Bierdeckel in der Luft: Was sich ein Forschertrio bei der Flugbahnanalyse denkt

Bild: Andrea Naica-Loebell

Physiker enthüllen mittels Wurfmaschine, wie Bierdeckel fliegen. Einen Anwendungsbezug hat das Projekt nicht

Es klingt ein bisschen nach Kneipendebatte – und genau so kam es auch zu dem Flugsimulationsexperiment dreier Physiker: Bei einem Brauhausbesuch drehten sie Bierdeckel zwischen ihren Fingern, warfen sie in die Luft und fragten sich, warum und wie sie derartig schnell ins Trudeln geraten, dass gezielte Würfe kaum gelingen. Als Physiker konnten sie diese Frage nicht einfach in der biergeschwängerten Luft hängen lassen, sondern machten sich gemeinsam ans Werk, um dieses Rätsel des Alltags wissenschaftlich zu ergründen.

Kein direkter Flug

Alle, die beim Kneipenspiel schon einmal daran scheiterten, ihren Bierdeckel durch die Luft in einen Hut oder ein anderes Gefäß zu befördern, können sich jetzt wissenschaftlich fundiert darüber informieren, woran genau es lag, und wie sie nächstes Mal ihre Treffsicherheit und Reichweite deutlich steigern können.

Johann Ostmeyer und Carsten Urbach vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik sowie Christoph Schürmann vom Argelander Institut für Astronomie stellten ihre flugbahnbrechende Studie in The European Physical Journal Plus vor: Beer Mats make bad Frisbees.

Anfänglich wollten sie das Problem mit einer Computersimulation lösen, was aber nicht gut funktionierte, also bauten sie eine Bierdeckel-Wurfmaschine, die durch ihren stetigen, gleichen Auswurf verhinderte, dass unwillkürliche Bewegungen die Resultate verfälschen könnten. Mit einer Hochgeschwindigkeits-Kamera hielten die Forscher den Flug der Bierdeckel in jedem Detail fest.

Es zeigte sich, dass der flache Flugkörper sich stets nach kurzer Zeit aufrichtet und dadurch seine Flugbahn verändert. Wurfmaschine oder per Hand wie in der Kneipe - nach spätestens 0,45 Sekunden beginnt der Bierdeckel im Flug unweigerlich abzudriften. Zum Vergleich untersuchte das Team auch andere flache Objekte und stellte fest, dass bei Spielkarten bereits nach 0,24 Sekunden das Gleiche passiert, und bei CDs mit 0,8 Sekunden nur ein wenig später.

Auf der schiefen Bahn

Das entsprach den theoretischen Vorhersagen des Trios, die sie nun mit Beobachtungen aus der experimentellen Praxis belegen konnten. Gedanken über den Flug der flachen Papp-Scheiben haben sich natürlich schon andere vor ihnen gemacht (Fliegende Untertassen). Alles hängt vom Zusammenspiel von Gravitation, Auftrieb und Drehimpuls-Erhaltung ab.

Die Schwerkraft lässt den fliegenden Deckel schon nach kurzer Zeit leicht nach hinten kippen. Dadurch erhält er einen sogenannten Anstellwinkel, einem landenden Flugzeug ähnlich. Gleichzeitig verschafft das Kippen der Scheibe einen Auftrieb, vor allem im vorderen Drittel, was sie letztlich auf die schiefe Bahn und ins Trudeln bringt, bis sie sich überschlägt.

In der Realität wird ein Bierfilzel ja von einem Menschen geworfen, der ganz automatisch mit der Hand eine Drehbewegung ausführt. Christoph Schürmann erklärt: "Meist wird ein Bierdeckel beim Wurf in Drehung versetzt, ähnlich wie ein Frisbee. Er wird so zu einer Art Kreisel."

Aber der Bierdeckel hat eine aerodynamische Form, die weniger günstig wirkt als die eines Frisbees. Durch die Rotation überschlägt er sich zwar nicht, aber er driftet ab. Nach rechts, wenn er linksherum rotiert, oder eben genau umgekehrt.

Christoph Schürmann, Johann Ostmeyer und Prof. Dr. Carsten Urbach (von links nach rechts) mit der Bierdeckel-Wurfmaschine. Bild: Universität Bonn/Gunnar Peters

Die Forscher erklären, was dann passiert: "Gleichzeitig richtet er sich auf - er liegt also nicht mehr parallel zum Boden, sondern steht in der Luft, wie ein rotierendes Rad. In dieser Position hat der Deckel einen Backspin - würde er tatsächlich wie ein Rad auf dem Boden stehen, würde er also zum Ausgangspunkt zurücklaufen. Im Flug verliert er nun schnell an Höhe und fällt zu Boden. Dieser Ablauf ist für alle flachen, runden Objekte charakteristisch."

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