Beweise beseitigt?

Ein UN-Bericht wirft dem Pentagon vor, den vermutlich versehentlichen Beschuss einer Hochzeitsgesellschaft in Afghanistan vertuschen zu wollen

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Am 1. Juli hatten amerikanische Soldaten auf der Suche nach Taliban- und al-Qaida-Kämpfern ein Dorf in der Provinz Oruzgan mit den Bordwaffen einer AC-130 angegriffen. Dabei sollen bis zu 50 Menschen getötet worden sein. Während die beteiligten US-Soldaten angaben, sie seien beschossen worden, soll es sich aber um eine Hochzeitsgesellschaft gehandelt haben. Das Pentagon hat eine Untersuchungskommission an den Ort geschickt, Ergebnisse wurden bislang noch keine bekannt. Zunächst stellt sich das Pentagon hinter die Soldaten. Anlässlich des Vorfalls kam es in Kabul zur ersten Demonstration gegen die USA.

US-Soldat in einem CH-47 Chinook Hubschrauber. Foto: USAF

Sollte es sich tatsächlich um Zivilisten gehandelt haben, so scheint das Pentagon dahin zu tendieren, dies als bedauerlichen, aber unvermeidbaren Irrtum darstellen zu wollen, um die Soldaten zu schützen und das eigene Vorgehen vor Kritik zu immunisieren. Verteidigungsminister Rumsfeld führte so am 22. Juli aus:

"Es ist eine traurige Tatsache des Krieges, das unvermeidlich unschuldige Zivilisten getötet werden. Das traf auf die gesamte Geschichte des Kriegs zu und ist auch noch heute in diesem Zeitalter moderner Technologie und präzisionsgesteuerter Geschosse. Wir können uns aber ein wenig mit dem Wissen beruhigen, dass es in diesem Krieg weniger tragische Verluste des Lebens von Zivilisten als wahrscheinlich in jedem anderen Krieg der modernen Geschichte."

Der Beschuss des Dorfes am 1. Juli lässt sich allerdings nur schlecht als Kollateralschaden darstellen. Sollte es sich tatsächlich um eine Hochzeitsgesellschaft gehandelt haben, dann wurden Zivilisten nicht zufällig mit betroffen, sondern dann waren sie das ausschließliche Ziel des Angriffs. Technisches Versagen konnte dabei keine Rolle spielen, sondern es geht darum, welche Entscheidungsprozesse durchlaufen wurden, bevor Soldaten blindlings in die Menge schossen und dabei auch Frauen und Kinder trafen. Sind die US-Soldaten möglicherweise nicht gut genug ausgebildet, so dass sie beim geringsten Verdacht losschießen? Oder ist das möglicherweise auch eine Anweisung von oben? Das Pentagon behauptet zwar, dass auf den Bildern der Hubschrauberkameras der Beschuss vom Boden zu sehen sei, aber sie wurden seltsamerweise bislang nicht gezeigt, um die Vorwürfe zu entkräften.

Nach einem vorläufigen Bericht einer UN-Untersuchung des Vorfalls, den die Times einsehen konnte, wird das Pentagon nun auch noch beschuldigt, Beweise später beiseite geschafft zu haben und die eigene Untersuchung hinauszuschieben, um so auf das Vergessen des Vorfalls zu setzen. Man habe keine Waffen gefunden und auch keine Hinweise darauf, dass der Hubschrauber beschossen worden wäre.

Das UN-Team, das den Ort besichtigt hat, habe aus "erfahrenen und angesehenen UN-Mitarbeitern" bestanden. Nach dessen Ansicht gäbe es deutliche Hinweise, dass Menschenrechtsverletzungen stattgefunden hätten. Nach dem Beschuss seien schnell Soldaten gekommen und hätten den Ort von verdächtigen Spuren gesäubert. Es habe dort Frauen gegeben, deren Hände auf den Rücken gebunden gewesen wären.

Wie die Times berichtet, hat allerdings ein UN-Sprecher eingeräumt, dass der Bericht nicht hinreichend belegte Behauptungen enthalte, so dass es notwendig sei, eine umfassende Untersuchung vorzunehmen, "um sicher zu stellen, dass sich solche Tragödien nicht wiederholen".