der Bankenkrise auch in Deutschland nicht nur ein Symptom eine endemischen Krankheit ist, deren Ursachen nicht angegangen werden oder im System gar nicht gelöst werden können.