Bereiten die deutschen Bischöfe der katholischen Friedensbewegung den "Garaus"?

Die pax christi-Bundesvorsitzende Wiltrud Rösch-Metzler und der friedensbewegte japanische Bischof Taiji Katsuya auf der internationalen katholischen Konferenz "Nonviolence and Just Peace" in Rom, April 2016 (Foto: P. Bürger).

Ein Wirtschaftsberatungsunternehmen hat dem Verband der Diözesen empfohlen, alle Gelder für die Bundesebene der internationalen pax christi-Bewegung zu streichen

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In diesen Tagen verzweifeln hierzulande die Mitglieder der Internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi, darunter der Verfasser, an den deutschen Bischöfen. Seit Jahren schweigen sich die vom Staat besoldeten Oberhirten mehrheitlich aus über die rasant ablaufende Remilitarisierung der deutschen Politik.

Diese bischöfliche Mehrheit agiert dafür nun auf einem anderen Schauplatz. Sie scheint gewillt zu sein, der katholischen Friedensbewegung auf Bundesebene vollständig den Geldhahn zuzudrehen. Die Entscheidung der 27 Diözesanbischöfe darüber wird voraussichtlich zwischen dem 22. und 24. Januar in Würzburg fallen.

Kritik findet man auch in der Bistumspresse. Es handelt sich um jährlich 60.000 Euro, mit denen bislang über den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) die pax-christi-Arbeit auf Bundesebene gefördert wird. Das ist ein Fünftel des ansonsten aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden bestrittenen Budgets.

Der Kahlschlag würde nach Angaben der Vorsitzenden Wiltrud Rösch-Metzler die überregionale Arbeitsfähigkeit der deutschen Sektion infrage stellen. Der hauptamtliche Anteil ist ohnehin schon so gering, dass er wohl von keinem anderen kirchlichen Verband unterboten wird. Was sich milliardenschwere Bistümer davon versprechen, jährlich 2.000 oder 3.000 Euro pax-christi-Bundeszuschuss einzusparen, ist bislang nicht bekannt.

Eine politische Entscheidung

Bei der Vorbereitung der Entscheidung wurden nicht etwa Bibel oder Papst konsultiert, sondern eine in Fragen der neoliberalen Mammon-Verwaltung kompetente Unternehmensberatung. Das ist schon sehr pikant.

Der anvisierte Kürzungsbetrag von 60.000 Euro entspricht etwa dem, was einem einzelnen Erzbischof mit obligat hohem Beamtenstatus in fünf Monaten vom Staat - nicht vom Kirchensteuerzahler - als Gehalt gewährt wird.

Das bundesweite VDD-Zuschussvolumen beträgt über 125 Millionen Euro, sodass die bisherige Unterstützung von pax christi weniger als 0,05 Prozent ausmacht! Angesichts dieser Relationen drängt sich nicht nur mir der Verdacht auf, dass eine Mehrheit der staatlich besoldeten Bischöfe - im Falle der Zustimmung - eine politische Entscheidung trifft und die unbequemen Pazifisten in der Kirche lahmlegen will.

Franziskus: In Deutschland noch nicht angekommen

In rein finanzieller Hinsicht wäre der geplante Kahlschlag auch eine Milchmädchenrechnung. Viele kritische Katholiken, die noch immer auf einen Anschluss der deutschen Kirche an den Franziskus-Kurs der Weltkirche hoffen, würden wohl ihren Beitrag zu den derzeit rund 8,5 Milliarden Kirchensteuereinnahmen streichen, wenn die Bischöfe der katholischen Friedensbewegung die Arbeitsgrundlage entziehen.

Die Kirche der Wohlhabenden wünscht sich vom Papst liberale Wohlfühlreformen im Sinne der bürgerlichen Klientel, stellt sich jedoch taub, sobald aus Rom Klartext zu "Frieden und Gerechtigkeit" zu vernehmen ist. Ausnahmen hiervon kommen - es sei widerwillig zugegeben - mehrheitlich gerade nicht aus dem liberalen Flügel der Bischofskonferenz.

Zutreffend hat der katholische Theologe Clemens Ronnefeld, Friedensreferent bei der deutschen Sektion des Internationalen Versöhnungsbundes, die angedrohte Sparmaßname der deutschen Bischöfe in einen weltkirchliche Kontext gestellt:

Während Papst Franziskus in seiner jüngsten Botschaft zum Welttag des Friedens am 1.1.2017 von einem "Weltkrieg auf Raten" sprach, zuvor bereits mit seinem Satz von der "Wirtschaft, die tötet" einen stärkeren Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden angemahnt hat, soll nun auf Beschluss einer Sparkommission ausgerechnet jener katholischen Organisation in Deutschland, die sich seit Jahrzehnten am profiliertesten für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einsetzt, ein großer Teil der finanziellen Grundlage entzogen werden. Der Sparkommission ist eine Begegnung mit dem Heiligen Geist zu wünschen.

Clemens Ronnefeld, Rundbrief vom 18.01.2017

Das internationale pax christi-Netz gehört im gegenwärtigen Pontifikat wohl zu den papsttreuesten Bewegungen in der Weltkirche, wovon ich mich im April 2016 in Rom auf einer von der päpstlichen Kommission "Justitia et Pax" mit ausgerichteten Konferenz Nonviolence and Just Peace überzeugen konnte.

Allerdings habe ich noch nie zuvor Erzbischöfe mit solch beseelter Überzeugung von Liebe und Geschwisterlichkeit erlebt, wie sie etwa John Baptist Odama (Uganda) oder Antonio Ledesma SJ (Philippinen) auszeichnen. Aus Japan nahm u.a. der von Franziskus ernannte Bischof Taiji Katsuya teil, der auf Gold verzichtet und ein Bambus-Kreuz trägt.

Die Mitglieder der japanischen Bischofskonferenz werden nicht vom Staat bezahlt, verteidigen mit Entschiedenheit die Friedensartikel der japanischen Verfassung und haben sich jüngst einmütig der Abschlusserklärung der internationalen katholischen "Nonviolence-Konferenz" angeschlossen.

Es ist niederdrückend, wenn man nach solchen Einblicken in den menschlichen Reichtum der Weltkirche unter Papst Franziskus erlebt, wie arm und kalt die milliardenschwere deutsche Kirchen-Apparatur sein kann.

Der Münchener Kardinal M. Faulhaber sparte 1931 seine Groschen, als Post vom katholischen Friedensbund kam

Hilfreich könnte bei der aktuell anstehenden Sparentscheidung der deutschen Bistümer auch ein Blick in die Geschichte sein. Mit Hartnäckigkeit hält sich das Gerücht, der Münchener Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber (1869-1952) sei zur Zeit der - von ihm nicht geliebten - Weimarer Republik Protektor des "Friedensbundes deutscher Katholiken" (FdK) gewesen.

Dem kann man jedoch nur folgen, wenn man die kritischen Forschungen der Kirchenhistorikerin Antonia Leugers unter den Tisch fallen lässt. So notierte Kardinal Faulhaber in der Aufzeichnung "Die Myrrhen meiner Bischofsjahre" im Januar 1939 (Nachlass Faulhaber, Nr. 9269, S. 195) ausdrücklich, sein Sekretär habe am 4. Mai 1931 der Geschäftsstelle des katholischen Friedensbundes geschrieben, man schicke zwar 3,60 Mark für die ungefragt zugesandte Zeitschrift "Friedenskämpfer", bitte aber, von der weiteren Zusendung abzusehen. Die bischöfliche Sparmaßnahme betraf auch noch einen kleineren Posten der abgewiesenen FdK-Rechnung: "Da der Herr Kardinal nicht [FdK-]Mitglied ist, ersucht er, über Mitgliedsbeitrag [1,60 Mark] keine Rechnung zu stellen."

Mit bischöflicher Erleuchtung hatte Erzbischof M. v. Faulhaber im ersten Weltkrieg den Getauften felsenfest versichert, der Aggressionskrieg des deutschen Kaiserreiches sei ein "gerechter Krieg". Den Kriegsgegnern hielt er entgegen, das Apostelwort habe "das Lästerwort gegen die geheiligte Person des Königs zu einer Sünde vor Gott gestempelt"! Die amtliche deutsch-katholische Kriegspredigt 1914-1918 hatte mit Jesus von Nazareth rein gar nichts mehr zu tun.

Sie folgte stattdessen ohne Skrupel jener staatskirchlichen Kollaboration mit den deutschen "Mächten und Gewalten", wie sie im Protestantismus schon im 19. Jahrhundert die Norm gewesen war. Die deutsch-katholischen Staatsbischöfe ließen den Friedenspapst Benedikt XV. schmählich im Stich und ignorierten dessen Initiativen wider das Schlachthaus in Europa. Umso rührseliger vergoss man Krokodilstränen über eine vielleicht betrübliche Zukunft des "armen Mannes in Rom".

Bischöfliche Assistenz für Hitlers Rasse- und Vernichtungskrieg im Osten

Nach Ende des ersten Weltkrieges machte sich aber niemand Gedanken darüber, wie das bischöfliche Amt fortan strukturell so eingebunden werden könnte, dass es auch eine authentische Bewahrung der Friedensbotschaft Jesu gewährleistete.

Entschieden für die päpstliche, also weltkirchliche Friedensverkündigung und den Glaubenssatz zur Einheit der universalen menschlichen Familie setzte sich der neu gegründete "Friedensbund deutscher Katholiken" (FdK) ein. Eine glaubwürdige bischöfliche Identifikation mit dem FdK war an zwei Fingern (nicht Händen) abzuzählen.

Als das nationalsozialistische Deutschland 1939 Polen überfiel, um sodann dort u.a. hunderte katholischer Priester abzuschlachten, läuteten in den deutschen Diözesen die Kirchenglocken als Zeichen des Frohlockens. Wiederum gab der Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Bertram zu verstehen, ein "gerechter Krieg" sei im Schwang.

Man kann nicht sagen, die deutschen Bischöfe hätten im zweiten Weltkrieg nur versagt und eben nicht entschieden genug die Botschaft Jesu vorgetragen.

Sie verpflichteten nämlich ihre Gläubigen dazu, das genaue Gegenteil der Friedensweisung Jesu zu tun und sich am Vernichtungskrieg der nationalsozialistischen Staatsführung mit ganzer Opferbereitschaft zu beteiligen.

Lorenz Jaeger, vom Dienst als Wehrmachtspfarrer abberufen, um 1941 in Paderborn das Amt des Erzbischofs anzutreten, erweiterte z.B. seinen Konkordats-Eid ganz ungefragt mit freudigster Staatsbejahung (1941!), sah die Menschen in der Sowjetunion gemäß Propaganda als "fast zu Tieren entartet" an und glaubte bis zum bitteren Ende an eine deutsche Wunderwaffe.

Kaum ein Kirchenmann dürfte so gut über die deutschen Kriegsverbrechen und Massenmorde an Juden im Osten informiert gewesen sein wie dieser durchaus militaristische Bischof. Im August 1943 beauftragte man ihn mit der Dompredigt bei der letzten Fuldaer Bischofskonferenz vor Kriegsende.

Lorenz Jaeger beschwor bei diesem Anlass vor zweitausend Menschen und allen Oberhirten das "Band des Blutes" zwischen den "DEUTSCHEN Bischöfen" und ihren "DEUTSCHEN Schwestern und Brüdern" (der damalige Staatsterminus für dergleichen lautete: "alles gut arisch"). Sodann wusste er zu Fulda als oberster Seelsorger zu verkünden: "Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen!"

Sterben mussten dann aber die von den Bischöfen zur Aufopferung ermahnten katholischen Soldaten im Felde und u.a. über 25 Millionen Menschen in der Sowjetunion. Verfolgt wurden vom Staat nicht die Bischöfe, die Hitlers Feldzug gegen den laut Bischofs-Handbuch von Juden dirigierten "gottlosen Bolschewismus" ja mit einer Ausnahme assistierten.

Verfolgt wurden vielmehr kriegskritische Leutepriester und Friedensbund-Katholiken der Kirche von unten, so insbesondere im Paderborner Bistum von Lorenz Jaeger.

Der Theologieprofessor Heinrich Missalla (geb. 1926) hat Anfang des Jahres seinen Protest gegen die aktuellen Friedenseinspar-Pläne der deutschen Diözesen auch vor solchem Geschichtshintergrund formuliert:

Als junger Mann habe ich auch aufgrund der Aufforderung meiner Bischöfe im Hitler-Krieg meinen "Dienst" getan, weil ich damit - so unsere Bischöfe - "nicht nur dem Vaterland" diene, "sondern auch dem heiligen Willen Gottes" folge. Ich wurde von ihnen ausgefordert, mich im Krieg an "Tapferkeit und Einsatzbereitschaft von niemandem übertreffen" zu lassen.

Nach dem Krieg hat keiner der Herren seinen Irrtum öffentlich eingestanden, keiner hat die von ihnen Irregeführten um Entschuldigung gebeten, keiner hat mich nach meinen Erlebnissen im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft gefragt. Diese Erfahrungen haben mein ganzes Leben geprägt. Als alter Mann muss ich nun erleben, dass unsere Bischöfe einem wichtigen Teil der kirchlichen Friedensarbeit die materielle Grundlage entziehen.

Heinrich Missalla

Kirche unter Denkmalschutz

Die zunächst von französischen Katholiken initiierte - später weltweite - pax christi-Bewegung war während der Adenauer-Republik politisch viel zahmer als der alte Friedensbund deutscher Katholiken, erwarb sich jedoch große Verdienste um die Versöhnung mit Franzosen und Polen.

Im Zuge einer zunehmenden Politisierung kam es in den 1980er Jahren auch zu Konflikten mit Bischöfen. Ein franziskanischer Christ wie der Limburger Bischof Franz Kamphaus setzte jedoch gegen Ende des letzten Jahrhunderts in der Bischofskonferenz ein glaubwürdiges Friedensparadigma durch.

Seitdem hat man - vom pax christi-Bischof abgesehen - dort nicht mehr viel gehört, was bei den Regierenden anecken könnte.

Möglicherweise wird die bischöfliche Sparkommission darauf hinweisen, dass hierzulande die pax christi-Mitgliederzahl in den neoliberalen Jahrzehnten von 20.000 auf 5.000 gesunken ist und in Fragen der Unternehmensführung keine religiösen, geschichtlichen oder ethischen Gesichtspunkte ausschlaggebend sein können. Nun hat aber z.B. meine dörfliche Geburtspfarrei im Sauerland, die 1980 wahrlich noch in Blüte stand, heute die junge Generation nahezu restlos verloren. Welche Sparmaßnahmen mit nachfolgender Stellenkürzung gedenkt man in solchen Fällen durchzuführen?

Das Preiswerteste wäre, die verfasste Kirche in Deutschland schafft sich ganz ab und erhält zur Erinnerung an frühere Zeiten noch all jene Stellen, die der Staat besoldet. Vielleicht kann man mit etwas feudalistischem Glanz und einigen unter Denkmalschutz gestellten - bewohnten - Bischofspalästen die Steuerzahler noch eine Weile bei Laune halten?