Bedenken gegen genetische Vakzine: Kann Nuvaxovid Ungeimpfte überzeugen?

Seite 2: Wirksamkeit

Der Zulassung von Nuvaxovid gingen insgesamt elf Studien in sieben Ländern voraus: zwei Phase-I-Studien, sechs Phase-II-Studien und drei zulassungsrelevante Phase-III-Studien, von denen zwei im renommierten New Engl. J. Med. veröffentlicht sind.4

Maßgeblich sind drei Studien zur klinischen Wirksamkeit und Sicherheit, die in ihren Einschlusskriterien im Wesentlichen übereinstimmen: Teilnehmer(innen) ab 18 Jahre, gesund oder mit stabil behandelten Komorbiditäten, keine Schwangerschaft, keine Immunsuppression durch Chemotherapie oder Autoimmunerkrankung, HIV-negativ oder HIV-positiv mit stabiler antiretroviraler Therapie (Viruslast weniger als 1000 Kopien/ml) und ohne opportunistische Infektion, auch stabile Hepatitis B bzw. C.

Die Einteilung einer symptomatischen Sars-Cov-2-Infektion in leichte, mittelschwere oder schwere Covid-19 für den primären Studienendpunkt erfolgte nach den Kriterien der FDA (U.S. Food and Drug Administration).

In der zulassungsrelevanten amerikanischen Phase-III-Studie Prevent-195 wurden zwischen Ende Dezember 2020 und Ende Februar 2021 29.582 Erwachsene verschiedener Bevölkerungsgruppen an 113 Zentren in den USA und sechs in Mexiko eingeschlossen. Zwei Drittel erhielten Nuvaxovid, ein Drittel Placebo.

In der Studie gingen 25.452 Zweifach-Geimpfte zur Evaluation der relativen Wirksamkeit ein (17.312 Nuvaxovid, 8.140 Placebo). Diese waren im Median über etwa drei Monate nachverfolgt. Unter den Geimpften traten 14 bestätigte Sars-Cov-2-Infektionen auf, unter Placebo 63, entsprechend einer Inzidenz von 3,3 versus 34,0 pro 1.000 Personenjahre.

Hieraus ergibt sich eine relative Wirksamkeit der Impfung mit Nuvaxovid von 90,4 Prozent ab sieben Tage nach der zweiten Dosis. Im Gesamtkollektiv, einschließlich der Einmal-Geimpften, ergab sich eine relative Wirksamkeit von 89,3 Prozent.

Der Covid-19-Verlauf war bei den Nuvaxovid-Geimpften mild, obwohl 52 Prozent ein kalkuliertes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hatten. Nuvaxovid konnte schwere Verläufe in diesem Kollektiv komplett verhindern.

Unter Placebo gab es zehn moderate und vier schwere Erkrankungen. Die Wirksamkeit des Impfstoffs war auch in den Hochrisikogruppen für schwere Verläufe bzw. bei Teilnehmern mit sehr hohem Infektionsrisiko mit 91,0 Prozent hervorragend.

Subgruppenanalysen zeigten keine Unterschiede in Abhängigkeit von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder Art und Zahl Covid-19-assoziierter Risikokonstellationen. Nur bei Probanden spanischer oder lateinamerikanischer Herkunft war die relative Wirksamkeit mit 67 Prozent niedriger, ohne dass es bisher dafür eine Erklärung gibt.

Die relative Wirksamkeit gegenüber allen Virusvarianten betrug 92,6 Prozent, gegenüber der vorherrschenden Alpha-Variante 93,6 Prozent. Aussagen zu jüngeren Varianten bzw. Omikron lassen sich daraus nicht ableiten.

Die zweite zulassungsrelevante Phase-III-Studie, die im N Engl J Med veröffentlicht wurde, war die britische Phase-III-Studie.6 Von Ende September bis Ende November 2020 wurden an 33 Zentren im Vereinigten Königreich Teilnehmer(innen) im Alter von 18 bis 84 Jahren eingeschlossen und eins zu eins randomisiert. Sie erhielten entweder zwei Dosen Nuvaxovid oder Placebo mit einer Nachbeobachtung median bis 28 Tage nach der zweiten Impfdosis.

Aus den insgesamt zehn Erkrankungen im Verum-Kollektiv und 96 in der Placebo-Gruppe errechnet sich eine Inzidenzrate von 6,53 pro 1.000 Teilnehmer(innen) pro Jahr im Vergleich zu 63,43 unter Placebo. Dies entspricht einer relativen Wirksamkeit des Nuvaxovid-Impfstoffs von 89,7 Prozent.

Von den zehn vollständig mit Nuvaxovid Geimpften, die an Covid-19 Erkrankten, musste niemand stationär behandelt werden. Fünf Erkrankte in der Placebo-Gruppe erfüllten dagegen die Kriterien eines schweren Verlaufs.

Sicherheit

Das Sicherheitsprofil von Nuvaxovid wurde aus gepoolten Daten zu Impfreaktionen (Reaktogenität) von fünf laufenden Studien in Südafrika, Vereinigtem Königreich, Australien, USA und Mexiko erstellt.

Folgende Häufigkeiten von NW wurden registriert: Druckempfindlichkeit (75 Prozent) oder Schmerzen an der Einstichstelle (62 Prozent), Müdigkeit (53 Prozent), Myalgie (Muskelschmerzen, 51 Prozent), Kopfschmerz (50 Prozent), Schwäche (41 Prozent), Arthralgie (Gelenkschmerzen, 24 Prozent) und Übelkeit und Brechreiz (15 Prozent).

Die NW waren in der Regel mild bis moderat. Lokale Reaktionen dauerten im Median bis zu zwei Tage, systemische NW meist nicht länger als einen Tag. Jüngere Menschen waren häufiger, über 65-Jährige seltener betroffen, was vermutlich auf die altersbedingte Abnahme der Immunkompetenz zurückzuführen ist.

NW waren am häufigsten nach der zweiten Dosis. Systemische NW, entsprechend Grad drei und vier (schwer bis lebensbedrohlich, siehe Wikipedia: Common Terminology Criteria for Adverse Events), hatten 12,1 Prozent der Geimpften versus 2,1 Prozent bei Placebo. Diese waren insgesamt seltener als bei genbasierten Impfstoffen.

Bisher gab es bei Nuvaxovid keine Meldungen zu schwerwiegenden NW wie Guillain-Barré-Syndrom oder Thrombosen/Thrombozytopenien oder Anaphylaxie, wie sie bei genetischen Impfstoffen beobachtet wurden.7

In der britischen Phase-III-Studie war am Tag drei nach der zweiten Impfung eine Myokarditis aufgetreten, die nach zwei Tagen bereits abgeklungen war.

In jedem Kollektiv der britischen Studie war ein Todesfall bei schwerem Covid-19-Verlauf aufgetreten, wobei der mit Nuvaxovid Geimpfte bereits sieben Tage nach der ersten Dosis – zählt also nicht beim primären Studienendpunkt – Krankheitssymptome entwickelt hatte und 15 Tage nach der Impfung starb. Bei den als schwer eingestuften Nebenwirkungen zeigte sich mit jeweils 0,5 Prozent in beiden Gruppen kein Unterschied.

In einer kleinen Subgruppe der britischen Phase-III-Studie wurden die Probanden zeitgleich mit der ersten Dosis Nuvaxovid am kontralateralen Arm gegen die saisonale Grippe geimpft im Vergleich zu Placebo. Lokale und systemische NW waren bei der Simultanimpfung häufiger als nach der ersten Einzeldosis Nuvaxovid in der Hauptstudie.

Einfluss auf die Fortpflanzung: Studien an weiblichen Ratten mit der 200-fachen humanen intramuskulären Dosis des Sars-CoV-2-Spike-Proteins und der 40-fachen Dosis des Adjuvans Matrix M zeigten keine negativen Einflüsse auf Befruchtung, Schwangerschaft, Stillzeit und postnatale Phase.

Studien zur mutagenen Wirkung von Matrix M waren negativ. Eine Karzinogenität ist nicht zu erwarten. Der Hersteller ist verpflichtet, monatliche Berichte und nach sechs Monaten einen erneuten Sicherheitsreport bei der EMA vorzulegen.

Bewertung und Einschätzung

Im Rückblick über ein Jahr auf die in der EU zugelassenen Sars-Cov-2-Impfstoffe haben sich bei einzelnen Impfstoffen sehr seltene schwerwiegende NW gezeigt, die zu Bedenken bzw. Anwendungsbeschränkungen geführt haben, besonders bei den beiden Vektorimpfstoffen Vaxzevria und Covid-19 Vaccine Janssen (siehe dazu auch "Wie sicher sind die in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe?").

Nach Einschätzung der Autoren des Arzneimittelbriefs gehören dazu:

  • Hypersensitivitäts-Myokarditis, besonders bei Männern unter 30 Jahren nach mRNA-Impfstoffen: höheres Risiko bei Spikevax als bei Comirnaty;
  • vital bedrohliche thrombotische Komplikationen und Thrombozytopenie (Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom-TTS) nach Impfungen mit Vaxzevria;
  • bei wiederholter Anwendung von Vektorimpfstoffen nimmt die relative Wirksamkeit durch neutralisierende Antikörper gegen das Vektorvirus ab;
  • Autoimmunphänomene bzw. Anschub von Autoimmunerkrankungen;
  • etwas höhere Reaktogenität bei Spikevax als bei Comirnaty;
  • Schwangere ab dem zweiten Trimenon und Stillende werden derzeit nur mit mRNA-Impfstoffen geimpft, Personen unter 30 Jahre und Kinder nur mit Comirnaty.

Für den neuen proteinbasierten Impfstoff Nuvaxovid zeichnen sich anhand der vorliegenden Ergebnisse aus klinischen Studien einige Vorteile ab:

  • lang erprobte Herstellungstechnologie analog zu Grippeimpfstoffen;
  • ähnliche und akzeptable Reaktogenität wie bei Comirnaty;
  • bislang keine schwerwiegenden NW in Zulassungsstudien;
  • bessere Lagerfähigkeit und Transportlogistik als bei mRNA-Impfstoffen;
  • Kühlketten mit Minusgraden sind in tropischen Ländern schwer einzuhalten;
  • Alternative für Menschen mit Bedenken gegenüber genbasierten Impfstoffen.

Die abschließende Einschätzung im Arzneimittelbrief lautet:

Novavax hat zugesagt, zum Ende 2021 ca. 150 Mio. Impfdosen pro Monat herstellen zu können; erste Lieferungen nach Europa werden für Januar 2022 erwartet.

Offen ist, welcher der bisher zugelassenen Impfstoffe auf lange Sicht bei ausreichenden Kapazitäten weltweit favorisiert werden wird.

Wissenschaftliche Vergleiche der Impfstoffe untereinander fehlen noch. Der nächste Kandidat mit ähnlicher Technologie, VLA2001 des französischen Unternehmens Valneva, steht bereits in den Startlöchern.

Wie gut künftig die mit größerem Aufwand herzustellenden proteinbasierten Impfstoffe mit dem Tempo des Erscheinens neuer VOCs im Vergleich zu mRNA-Vakzinen Schritt halten werden, kann derzeit nicht beantwortet werden.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.