Bewegungsfalle: Wenn Sport das lange Sitzen nicht ausgleichen kann

Eine junge Frau sitzt zu viel und zu lange am Schreibtisch

(Bild: Chay_Tee / Shutterstock.com)

Sport ist der beliebteste Neujahrsvorsatz, um gesünder zu leben. Doch selbst regelmäßige Bewegung kann die Folgen eines sitzenden Lebensstils nicht immer ausgleichen.

Der Jahreswechsel ist die Zeit der guten Vorsätze. Im neuen Jahr will man manches anders machen, gesünder leben etwa. Sich mehr zu bewegen und mehr Sport treiben zu wollen, ist ein Klassiker. Allerdings hält der Elan meist nur bis Mitte Januar an: Der zweite Freitag des Monats gilt als „Quitters Day“, also als der Tag, an dem die meisten ihre Vorsätze wieder aufgeben.

Das ist bedenklich, werden doch die Deutschen immer träger. Sie verbringen immer mehr Zeit im Sitzen, wie der DKV-Report 2023 zeigte. Bei der Arbeit, vor dem Fernseher, im Auto oder bei Freizeitaktivitäten – im Schnitt sind es 9,2 Stunden, in denen gesessen wird. Die 18- bis 29-Jährigen sitzen sogar mehr als zehn Stunden am Tag.

Die Folgen des sitzenden Lebensstils sind bekannt: Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen zu, Menschen erkranken an Diabetes und das Krebs-Risiko steigt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt daher mindestens 150 bis 300 Minuten pro Woche moderate bis intensive Bewegung.

Doch reicht das aus? Eine aktuelle Studie, die im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht wurde, wirft Zweifel auf.

Sitzen schadet dem Herzen – trotz Bewegung

Die Forscher um Shaan Khurshid vom Massachusetts General Hospital werteten die Daten von fast 90.000 Personen aus, deren Daten in der britischen Biobank erfasst waren. Die Teilnehmer trugen eine Woche lang einen Fitnesstracker und wurden dann durchschnittlich acht Jahre lang beobachtet.

Das Ergebnis: Wer täglich mehr als 10,6 Stunden saß, hatte ein deutlich höheres Risiko für Herzinsuffizienz und kardiovaskulär bedingten Tod – und zwar auch dann, wenn er die empfohlenen 150 Minuten moderate bis intensive Bewegung pro Woche erreichte.

In den acht Jahren nach der Messung mit dem Fitnesstracker entwickelten 3.638 Personen (4,9 Prozent) ein Vorhofflimmern. 1.854 Personen (2,1 Prozent) litten an Herzinsuffizienz, 1.610 (1,84 Prozent) erlitten einen Herzinfarkt und 846 (0,94 Prozent) verstarben an kardiovaskulären Ursachen.

10,6 Stunden Sitzen als kritische Schwelle

Die negativen Effekte stiegen nicht linear mit der Sitzdauer an, sondern machten bei 10,6 Stunden pro Tag einen Sprung. Ab dieser Schwelle erhöhte sich das Risiko für Herzinsuffizienz sprunghaft um 40 Prozent und für kardiovaskulären Tod um 54 Prozent verglichen mit kürzeren Sitzzeiten.

Khurshid sieht in dieser Sitzdauer einen potenziell entscheidenden Grenzwert: „10,6 Stunden pro Tag stellen einen potenziell entscheidenden Schwellenwert dar, der mit einer höheren Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Mortalität verbunden ist.“

Das Risiko trifft aber nicht nur Bewegungsmuffel, sondern auch aktive Menschen. Bei den Vielsitzern, die sich ausreichend bewegten, war das Risiko für Herzinsuffizienz immer noch um 15 Prozent und für kardiovaskulären Tod um 33 Prozent erhöht im Vergleich zu den Wenig-Sitzern. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, die sitzende Zeit zu reduzieren, um das kardiovaskuläre Risiko zu senken“, so Khurshid.

Forscher empfehlen konkrete Ziele

Was raten die Wissenschaftler konkret? Zunächst einmal, die Sitzzeit zu reduzieren. Khurshid meint: „Künftige Richtlinien und Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sollten die Bedeutung einer Reduzierung der sitzenden Zeit betonen. Mehr als 10,6 Stunden pro Tag zu vermeiden, könnte ein realistisches Minimalziel für eine bessere Herzgesundheit sein.“

Charles Eaton, Direktor der Abteilung für Familienmedizin an der Brown University, weist darauf hin, dass es ratsam sein könnte, einen Fitnesstracker zu benutzen. Denn die Probanden hätten in Selbstauskünften ihre Bewegungsdauer überschätzt und die ihrer sitzenden Tätigkeit unterschätzt.

Aber er betonte auch, dass Bewegung auf jeden Fall sinnvoll ist: Moderate bis starke Aktivität senkte laut Studie das Risiko für Herzinsuffizienz um 15 Prozent und für kardiovaskulären Tod um zehn Prozent.

Wer also mehr als zehn Stunden am Tag sitzt, sollte aktiv gegensteuern. Aufstehen, Spazierengehen, Treppensteigen – jede Bewegung zählt. So lässt sich das Herzrisiko senken, auch wenn man sonst schon aktiv ist. Und das wäre ein guter Vorsatz fürs neue Jahr.