Berliner Linke: Führungsriege springt von Bord

Logo der Partei Die Linke an einer Fassade

Bild: nitpicker/ Shutterstock.com

Die Berliner Linke verliert wichtige Köpfe. Fünf prominente Politiker, darunter Ex-Kultursenator Klaus Lederer, erklärten ihren Austritt. Was steckt hinter dem kollektiven Abschied?

In der Berliner Linkspartei brodelt es. Nachdem sich bereits Unmut über die politische Richtung und den Umgang mit Antisemitismus angebahnt hatte, erfolgte nun ein deutliches Signal: Fünf namhafte Politiker des Landesverbands verkündeten geschlossen ihren Rückzug.

Klaus Lederer, ehemaliger Kultursenator, Carsten Schatz, vormals Fraktionschef, Sebastian Schlüsselburg, Spezialist für Haushaltspolitik, Ex-Bausenator Sebastian Scheel und die frühere Sozialsenatorin Elke Breitenbach teilten am Mittwochnachmittag ihre Entscheidung mit.

Die Austritte wurden über den Kurznachrichtendienst X öffentlich gemacht, wo die Politiker eine gemeinsame Erklärung veröffentlichten. Sie begründeten ihren Schritt damit, dass es ihnen kaum noch möglich sei, ihre politischen Überzeugungen innerhalb des Landesverbands durchzusetzen – insbesondere in Bezug auf den Antisemitismus und die Haltung zur Ukraine.

Austreten, aber weiter zusammenarbeiten?

Die fünf bekunden ihre Absicht, trotz des Parteiaustritts weiterhin konstruktiv mit der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus zusammenzuarbeiten und ihre politischen Ziele als "undogmatische, demokratisch-sozialistische Linke" zu verfolgen. Ob die Berliner Restlinken dazu bereit sind, scheint derzeit aber mehr als unklar. In der Erklärung der Ausgetretenen heißt es:

Wir haben uns in einer sehr pluralen Linken in der Überzeugung engagiert, dass eine demokratische, progressive linke Partei mit einer überzeugenden gesellschaftlichen Zukunftsidee und einer realistischen Perspektive für deren Verwirklichung hierzulande ein gesellschaftliches Potenzial und eine dringliche politische Gestaltungsaufgabe hat.

Das ist aber kein Selbstläufer, der allein durch organisatorischen Aktivismus und Geschlossenheitsappelle erreicht werden kann. Dabei zukünftig wieder erfolgreich zu werden, setzt unabdingbar eine Reihe von inhaltlichen und strategischen Klärungsprozessen voraus. Dies haben wir immer wieder eingefordert und uns daran beteiligt. Es steht aber nach wie vor aus.

Seit einiger Zeit ist es uns jedoch immer weniger möglich, uns in unserem Landesverband für unsere inhaltlichen Positionen und unsere strategischen Orientierungen einzusetzen. Dies erlebten wir nicht zum ersten Mal bei einer klaren Positionierung zum Antisemitismus, sondern z.B. auch bei der Frage der Solidarität mit der Ukraine. Differenzen in der Sache werden stärker denn je – auch über die sozialen Netzwerke – personalisiert ausgetragen und zu "Machtkämpfen" erklärt. Diese Tendenz gab es immer. Sie gehört in gewisser Weise zur DNA politischer Parteien.

Inzwischen sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem sich in – für unser Selbstverständnis zentralen – politischen Fragen unvereinbare Positionen verfestigt gegenüberstehen und eine nötige sachlich-inhaltliche Klärung nicht stattfindet. Die gestern beschlossene Resolution des Landesvorstandes bleibt weitgehend dem Modus treu, die zutage liegende Differenz verbal zu umschiffen. Auch zu den Ereignissen beim Umgang mit unserem Antisemitismusantrag auf dem Landesparteitag und in dessen Nachgang bleibt sie eher vage, von Konsequenzen ganz zu schweigen. Zumal diese Resolution über uns verhandelt wurde, nicht mit uns.

Wir sind weiterhin bereit, auf Grundlage des von uns getragenen Wahlprogramms als Mitglieder in der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus mitzuarbeiten. Als undogmatische, demokratischsozialistische Linke arbeiten wir weiter an unseren Zielen und beziehen politisch Position.

Dazu gehört eines Tages vielleicht auch wieder das Engagement in einer sozialistischen Partei, die bereit ist, sich im Bewusstsein ihrer Geschichte den Herausforderungen für linke Politik in der Gegenwart in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit zu stellen.

Momentan ist uns das aber nicht möglich.

Deshalb erklären wir unseren Austritt aus der Partei Die Linke.

Wir bedanken uns bei allen Genoss:innen, mit denen wir in den vergangenen Jahrzehnten eng und gut zusammengearbeitet haben und wünschen ihnen viel Kraft und Erfolg. Mit vielen von ihnen werden wir auch weiterhin in der progressiven Linken zusammenarbeiten.

Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass wir für weitere Presseanfragen diesbezüglich nicht zur Verfügung stehen.

Elke Breitenbach, Klaus Lederer, Carsten Schatz, Sebastian Schlüsselburg & Sebastian Scheel

Die Vorsitzenden der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Anne Helm und Tobias Schulze, äußerten Bedauern über die Entscheidung der fünf Parteimitglieder und würdigten deren Verdienste für Partei, Fraktion und Stadt. Sie betonten, dass man innerhalb der Fraktion einen Dialog darüber führen werde, wie man weiterhin als soziale Kraft den Aufgaben gerecht werden könne, die die Bürgerinnen und Bürger Berlins erwarten.

Eklat auf Parteitag

Die Austritte erfolgen im Kontext eines vorangegangenen Eklat auf dem Landesparteitag der Berliner Linken am 11. Oktober, bei dem es keine Einigung in der Debatte über einen Antisemitismus-Antrag gab, woraufhin mehrere Delegierte, darunter Lederer und Petra Pau, Bundestagsabgeordnete, die Versammlung verließen.

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Bereits zuvor hatten Udo Wolf, ehemaliger Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, und Sören Benn, ehemaliger Bezirksbürgermeister von Pankow, ihre Parteimitgliedschaft aufgegeben.

Die Gruppe um Klaus Lederer kritisiert zudem eine Kultur des personalisierten Streits über soziale Netzwerke, ohne dass sachliche Klärungen erreicht würden. Trotz einer auf einer Sondersitzung verabschiedeten Resolution, die jede Form von Antisemitismus verurteilt und eine weitergehende Aufarbeitung des Konflikts verspricht, sehen die Ausgetretenen ihre Positionen als nicht mehr vereinbar mit denen des Landesverbands an.

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus zählt aktuell 21 Abgeordnete und ist Teil der Opposition. Bis zum Jahr 2023 war sie in einer Koalition mit der SPD und den Grünen an der Regierung beteiligt. Die Partei sieht sich zusätzlich durch die Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) geschwächt und hat bei jüngsten Wahlen deutliche Einbußen hinnehmen müssen.