Beziehung zur Türkei: Schulz versus de Maizière

Seite 2: Konservativer Unmut

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Seine Rede war, wie er gleich zu Beginn betont hatte, abgesprochen in der Bundesregierung, allen voran mit Kanzlerin Angela Merkel. Und doch muss man bezweifeln, dass ein CDU-Außenminister von sich aus so weit gegangen wäre. Denn in Unionskreisen ist manchem der Einsatz für Menschenrechtler oder türkische Arbeiterparteien bis heute ziemlich fremd. Und genau diese Kreise fragen sich natürlich auch, wie weit die deutsch-türkischen Beziehungen dafür riskiert werden sollen. Diktaturen sind in der NATO schließlich nichts Neues, siehe früher Griechenland oder die Türkei - warum also die ganze Aufregung?

Wie groß die Skepsis gegenüber Gabriels Kurs auch in Berliner Ministeriumskreisen ist, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 7. August 2017. Die Hermes-Bürgschaften für deutsche Unternehmen zu stoppen, die in der Türkei investieren wollen - davon hält man dort wenig, denn das schade mehr der deutschen Wirtschaft als der Türkei.

In der EU sehen Berliner Regierungskreise kaum Unterstützung für einen anderen Kurs gegenüber Ankara. Italien und Spanien zum Beispiel wollten sich nicht in deutsch-türkische Streitigkeiten hineinziehen lassen. Nur die Niederlande, Schweden, Belgien und Österreich seien auf Seiten Deutschlands. Die FAZ berichtete weiter von einer geschlossenen Veranstaltung, auf der ein deutscher Diplomat gefragt wurde, was eine lebenslange Haftstrafe für Deniz Yücel bedeuten würde. Antwort: Auch das wäre nicht das Ende der bilateralen Beziehungen. "Wir wollen keine roten Linien, die uns dann später die Hände binden."

Union und AKP - ging da mal was?

CDU und CSU sind gegenüber der Türkei grundsätzlich anders aufgestellt als die SPD, die auf die internationale Solidarität unter Arbeiterparteien zurückgreifen kann. Wenn CDU und CSU die konservativen Christen organisieren, dann wäre ihr natürlicher Ansprechpartner in der Türkei nämlich eigentlich Erdogans Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP), die die konservativen Religiösen der Türkei organisiert. Tatsächlich hatte die CDU auch mal versucht, entsprechende Kontakte zu knüpfen. 2004 hatte die damalige wie heutige CDU-Chefin Angela Merkel deshalb die AKP-Zentrale in Ankara besucht.

Danach verkündete Merkel, der Dialog zwischen Union und AKP werde auf der Ebene der Generalsekretäre weitergeführt. 2006 lud die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung Parlamentarierinnen von CDU und AKP zu einem "Meinungsaustausch" über "Frauenthemen" ein, gemeint waren Themen der Familien- und Frauenpolitik in Deutschland und der Türkei.