Bin Ladens Sprachrohr gekappt?
Nach der Festnahme dreier mutmaßlicher al-Quaida-Propagandisten in Österreich fürchten Datenschützer, dass der Ruf nach Online-Durchsuchungen lauter werden könnte
Die neuen Medien sind auch Terroristen nützlich. Zur Verbreitung islamistischer Propaganda wird das Internet seit langem genutzt. Die „Globale Islamische Medienfront“ (GIMF) ist dabei seit längerem im Visier der Terrorfahnder. Im März 2007 sorgte schließlich ein Video für Aufregung, das dieser Gruppe zugeordnet wird. Damals wurde Deutschland und Österreich explizit gedroht, um die Regierungen dieser Länder zu einem Rückzug ihrer Truppen aus Afghanistan zu bewegen. Das Video soll in Österreich von den jetzt festgenommenen drei Österreichern mit Migrationshintergrund hergestellt worden sein. Während über die tatsächliche Gefährlichkeit der al-Quaida-Sympathisanten noch diskutiert wird, sorgen sich Datenschützer bereits um die Folgen. Hans Zeger von der ARGE Daten vermutet etwa, dass nun die Forderung nach mehr Überwachungsmöglichkeiten für die Behörden wieder lauter werden könnte.
Die drei Verdächtigen – eine Frau und zwei Männer - sind österreichische Staatsbürger im Alter zwischen 20 und 26 Jahren, erklärt das österreichische Innenministerium. Sie Kinder von Einwanderern arabischer Abstammung und waren arbeitslos - aber offensichtlich dennoch ziemlich beschäftigt. So berichtete etwa der Spiegel über die Aktivitäten der Gruppe:
„Es ist gerade einmal drei Wochen her, da suchte die ‚Globale Islamische Medienfront’ (GIMF) noch Übersetzer, um mit dem täglichen Pensum an Terror-News Schritt halten zu können. ‚Besonders gefragt sind Geschwister mit Englischkenntnissen’, schrieb einer der GIMF-Brüder. ‚Wer also ein wenig von seiner Zeit Allah opfern will und dabei den Dschihad unterstützt’, der solle eine E-Mail schicken - er bekomme dann ‚eine kleine Arbeit’ zurückgeschickt“
.
Die GIMF war deutschen und österreichischen Terrorfahndern bereits vor längerer Zeit aufgefallen. Ihre Internetseiten entstanden Herbst 2005 - zunächst deutschsprachig, später gab es auch noch eine englische Version. Darauf fanden sich islamistisch geprägte News und diverse Dschihad-Propaganda, im Diskussionsforum wären auch Bilder von gefallenen US-Soldaten gezeigt worden, ist aus Ermittlerkreisen zu hören. Allerdings wurden die Seiten nach diversen Attacken von Dschihad-Gegnern und Protestmails an den Hosting-Provider bereits vor Wochen lahm gelegt, berichtet der Spiegel.
Der Kopf der GIMF-Aktivitäten soll einer der jetzt festgenommenen Österreicher sein. Mit dem von der Gruppe vermutlich selbst produziertem Drohvideo steht nun eine Anklage wegen Nötigung im Raum. Tatsache ist, dass nach dem Auftauchen des Videos ein vermummter Mann auch dem österreichischen Rundfunk ORF ein Interview zu dem Video gab. Man wolle damit Anschläge verhindern, indem man klar mache, dass die Regierungen Österreichs und Deutschlands ihre Truppen abziehen müssten, so der Grundtenor des Islamisten.
Man beobachte die radikale Szene ständig und auch diese kleine Gruppe hätte man bereits seit längerem im Visier, bestätigten gestern die österreichischen Behörden. Der Zugriff erfolgte, nachdem man Kenntnis davon erlangt hatte, dass zumindest einer der Verdächtigen mit seiner Frau ins Ausland reisen und sich dort möglicherweise absetzen wollte. Einer der Festgenommenen spiele in der „oberen Liga“ mit, sagte ein Ermittler. Über die tatsächliche Gefährlichkeit besteht allerdings weiter Rätselraten. Der österreichische Innenminister, Günther Platter (ÖVP), erklärte, die Gruppe sei eine Art „Franchise-Ableger des Terrornetzwerks“ al-Quaida. Wie die Verbindungen zur al-Quaida genau gelaufen sind, wollte der Minister mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht beantworten. Angeblich wäre zumindest ein Verdächtiger in einem al-Quaida-Trainingslager ausgebildet worden. Die Exekutive hätte aber Hinweise darauf, dass der Hauptverdächtige versucht habe, Sprengstoff zu organisieren. Bei der Festnahme wurde aber keiner gefunden. „Eine ernsthafte Gefährdung hat während der gesamten Dauer der Ermittlungen nicht bestanden“, heißt es aus dem Innenministerium.
Am Donnerstag wurde in einer akkordierten Aktion zwischen österreichischen und kanadischen Behörden ein vierter Verdächtiger festgenommen. Es soll sich dabei um einen Islamisten afrikanischer Abstammung handeln. Zwischen den österreichischen und den kanadischen Extremisten soll es einen regen Austausch über Internet gegeben haben. Dies zeige die internationale Vernetzung islamistischer Radikaler, betonte Österreichs Innenminister. Allerdings kann sich inzwischen so mancher Journalist das Schmunzeln nicht ganz verkneifen. Denn, dass ein Terrorist Interviews im österreichischen Fernsehen gibt, wie es der Hauptverdächtige kurz nach Auftauchen des Drohvideos getan hat, und ein weiterer Verdächtiger regelmäßig Demonstrationen organisiert, wie sich jetzt herausstellte, passt nicht so ganz zum Bild eines gefährlichen "Schläfers".
Kommt die Online-Durchsuchung?
Ebenso wie bei den jüngsten Vorfällen in Deutschland, wird jetzt auch wieder laut über die Möglichkeit von Online-Durchsuchungen nachgedacht. Der österreichsche Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum, betonte aber bei einer ORF-Diskussionsrunde, dass man den Islamisten ohne die bisher illegale Online-Durchsuchung mit Trojanern auf die Spur gekommen sei. Eingesetzt wurde der sogenannte „Große Lauschangriff“. Damit konnte man den E-Mail-Verkehr der Verdächtigen mitlesen. Buxbaum gab sich auch erstaunlich reserviert in dieser Frage und räumte ein, eine „gespaltene Persönlichkeit“ bei diesem Thema zu sein. Trojaner könnten zwar für die Ermittlungen hilfreich sein, müssten aber jedenfalls auf politischer Ebene diskutiert werden.
Dass auf politischer Ebene nun wieder ein Vorstoß in diese Richtung kommt, glaubt der österreichische Datenschützer Hans Zeger ziemlich sicher. „Mit den Verhaftungen könnte die Online-Durchsuchung wieder ein Thema werden. Die Forderung nach mehr Überwachungsmöglichkeiten kommt ja immer bei solchen Anlässen wie das Amen im Gebet“, so Zeger im Telepolis-Gespräch.
Platter hatte schon zu Sommerbeginn, laut über den Einsatz von „Behörden-Trojanern“ nachgedacht. „Herr Platter versucht offenbar eine Ermächtigung der Polizei durchzubringen, Onlinedurchsuchungen ohne Gerichtsbeschluss durchzuführen“, kommentiert Zeger. Bei einem Treffen der Ressortverantwortlichen aus Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und Österreich war dann vergangene Woche vereinbart worden, die gesetzlichen Möglichkeiten von Online-Durchsuchungen zu prüfen und abzugleichen. Zeger betrachtet die Einrichtung einer Arbeitsgruppe dafür mit gewisser Skepsis: „Üblicherweise werden Vorbereitungsarbeiten in derartigen Arbeitsgruppen versteckt.“ Von Online-Durchsuchungen hält der Datenschützer generell wenig. Denn, so Hans Zeger gegenüber Telepolis:
„Derjenige, der etwas zu verbergen hat, wird sich zu schützen wissen. Die Kommunikation krimineller Netzwerke läuft längst über anonymisierte Rechner beziehungsweise über Zombie-Rechner, also gehackte Fremdrechner. Abgesehen davon kann Platter bestenfalls legal auf innerösterreichische Rechner zugreifen, wo eher wenig zu holen ist. Ich nehme nicht an, dass Platter ‚chinesische’ Verhältnisse vorschweben, also das Herumstöbern in fremden Behördenrechnern, wie das ja angeblich China bei den Deutschen gemacht hat. Abgesehen davon wird jeder IT-Betreiber es zu seinem Selbstverständnis zählen, derartige Angriffe abwehren zu können.“