Biowaffenkonferenz in Genf gescheitert

Trotz der Anthrax-Biobriefbomben halten die USA ein Kontrollregime für entbehrlich

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Die Fünfte Überprüfungskonferenz zum "Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen" (BWC) ist am 7. Dezember 2001 mit einem Eklat seitens der Delegation der USA ergebnislos zu Ende gegangen (Nach uns die Sintflut). "Die USA versenken die Biowaffenkonferenz" titelt selbst die Washington Post tags darauf auf Seite eins.

Nach Agenturmeldungen werden europäische Delegierte mit Stellungnahmen zitiert wie etwa: "They have fired a missile at the conference. We are deeply disappointed." Nach einer Presseerklärung des Sunshine-Projects, einer für die Biowaffen-Rüstungskontrolle engagierten Nichtregierungsorganisation, sollen europäische Diplomaten "off-the record" noch schärfer reagiert haben: "They treated us like dirt", says Europe of the US, "They are liars... In decades of multilateral negotiations, we've never experienced this kind of insulting behavior."

Damit sind die sechs Jahre währenden Bemühungen der Einführung eines - wenn auch löchrigen - Verifikationsregimes zur Kontrolle von verdächtigen oder vermuteten Forschungs- Entwicklungs- und Produktionsanlagen für biologische Kampfstoffe anhand von Routine- oder Verdachtskontrollen, die zuvor auch von der Clinton-Administration unterstützt worden waren, mit einem Schlag zunichte gemacht. Es gibt eine ideologische und eine realpolitische Erklärung dafür.

Letztere ist die gefährlichere von beiden, denn sie könnte bedeuten, dass die USA fortan bei der "Beseitigung der Biowaffenbedrohung" vermehrt auf "militärische Lösungen" setzten werden. Dies jedenfalls war die Hauptbegründung der US-britischen Luftangriffe auf Irak im Dezember 1998. Die Andeutungen der Bush-Regierung und ihrer Hardliner, nach dem Afghanistan-Feldzug nun auch andere Weltregionen im wortwörtlichen Sinn in Angriff zu nehmen, werden auch diesmal mit der Bedrohung durch biologische Waffen begründet.

Während des Kalten Krieges entschloss sich die Nixon-Regierung Ende der 60er Jahre, eine universelle Rüstungskontrollvereinbarung auch zum Verbot der Entwicklung und der Herstellung von biologischen Kampfstoffen zu unterstützen. Dies war nicht nur in altruistischem, sondern durchaus auch in nationalem Interesse gelegen, da die USA mit ihrer nuklearstrategischen Überlegenheit ohnehin ein enormes Abschreckungspotential hatten, Biowaffen, wegen der vergleichsweise lächerlich geringen Produktionskosten, als "Gleichmacher" "drittklassiger" Nationen im strategischen Power-Play ausgeschieden werden sollten und schließlich, weil die meisten Militärs von einem Einsatz von Biowaffen in einem realen Krieg wegen der Unkalkulierbarkeit der Effekte nichts hielten.

Präsident Nixon verkündete am 25.11.1969 die einseitige Beendigung des offensiven US-Biowaffenprogramms. Am 10.4.1972 wurde die BWC, als deren Signatarstaaten die USA, das Vereinigte Königreich und die Sowjetunion auftraten, unterzeichnet. Am 26.3.1975 trat sie Kraft, von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde sie erst am 7.4.1983. Bislang sind 144 Staaten der BWC beigetreten, unter ihnen manche, die von den USA verdächtigt werden, B-Waffen verdeckt und vertragswidrig herzustellen: etwa Irak, Iran, Volkrepublik Korea.

Von den 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind bis dato diesem Vertrag bislang überhaupt nicht beigetreten: Angola, Aserbaidschan, Eritrea, Israel, Kamerun, Kasachstan, Kirgisien, Moldawien, Namibia, Sudan, Tadschikistan, Tschad, Vatikan. Von den Unterzeichnern haben den Vertrag u.a. nicht ratifiziert: Ägypten, Burma, Estland, Marokko, Somalia, Syrien, Vereinigte Arabische Emirate.

Die BWC verbietet ausdrücklich bereits die Forschung und Entwicklung an biologischen Waffen, ihre Herstellung, ihren Erwerb und die militärische Dislozierung (Art. I). Der Vertrag konstituiert ein Vernichtungsgebot solcher Stoffe und Substanzen (Art. II) und enthält ein Weitergabeverbot (Art. III). Die bislang nicht in den Vertrag implementierten Kontrollbestimmungen sind nun auch mit dem Ausstieg der USA aus der Ad-Hoc-Gruppe (AHG), die diese seit Jahren erarbeiten sollte, vorläufig gescheitert. Ebensowenig enthält die BWC bisher irgendwelche Bestimmungen, wie die mögliche gentechnische Veränderungen von biologischen Kampfstoffen bewertet werden soll.

Die USA selbst unterhalten, nachdem die Nixon-Administration 1969 eine weitere Arbeit an Offensivkapazitäten untersagt hatte, angeblich nur mehr ein 'Defensivprogramm' im Bereich der Biowaffenforschung. Der dual-use Charakter eines Biowaffenprogrammes ist jedoch evident, 'Defensivforschung' kann jederzeit wieder in ein Offensivprogramm konvertiert werden (Streit um die Wiederinbetriebnahme eines Labors für die Maul-und-Klauenseuche im Irak). Nur wenige Tage vor dem 11. September hat eine Veröffentlichung in der New York Times aufhorchen lassen (Pentagon bestätigt nach Pressebericht Forschung an biologischen Kampfstoffen).

Die Vertragsverletzungen des Irak wurden jahrelang von der UNSCOM, der "UN Special Commission" zur Verifikation des Status und der Zerstörung des irakischen nuklearen, biologischen, chemischen und Raketenrüstungsprogramms untersucht. Der letzte Bericht, wurde am 29.1.1999, nach der Ausweisung der UN-Inspektoren aus dem Irak veröffentlicht. Dieser Bericht zeigte deutlich, dass Irak die UNSCOM bis 1995 - wie in allen anderen Bereichen von Massenvernichtungswaffen auch - an der Nase herumgeführt und nur zugegeben hatte, was gerade beweisbar war. Nachgewiesen werden konnte, dass Irak ein voll entwickeltes B-Waffen Programm betrieben hat, wobei 21 oder 25 Sprengköpfe von Al-Hussein Raketen mit B-Waffen bestückt wurden, davon 16 mit Anthrax. Ebenso wurden Sprengkörper für Flächenbombardements mit biologischen Kampfstoffen befüllt.

Die Fallbeispiele demonstrieren - auch Südafrika mit seinem ehemals offensiven B-Waffen-Programm wäre hier noch zu nennen - die Notwendigkeit von Vor-Ort-Inspektionen. Die Internationale Atomenergie Organisation (IAEA) führt seit langem Verifikationsmaßnahmen in zivilen kerntechnischen Anlagen durch und seit der Entdeckung des verdeckten irakischen Atomwaffenprogramms zunehmend auch Verdachtskontrollen (Nuklearterrorismus). Auch der C-Waffen-Vertrag hat seit 1997 sein eigene Kontrollregime, die "Organization for the Prohibition of Chemical Weapons" (OPCW). Die AHG hatte eine ähnliche Organisation, die "Organization for the Prohibition of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons" (OPBTW) vorgeschlagen. Ein solches Modell - mit einer eigenen internationalen Agentur - wäre langfristig auch im B-Waffen-Bereich wünschenswert gewesen, auch wenn hier die Probleme der Verifikation der technischen Natur nach differenzierter, aber grundsätzlich nicht unlösbar sind.

Statt dessen deutet der eingeschlagene Kurs der gegenwärtigen US-Regierung auf einen Rückzug aus der multilateralen Rüstungskontrolle und einer kooperativ definierten Sicherheitspolitik hin. Die Begründungen, die der US-Delegierte John Bolton zu Beginn der BWC-Überprüfungskonferenz am 19.11.01 abgab, sind folgende: Ein Kontrollregime würde die defensive US-Biowaffenforschung behindern, die Export-Kontrollen der USA unterlaufen können und die Biotechnologie-Industrie der USA behindern (Eine Frage der Ehrlichkeit).

Insgesamt ist die Behauptung der USA, die BWC sei überhaupt nicht verifizierbar, ein Rückgriff in die Klischee-Kiste des tiefsten Kalten Krieges der frühen 60er Jahre, als die Falken in den USA einen Atomteststopp-Vertrag mit dem Argument ablehnten, ein solcher sei nicht verifizierbar, weil die Sowjets dann eben über kurz oder lang ihre Nukleartest auf der Rückseite des Mondes durchführen würden. Die Bush-Junior-Regierung ist die erzreaktionärste seit Ronald Reagan. Und sie dürfte auch weiterhin versuchen, jede neue vertraglich bindende und multilaterale Rüstungskontrollmaßnahme zu desavouieren und bestehende, wie den ABM-Vertrag, bei Bedarf einseitig außer Kraft zu setzen.