Beijing lädt Finanzminister Christian Lindner aus: Kalter Krieg mit China?

Bild: Bundesministerium der Finanzen / Photothek

China verschiebt kurzfristig Besuch des FDP-Politikers. Harsche Kritik von Politikern und Medien – in Deutschland. Sind die Reaktionen übertrieben?

Christian Lindner (FDP) wird nicht nach China reisen. Am Mittwoch wollte sich der deutsche Finanzminister mit seinem Amtskollegen in Peking treffen. Kurzfristig hat die chinesische Seite das Treffen abgesagt. Einige deutsche Medien schäumen vor Wut – anderen westlichen Medien ist der Vorfall keine Nachricht wert.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schreibt von einem diplomatischen Affront Pekings und ruft die deutsche Regierung zur Geschlossenheit auf. Der Spiegel meint, nicht nur der deutsche Finanzminister sei mit der kurzfristigen Absage brüskiert worden. Das sind nur zwei Beispiele für die Aufregung, die sich hierzulande in den Medien kundtut.

Der chinesische Außenminister Qin Gang versuchte am Dienstag zu beruhigen. Am Dienstag weilte er in Berlin zu Besuch bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte er, Lindner sei natürlich in Peking willkommen. Es seien auch bereits viele Vorbereitungen für den Besuch getroffen worden.

Lindner hatte am Montag seine Chinareise abgesagt, nachdem die Regierung in Peking am Wochenende gebeten hatte, den Besuch zu verschieben. Als Grund nannte man "terminliche Gründe", erklärte die Sprecherin des Bundesfinanzministeriums, Nadine Kalwey.

Die chinesische Seite habe auch einen kurzfristigen Ersatztermin vorgeschlagen. Nach dem Treffen der G7-Finanzminister und Zentralbankgouverneure, das von Donnerstag bis Samstag in Japan stattfindet, wäre Lindner in Peking empfangen worden.

"Das war aus logistischen Gründen nicht möglich", sagte Kalwey. Das Treffen werde deshalb zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

Dieser Vorgang hat unter deutschen Politikern heftige Reaktionen hervorgerufen. Und in den Medien wurde spekuliert, er könne etwas mit der Taiwan-Reise von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu tun haben.

Im März hatte sie die Insel besucht, was die Regierung in Peking verärgert hatte. Die chinesische Regierung bezeichnete die Reise damals als "ungeheuerlichen Akt" und war der Regierung in Berlin vor, sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen.

Entsprechend schimpfte nun der FDP-Bundestagsabgeordnete und Außenexperte Frank Müller-Rosentritt: "Ein respektloser Affront nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen uns als freiheitliche liberale Partei".

Wenn Pekings Führung denke, so Müller-Rosentritt weiter, sie könne die deutschen Liberalen mit solchen Aktionen "erziehen", dann sei sie auf dem Holzweg. Die FDP werde auch weiterhin an der Seite des demokratischen Taiwans stehen.

Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter der Grünen, bezeichnete die Terminabsage ebenfalls als "Affront". Er nutzte die Gelegenheit und unterbreitete auf Twitter einen Vorschlag, der die Beziehungen zu China noch weiter belasten könnte. Er schrieb:

Dieser chinesische Affront geht nicht nur die #FDP an. Die richtige Reaktion aus Berlin wäre, dass bald auch je einE MinisterIn von SPD und Grünen nach #Taiwan fliegen. Wir werden uns unsere China-und-Taiwan-Politik nicht aus Beijing diktieren lassen.

Reinhard Bütikofer

Die Frage bleibt allerdings unbeantwortet, ob die Absage tatsächlich etwas mit Lindners wiederholter Kritik an China zu tun hat. Er hatte wiederholt moniert, dass China scheinbar Russland im Krieg gegen die Ukraine unterstützen würde.

Dieser Grund scheint aber unwahrscheinlich, da sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mehrfach in ähnlicher Weise geäußert, ohne dass Treffen mit chinesischen Diplomaten abgesagt wurden.

Verschiedene Medien berichteten am Dienstag ebenfalls, dass Lindner nach der Absage einen Wandel in der deutschen Chinapolitik befürworte. Er wolle eine neue Balance im Verhältnis zu China erreichen, berichtete etwa die Deutsche Presse-Agentur (dpa).

Es gehe um "einen selbstbewussten und realistischen Umgang mit China" und "ein weniger samtpfötiges Auftreten", als es die Vorgängerregierung an den Tag gelegt hätte, sagte Lindner in einem Podcast des Nachrichtenportals The Pioneer. Man lasse sich die liberalen Werte nicht für gute Geschäfte abkaufen.

Diese Worte sind aber keineswegs neu. Im Grundsatz wiederholte er seine Position, die er bereits auf dem Parteitag am 21. April erläutert hatte. Damals sagte er:

Die Samtpfötigkeit, die es teilweise in der Vergangenheit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber China gab, sie war ein Fehler. Es darf niemals der Eindruck entstehen, dass wir uns für gute Geschäfte unsere liberalen Werte abkaufen lassen.

Gegenüber The Pioneer betonte er nun, wer nur auf wirtschaftliche Beziehungen setze, verliere ein Stück der zivilisatorischen Mission. "Wer andererseits nur mit Gesinnung argumentiert, wird nichts bewegen."

Deutschland benötige eine bessere Balance als in der Vergangenheit, als man zu sehr auf die Wirtschaft geschaut habe. Eine Entkopplung der deutschen Wirtschaft vom chinesischen Markt lehnte er jedoch ab. "Trotz unserer systemischen Rivalität wäre es für unsere wirtschaftliche Entwicklung naiv zu glauben, wir könnten uns einfach abkoppeln."

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