Bericht der Finanzkommission und Schweizer Volksabstimmung befeuern Debatte um ARD und ZDF
Forderungen nach Neudefinition des Auftrags und Halbierung der Gebühren
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten hat festgestellt, dass ARD und ZDF "bis 2020 viel weniger Geld benötigen, als sie für sich beansprucht haben" (vgl. Finanzprüfer sehen keinen Raum für höheren Rundfunkbeitrag). Dem durchgesickerten Bericht nach, der offiziell erst im Februar veröffentlicht wird, geht es um 753,4 Millionen Euro, die die Zweifel daran verstärken, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk ohne Gesetzesänderungen zum Sparen und Reformieren bereit ist (vgl. "Mogelpackung" von ARD und ZDF?).
Hans Demmel, der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sowie Geschäftsführer des Nachrichtensenders n-tv, glaubt das nicht. Er befand gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), es sei "mittlerweile unumstritten, dass die Medienpolitik den Auftrag von ARD und ZDF neu und zeitgemäß definieren müsse", wobei man unter anderem berücksichtigen müsse, "dass es eine Vielzahl privater Angebote gibt, die nicht zwangsfinanziert würden".
Beer fordert Ende "offenkundiger Doppelstrukturen"
Diese Forderung twitterte gestern auch die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Die Liberalen treten ihren Worten nach "für eine Neudefinition des Auftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein", die eine "Verschlankung" des Apparats und "mittelfristig" eine Halbierung der Gebühren zum Ziel hat. Erreichen lässt sich das ihrer Ansicht nach zum Beispiel dadurch, dass man "offenkundige Doppelstrukturen" unter den "60 eigenständigen Hörfunkprogrammen" und den "sich ähnelnden Sendungen im Fernsehen" beseitigt.
In Sozialen Medien wird das zwar grundlegend positiv aufgenommen - aber man zweifelt daran, ob diese werbewirksame Aussage auch durchgesetzt wird, wenn die Liberalen tatsächlich darüber entscheiden können: In Rheinland-Pfalz, wo die FDP mit der SPD und den Grünen in einer Ampelkoalition regiert, hatte ihr dortiger Mediensprecher Steven Wink die real existierende Medienpolitik am Mittwoch noch verteidigt und den Vorwurf einer politischen Absprache als "Verschwörungstheorie" von sich gewiesen, als ob er noch nie etwas von den so genannten "Freundeskreisen" in den Aufsichtsgremien gehört hätte (vgl. Kompa klagt gegen Eumann-"Wahl").
No Billag
Befeuert wird die Debatte um ARD und ZDF durch die in Sozialen Medien auch unter deutschen Nutzern sehr präsente Diskussion um die Abschaffung des Rundfunkbeitrags in der Schweiz, über die Bürger dort am 4. März abstimmen dürfen. Auf Platz 3 der Influencer-Charts findet sich bei den Gebührengegnern beispielsweise der in Kiel ansässige Twitter-Star Frank Covfefe.
Die No-Billag-Intitiative, die am 4. März zur Abstimmung steht, sieht eine Änderung des Artikels 93 der schweizerischen Bundesverfassung vor. Dort soll verboten werden, dass "der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte […] in Friedenszeiten" Radio- und Fernsehstationen betreiben, subventionieren" oder "Empfangsgebühren erheben". Die Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) dürfte danach zwar weiter produzieren und senden, müsste dabei aber auf 1,2 Milliarden Franken verzichten, die sie derzeit an Gebühren kassiert. Die debattierten Einnahmealternativen reichen von einer Umstellung auf die von Sendern wie Netflix oder HBO erfolgreich etablierten Abo-Modelle bis hin zur Subvention durch die Kantone.
Prominente - und wirtschaftliche Motive
Unter den Gegnern einer Abschaffung der schweizerischen Rundfunkgebühren finden sich neben Politikern auffällig viele Prominente. Sie argumentieren häufig indirekt mit eigenen wirtschaftlichen Vorteilen, die wegfallen würden, wenn weniger "einheimische Filme" produziert werden und weniger schweizerischer Fußball im Fernsehen läuft. Diese gegenseitige Abhängigkeit dürfte auch ein Grund dafür sein, dass sich die Bereitschaft der SRG, von sich aus auf teure Angebote wie Sportübertragungen und Unterhaltungsshows zu verzichten, bislang sehr in Grenzen hält.
Die Befürworter einer Abschaffung der unlängst auf das deutsche Haushaltspauschalenmodell umgestellten Gebühren (die nun auch von Nicht-Nutzern der SRG-Programme bezahlt werden müssen), halten dem entgegen, dass das private heimische Medienangebot im 21. Jahrhundert so umfangreich und vielfältig ist, dass schweizerische Angebote von Deutschen häufig als das "neue Westfernsehen" bezeichnet werden.
In Deutschland wurde eine Online-Petition gegen die GEZ 2009 nicht zugelassen, weil damit angeblich die Kulturhoheit der Bundesländer verletzt würde. Allerdings war diese Entscheidung insofern fragwürdig, als das Petitionsanliegen auf Punkte zielte, die auch in der Vergangenheit auf bundes- oder europäischer Ebene geregelt wurden. Kern der Forderung war nämlich ein technischer Standard, nach dem die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Inhalte im Internet nur für registrierte Zahler zugänglich machen sollten, wodurch Pauschalgebühren entfallen könnten. Der Initiator der Petition zeigte sich deshalb gegenüber Telepolis der Auffassung, dass hier eine unliebsame Verantwortung abgewälzt wurde.