Bierdeckel in der Luft: Was sich ein Forschertrio bei der Flugbahnanalyse denkt

Seite 2: Papp, papp, hurra!

Nicht zu verwechseln ist dieses wissenschaftliche Experiment mit der Pasinger Knödelwurfmaschine, die einst als Protest gegen die Lärmbelästigung durch Überschallflüge abgefeuert wurde (Mit Knödeln gegen Kampf-Jets).

Schließlich ist der Bierdeckel kein Knödel, sondern ein altehrwürdiger (seit 1880) Untersetzer aus Karton, um die Feuchtigkeit unter einem Bierglas aufzufangen. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts besteht er aus Holzschliffpappe und dient als Werbeträger. Heute stellt er ein ganz eigenes Sammelgebiet dar und es gibt ein eigenes Bierdeckel-Magazin. Seltene Exemplare erzielen auf dem Markt durchaus Preise von mehreren Hundert Euro. Unter eingefleischten Bierdeckelsammler existiert sogar ein eigener Gruß: "Papp, papp, hurra!"

Bild: Andrea Naica-Loebell

Neben seiner Funktion als Untersetzer dient er zum Notieren des Verzehrten und für weitere Kneipensport-Arten wie Bierdeckel schnappen oder den Bau von Kartenhäusern (Neuer Weltrekord mit 260.000 Bierdeckeln). Für diese beiden Beschäftigungen eignen sich die quadratischen Exemplare am besten.

Bierfilzel gibt es heute in verschiedenen Formen und Größen, häufig rechteckig oder oval, erforscht haben die drei Physiker aktuell aber ausschließlich das Flugverhalten des ganz traditionellen, runden Standard-Bierdeckels aus fester Pappe mit einem Durchmesser von 10,7 Zentimetern und einer Dicke von rund einem Millimeter. Selbstverständlich nicht durchweicht, sondern neuwertig.

Verstehen, wie die Welt funktioniert

Praktische Anwendungen für ihre Flugbahn-Ergebnisse haben die drei Physiker nicht im Sinn, es geht ihnen rein um die Erkenntnis, um das Verstehen, was bei dem Vorgang des Bierdeckel-Werfens genau geschieht. Ein kleiner Baustein, um besser zu verstehen, wie die Welt funktioniert. Reine Grundlagenforschung, die heute oft viel zu kurz kommt. Carsten Urbach erläutert:

"Einen Anwendungsbezug hat das Projekt nicht. Allerdings ist das Problem für Laien und Physiker gleichermaßen anschaulich. Und es bildet sehr schön den kompletten Prozess ab, in dem die Naturwissenschaften Erkenntnisse gewinnen - von der Beobachtung über die Theorie und ihre experimentelle Überprüfung bis gegebenenfalls hin zu ihrer Anpassung und Weiterentwicklung."

Ein klein bisschen praktischen Nutzen hat die neue Studie aber doch für diejenigen Gasthausbesucher, die ihre Wurftechnik verbessern möchten. Denn generell gilt, das die Bierdeckel am besten und weitesten fliegen, wenn sie sich möglichst rasch um sich selbst drehen - wie ein Frisbee. Aber der Untersetzer entwickelt sein Flugpotenzial am besten, wenn er im Gegensatz zum Frisbee nicht flach, sondern mit seiner Schmalseite nach vorne ausgerichtet geworfen wird.

"Wer wirklich weit und genau werfen möchte, der sollte die Deckel direkt senkrecht aufrichten und in Rückwärtsdrehung versetzen", erklärt Johann Ostmeyer. Die Handhaltung dabei erinnert ein bisschen ans Boule-Spielen und wird in dem kurzen Video "Bierdeckel sind schlechte Frisbees", das auch die Wurfmaschine im Einsatz zeigt, ganz am Ende von ihm selbst vorgeführt.

Beim Nachahmen ist natürlich Vorsicht geboten, denn kein anderer Kneipengast möchte einen durch die Luft schwirrenden Bierdeckel an den Kopf bekommen. Entsprechend schreiben die Forscher vorausschauend am Ende ihres Fachartikels:

Unsere ehrliche Entschuldigung gilt allen, die von einem Bierdeckel getroffen wurden, sei es durch ungenaues Zielen oder dadurch, dass andere durch uns zu albernen Experimenten angestiftet wurden.

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