Bei den Grünen brodelt es

Seite 2: Ukraine-Debatte: Widerstand selbst von alten Realos

3. Während sich die Anti-Atom-Initiativen durch das grüne Regierungshandeln in Windeseile wieder sammeln und aktivieren, ist die Friedensbewegung in der Ukraine-Frage genauso gespalten, wie die friedenspolitisch interessierten Mitglieder der Grünen.

Entzündet hat sich der Streit jeweils an der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine und geht quer durch die Flügel. Linke Promis wie Anton Hofreiter machen den "Frontkämpfer" oder fordern "die Stärkung der Rüstungsindustrie" während Alt-Realos vehement gegen die Lieferung schwerer Waffen argumentiert, mit Blick auf die möglichen Folgen.

Auch hier wurden Parteitagsbeschlüsse und Wahlprogramme in atemraubender Geschwindigkeit den Ereignissen angepasst, ohne jegliche Rückkopplung mit den Mitgliedern oder Bestätigung durch die Gremien.

4. In der Klima- und Energiefrage (Verkehrspolitik, LPG-Terminals …) gibt es ähnliche Konflikte, sie werden lediglich bislang von den genannten Auseinandersetzungen überdeckt.

Fazit: Die Grünen sind mittlerweile eine Volkspartei. Ob sich das auch in gute Wahlergebnisse umsetzen lässt, müssen die nächsten Wahlen zeigen. Bisher war fast jeder Höhenflug vor der nächsten entscheidenden Wahl beendet.

Aber gleichzeitig wurde parteiintern nichts unternommen, um der neuen Rolle gerecht zu werden. Statt wie bei den anderen großen Partei Räume zu schaffen, wo sich die Fachleute und Interessierte treffen und zusammenfinden können, um gemeinsam koordiniert zu handeln, wird die Teilnahme einfacher Basismitglieder laufend erschwert und verkompliziert.

Eigentlich lässt sich nur noch über das Internet eine Beteiligung durchführen. Weniger netzaffine Senior:innen bleiben außen vor, obwohl die Abstimmung zu Anträgen usw. auch per Fax (!) möglich sein sollen.

Hürden für eingebrachte Anträge von Mitgliedern für die Bundesdelegiertenkonferenz (Bundesparteitag) wurden deutlich erhöht, von 20 Unterstützer:innen auf 50. Und das war noch ein Erfolg nach einem harten Kampf der Basis, die "Wünsche" des Bundesvorstandes lagen bei 125!

Diskussionen auf Mailverteiler in einigen Bundesarbeitsgemeinschaften wurden abgeschafft und auf ein externes Forum ausgelagert, wo dann kaum noch was läuft, ein links-gelabelter Verteiler ging auch – bisher unbegründet und unerklärt - vom Netz. Von "oben" werden Videokonferenzen angeboten, wo dem Parteivolk erklärt wird, wie das Leben geht. Nachfragen kaum möglich, Diskussionen – keine Chance!

Koch ist Mitglied der Grünen seit 1993, war als Basismitglied lange Jahre Delegierter in den BAGen Energie und Frieden, 10 Jahre lang Koordinator des AK Atom in der BAG Energie und seit 2000 Mitglied im Orgateam der Unabhängigen Grünen Linken. Er ist Fachbuchautor ("Störfall Atomkraft"). In seiner Heimat, der Vulkaneifel, war und ist er zeitweise kommunalpolitisch und im Parteivorstand aktiv.